In autonomen Fahrzeugen sind Alle Passagiere und empfänglich für die Reisekrankheit
Wissenschaftler haben ein Patent auf eine universelle Methode zur Verhinderung der Reisekrankheit durch visuelle Stimulation erhalten
Wenn die autonomen Fahrzeuge kommen, werden zwar die Fahrer entlastet vom Steuern. Aber es könnten mehr Insassen unter Übelkeit leiden. Bislang sind es vor allem Frauen und Kinder, die als Passagiere davon betroffen sind, während die Männer fahren und damit nicht unter den Störungen des Gleichgewichts leiden müssen, weil der Blick beim Steuern mit den Fahrzeugbewegungen übereinstimmt. Wem schlecht wird, der ist verstört, weil, so die gängige Hypothese, die Informationen der Augen, die beispielsweise auf ein Buch oder einen Bildschirm gerichtet sind, nicht mit den erlebten Bewegungen im Auto übereinstimmen, also mit den Informationen vom Vestibularorgan, dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr, und der propriozeptive Wahrnehmung, also den Mechanorezeptoren der Muskeln und Gelenke. Übel kann es einem nicht nur beim Kurvenfahren werden, aber vor allem dann.
Zu erwarten ist also, dass mit der Durchsetzung der autonomen Fahrzeuge die Zahl der Passagiere weiter ansteigen wird, denen es beim Fahren schlecht wird, weil auch die Fahrer noch dazu kommen. Das wäre nicht gut für die Attraktivität der autonomen Fahrzeuge, die gerade versprechen, dass sich die Menschen von der Beobachtung der Straße und des Verkehrs abwenden können, um zu arbeiten oder an Bildschirmen etwas zu konsumieren, was sie für Übelkeit prädestiniert.
Natürlich gibt es bereits Tüftler, die versuchen, eine technische Lösung für die Nebenwirkungen einer Technik zu finden. Michael Sivak und Brandon Schoettle vom Transportation Research Institute der University of Michigan haben auf ihr System bereits ein Patent für ein universelles Mittel gegen die Reise- oder Bewegungskrankheit (Kinetose) erhalten.
Sie rechnen mit kommerziellem Erfolg, weil es ohne Reisekrankheitsschutz die Attraktivität von autonomen Fahrzeugen drastisch sinken würde. Gerade für Menschen, die normalerweise selbst am Steuer sitzen und deswegen davor bewahrt werden. Auch die "Produktivitätsgewinne", die von autonomen Fahrzeugen versprochen werden, ließen sonst nur bedingt erzielen. Ein für viele probates Mittel, die Reisekrankheit zu verhindern, ist das Schließen der Augen, Döseln oder Schlafen. Das wäre aber nur indirekt produktiv, aber man käme dann auch ausgeruht an das Ziel der Fahrt.
Die Idee besteht offenbar darin, mittels Licht dem Passagier, vielmehr seinem visuellen System, vorzugaukeln, was er bzw. es beim Fahren sehen könnte. Das soll den Konflikt zwischen den vestibulären und visuellen Reizen beseitigen und ermöglichen, etwa während des Fahrens ein Buch zu lesen oder auf einen Bildschirm zu schauen. Dabei sitzt man in einem autonomen Fahrzeug nicht notwendig in Fahrtrichtung, sondern auch gegen die Fahrtrichtung oder seitlich.
Die Wissenschaftler stellen sich vor, dass es eine tragbare Vorrichtung ähnlich einer Brille oder ein im Inneren des Autos integriertes System gibt. Das Prinzip besteht darin, auf die Peripherie des äußeren Sichtfelds beider Augen auf bestimmte Weise durch eine Steuerung, die Daten des Fahrzeugs und des Nutzers verarbeitet, aufeinanderfolgende Lichtreize zu werfen, so dass das visuelle System daraus die Geschwindigkeit, die Fahrtrichtung und die Neigung des Fahrzeugs oder auch einen entsprechenden künstlichen Horizont ableitet bzw. die visuellen Reize mit den vestibulären koordiniert werden. Durch diese korrigierende Simulation könne man beim Fahren lesen oder irgendetwas an Bildschirmen machen, weil man zusätzlich zu den vestibulären Reizen auch am Rande des Blickfelds visuelle Reize simuliert, wie sie unter den gegebenen Bedingungen des Fahrens vorhanden sein würden.
Die Darstellung der universellen Anti-Kinetose-Technik ist vage. Erwähnt werden auch keine Versuche, die zeigen, dass eine solche Stimulation der peripheren Bereiche des Sehfelds tatsächlich Reiseübelkeit verhindern kann bzw. dass die Stimulation nicht ihrerseits beispielsweise das Lesen im zentralen Sehfeld erschwert oder andere Nebenwirkungen erzeugt. Man will nun schnell das Patent kommerzialisieren, um mit dabei zu sein, wenn die autonomen Fahrzeuge anrollen.