In den USA gibt es relativ zur Bevölkerung mehr Überwachungskameras als in China
China ist Marktführer bei KI-Überwachungstechnik, US-Politiker wollen nun in Abgrenzung zu China den Einsatz von Gesichtserkennung ein wenig einschränken
770 Millionen Überwachungskameras soll es heute auf der Welt geben. Davon seien 54 Prozent in China installiert. Nach einem Bericht von IHS Markit soll die Zahl der Überwachungskameras bis 2021 auf eine Milliarde ansteigen, China wird weiterhin mehr als die Hälfte besitzen, um Städte und Bürger zu überwachen. Das Sozialkreditsystem macht zudem ein engmaschiges Netz und vor allem Gesichtserkennung notwendig, um die sich nicht konform Verhaltenden sanktionieren zu können.
Allerdings täuschen die Zahlen. Zwar gibt es in China die meisten Kameras, in Nordsamerika sind nur 18 Prozent aller Kameras installiert. Aber in den USA kam 2018 eine Kamera auf 4,1 Menschen, in China war es eine Kamera auf 4,6 Menschen. Trotzdem wird von amerikanischer Seite gesagt, China habe einen "riesigen Überwachungsstaat" aufgebaut. Im Vordergrund scheint es aber eher darum zu gehen, dass China mit der gewissermaßen in der Praxis bewährten Überwachungstechnik zur Gesichtserkennung und mit anderen KI-Anwendungen von Huawei, Hikvision, Dahua und ZTE auf den globalen Markt drängt.
Mindestens 75 der 176 Staaten nutzen bereits KI-Überwachungstechniken, 56 für Smart-City-Projekte, 64 zur Gesichtserkennung und 52 für "smart policing". Das Carnegie Endowment warnte in einem Bericht im September, dass jetzt bereits chinesische KI-Überwachungstechnik in 63 eingeführt worden sei, 36 davon seien Partner der Seidenstraßeninitiative. Mindestens 50 Staaten hätten KI-Überwachungstechnik von Huawei gekauft. Weit abgeschlagen ist der zweite nicht-chinesische Verkäufer NEC. Der japanische Konzern exportierte in 14 Länder.
Vermutet wird, dass China die Exporte unterstützt, das sei eine "beunruhigende Frage, die im Bericht aber nicht beantwortet wird. Danach heißt es, auch die USA seien "in diesem Bereich aktiv". Aber sie sind mit Exporten in nur 34 Länder gegenüber China mittlerweile abgehängt, auch die anderen "liberalen Demokratien" Frankreich, Deutschland, Japan und Israel. Es geht um Markt- und Machteinfluss. Bislang hatten auf dem Markt der Überwachungstechnik westliche Länder ihre Nase vorn. Die haben mit 51 Prozent auch noch den größten Anteil an installierter KI-Überwachungstechnik, aber Demokratien, so argumentiert Carnegie nun mit politischen Werten, würden nicht die "angemessenen Schritte unternehmen, um die Verbreitung neuer, mit einer Reihe von Verletzungen verbundenen Techniken zu überwachen und zu kontrollieren".
Und wenn Demokratien solche Techniken selbst nutzen, so eine nette Formulierung, würde das doch nicht bedeuten, dass sie diese "notwendig missbrauchen". Tatsächlich haben die "liberalen Demokratien" ihre Überwachungstechniken gerne auch an autoritäre und repressive Staaten verkauft, ohne dabei an die politischen Werte zu denken, die nun mit der chinesischen Konkurrenz herausgezogen werden.
Im Oktober hatte die US-Regierung schon 8 chinesische Firmen, die Überwachungstechnik herstellen, auf eine Schwarze Liste gesetzt, weil sie die nationale Sicherheit und die außenpolitischen Interessen der USA beeinträchtigen. Vorgeworfen werden ihnen Menschenrechtsverletzungen. Sie hätten Überwachungstechnik zur Unterdrückung der Uiguren geliefert. US-Firmen dürfen ohne Genehmigung von Washington keine Produkte der Firmen auf der Schwarzen LIste kaufen.
