In China, Singapur oder Japan stirbt kaum jemand durch Schusswaffen
Nach einer weltweiten Studie ist das Risiko in Mittelamerika, Brasilien und den USA am höchsten
2016 sind weltweit nach einer in JAMA erschienenen Studie eines Wissenschaftlerteams vom Institute for Health Metrics and Evaluation an der University of Washington über 250.000 Menschen (195.000-276.000) durch Schusswaffen gestorben (3,4 Todesfälle pro 100.000), mit 64 Prozent die Mehrheit durch Mord. 1990 waren es mit 209.000 weniger. In der Zeitspanne sei die Zahl jährlich durchschnittlich um 0,9 Prozent weniger geworden, allerdings mit großen Ausnahmen. In 41 Ländern stieg die Zahl, Schwerpunkt sind die mittelamerikanischen Länder.
Erfasst wurden in 195 Ländern die Zahl der durch Schusswaffen Getöteten zwischen 1990 und 2016, die unbeabsichtigt, durch Suizid und durch Mord (zwischenmenschliche Gewalt) ums Leben kamen. Die in Kriegen, durch Terrorismus, durch Hinrichtungen oder in Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden nicht einbezogen. Je nach Land variiert die Zuverlässigkeit der Daten.
In fast allen Jahren, so die Autoren, war die Zahl der durch Schusswaffen Getöteten größer als die derjenigen, die in Konflikten ums Leben kamen. Ausgerechnet 2001, als mit den 9/11-Anschlägen der Krieg gegen den Terror und die Ausbreitung des Terrorismus begann, gab es die größte Differenz. Hier starben an Schusswaffen geschätzt 243.000 Menschen, in Konflikten nur 38.000. Nur 1994 überstieg durch den Völkermord in Ruanda die Zahl der in Konflikten Getöteten die der durch Schusswaffen gewissermaßen im alltäglichen Leben Umgekommenen.
Hervorzuheben ist die völlig ungleichmäßige Verteilung der Toten. Knapp über 50 Prozent geschahen 2016 in Ländern, die nur 10 Prozent der Bevölkerung darstellen. An der Spitze steht Brasilien mit über 43.000 Todesfällen durch Schusswaffen, gefolgt von den USA mit über 37.000. In größerem Abstand folgen Indien (26.500), Mexiko (15.400), Kolumbien (13.300), Venezuela 12.800, Philippinen (8000), Guatemala (5090), Russland (4380) und Afghanistan (4050).
Die absoluten Zahlen sagen noch nicht so viel aus, interessanter ist die Relation zur Bevölkerung eines Landes. Danach sterben an Schusswaffengebrauch am meisten Menschen mit 39,2 Todesfällen pro 100.000 in El Salvador, gefolgt von Venezuela und Guatemala. Grönland liegt auf Platz 4, hier werden Schusswaffen praktisch nur für den Selbstmord verwendet. Die Virgin Islands und Brasilien haben mit 21,3 bzw. 19,4 auch noch sehr hohe Werte. Singapur liegt am anderen Ende, hier gibt es 0,1 Todesfälle durch Schusswaffen auf 100.000 Einwohner, in China wie in Oman und Japan auch nur 0,2. Rumänien und Großbritannien sind mit 0,3 danach die sichersten Länder, Katar, die Malediven oder Mauritius haben auch nur 0,4 Todesfälle auf 100.000 Einwohner.
Wenn es um Morde geht, stehen die mittelamerikanischen Länder, inklusive die Virgin Islands und Brasilien, an der Spitze. In El Salvador wurden 38.9 von 100.000 Einwohnern ermordet. In Singapur oder Japan sind es 0,03. Das sind Welten. In China lebt man auch mit 0,05 pro 100.000 sicher. Und in Großbritannien ist man mit 0,07 vor Mord auch besser geschützt als in Deutschland mit 0,10.
Selbst wenn die Suizidrate nicht geringer sein muss, werden in Singapur, China oder Japan einfach weniger Schusswaffen zum Selbstmord eingesetzt. Am meisten Selbstmorde mit Schusswaffen werden in Grönland, gefolgt von den USA begangen. Die Zahl der Waffen ist offenbar nicht unbedingt maßgeblich für Morde, wohl aber für Suizide. Mit Schusswaffen, so die Studie, ist die Tödlichkeit von Selbstmordversuchen schlicht höher. Sind sie zur Hand, stirbt man auch schneller.
Ansonsten können die Autoren die großen Unterschiede zwischen den Ländern nicht erklären. Sie sagen nur, dass die Verfügbarkeit von Schusswaffen und deren Regulierung eine Rolle spielen könnte, zumindest sei das konsistent mit den Ergebnissen der Studie. Interessant wäre die Frage, ob es eine Rolle spielt, ob ein Land sich in einem internen Konflikt befindet oder Kriege führt und ob die soziale Ungleichheit zur Gewalt beiträgt. Beides ist zu vermuten.