Einschränkung der Gesichtserkennung?
Gut möglich, dass der neue Techniknationalismus, also das Aussperren von Technik anderer Staaten, auch der Hintergrund einer Gesetzesinitiative des demokratischen Senators Chris Coons und seines republikanischen Kollegen Mike Lee ist. Die beiden haben den Gesetzesvorschlag Facial Recognition Technology Warrant Act eingebracht, der den Einsatz von Gesichtserkennung durch die Polizei begrenzen, aber nicht verbieten will, wie das San Francisco als erste Stadt im Mai beschloss. Portland will den Einsatz nicht nur für Behörden verbieten, sondern auch für Unternehmen.
China zeige, warum das wichtig sei. Damit würden Dissidenten überwacht und "öffentlicher Aktivismus" unterdrückt. Just das hatte etwa Hamburg auch beim G20-Gipfel 2017 getan, um mit einer biometrischen Datenbank, die 15.000 Videos und 16.000 Fotos enthält, nach mutmaßlichen Gewalttäter zu suchen, wobei aber anlasslos alle Gesichter erfasst wurden. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hatte dagegen Einspruch erhoben, blitzte aber vor dem Verwaltungsgericht Hamburg ab, das der Polizei das Recht zusprach, mit Gesichtserkennung politische Ereignisse zu überwachen. Da ist China nicht fern.
Die beiden Senatoren wollen den Geschäften mit der Gesichtserkennung und dem Einsatz durch Behörden möglichst wenig schaden. Sie schlagen vor, dass Gesichtserkennung zur Verfolgung einer Person oder von Personen drei Tage lang von Behörden mehr oder weniger anlasslos verwendet werden kann, Unternehmen sollen schon gar nicht von einer Einschränkung betroffen sein. Sicherheitskräfte könnten also Aufnahmen von Überwachungskameras mit Bildern in der Datenbank abgleichen, um Übereinstimmungen zu finden, und drei Tage lange über verschiedene Überwachungskameras die Bewegung eines Menschen verfolgen.
Nach drei Tagen soll dann erst einmal Schluss sein, wobei die Zeitspanne als Vorschlag gedacht sei. Mit einer richterlichen Genehmigung könnte aber andauernd Gesichtserkennungstechnik weiter eingesetzt werden, ebenso wenn eine "Strafverfolgungsaktivität" damit unterstützt wird oder wenn ein Offizier erklärt, warum sie auch ohne richterliche Genehmigung notwendig sei oder eine geheime richterliche Genehmigung für sie erlangt werden könnte. Eine solche erlaubt den Einsatz für 30 Tage und bei Bedarf auch länger.
Das alles würde der Willkür Tür und Tor öffnen, auch wenn ein Beobachteter die Löschung der Bilder verlangen kann, wenn die Überwachung nicht rechtmäßig war. Aber auch wird gleich wieder eine Ausnahme gemacht. Denn wenn die Gesichtserkennung von einem Behördenmitarbeiter mit einer "objektiv vernünftigen Überzeugung" gemacht wurde, dass der Einsatz rechtmäßig ist, muss nichts gelöscht werden. Außerdem darf die Staatsanwaltschaft die Löschung verhindern. Wenn es um Ausländer geht, soll der Gesetzesentwurf keine Einschränkungen mit sich bringen.
Immerhin wird verlangt, dass regelmäßige Berichte auch über die Mängel und den Einsatz erstellt werden. Insgesamt wäre das Gesetz der Versuch, der USA den Anstrich zu geben, als würde der Einsatz der Gesichtserkennungstechnik in Abgrenzung zu China und anderen Staaten rechtstaatlich eingeschränkt, während den Behörden so viele Schlupflöcher gelassen werden, dass sie fast immer verwendet werden kann. Man könnte es auch so sehen, dass unter dem Mantel der Einschränkung, den Behörden viele Möglichkeiten eröffnet werden, ohne richterliche Kontrolle Überwachung auszuführen, wie das ACLU kritisiert.
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