In der baskischen Heimat von Gamesa ist die Wut auf Siemens groß
Navarra ist besonders hart von Stellenstreichungen betroffen, wo sie aber in der Vergangenheit schon verhindert werden konnten
Nun fühlen sich alle im Baskenland von den Umstrukturierungsplänen in Spanien von Siemens-Gamesa über den Tisch gezogen. "Das Vertrauen der Regierung ist schwer beschädigt", erklärte der Verantwortliche für ökonomische Entwicklung der Regionalregierung von Navarra. Manu Ayerdi will seinen "Ärger" nicht verbergen. In Pamplona hatte man den Angaben der Firma geglaubt. Unternehmenssprecher María Solana hatte zunächst "kaum relevante" Kürzungen angekündigt. Damit hatte die Regionalregierung zunächst die Belegschaften in der Region beruhigt und sieht sich nun harter Kritik ausgesetzt.
Denn ausgerechnet in der Region, die als spanisches Mekka der Windenergie gilt und etwa 80% seines Stroms aus erneuerbaren Quellen deckt, fallen die Einschnitte besonders hart aus. Die schlimmsten Vorhersagen wurden bestätigt, als vergangene Woche die Pläne zur Umstrukturierung bekanntgegeben wurden. Bis ins Jahr 2020 sollen weltweit insgesamt fast 7000 der 26.000 Angestellten bei Siemens Gamesa entlassen werden. Geplant sind aber keine Werksschließungen, wie sie Siemens mit dem Turbinenwerk Görlitz und dem Turbomaschinenwerk Leipzig plant.
Das stößt auf Widerstand bei den Belegschaften, Betriebsräten und Gewerkschaften. Auch Sozialdemokraten wie Martin Schulz können wieder einmal sein Herz für Arbeiter zeigen, schließlich sind wir wieder in einer Art Vorwahlkampf. Der SPD-Chef hat das Vorgehen von Siemens als "völlig inakzeptabel" kritisiert und die "verantwortungslosen Manager" attackiert. "Wenn es hart wird, muss am Ende die Belegschaft bluten." Da Siemens auch viele öffentliche Aufträge erhält, erklärte Schulz, der Konzern habe jahrzehntelang vom deutschen Staat profitiert und mache weiter Rekordgewinne: "Was Siemens hier macht, gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland", erklärte Schulz.
Auch im Baskenland, wo Siemens den Ex-Flugzeugbauer Gamesa erst im April 2017 übernommen hat, ist der Unmut sehr groß. Siemens will in Navarra ebenfalls die Schere ansetzen. In der ersten Phase soll es in ganz Spanien 272 Entlassungen geben und 107 davon allein in Navarra und weitere 48 in Zamudio nahe dem baskischen Bilbao.
Das mit gut 600.000 Personen dünn besiedelte Navarra ist allein von knapp 40% aller Stellenstreichungen betroffen. Mit den Stellen in Zamudio ist die Region, in der 1976 im in Vitoria-Gasteiz der einstige Flugzeugbauer gegründet wurde, der sich später auf Windenergie spezialisiert hat, insgesamt von mehr als der Hälfte des Abbaus betroffen. In spanischen Regionen wie Albacete, Valladolid, Burgos, Santiago de Compostela, La Rioja, Málaga, Valencia und Saragossa sollen sich die Entlassungen nur im einstelligen Bereich bewegen.
Im laufenden Geschäftsjahr, das noch bis Oktober 2018 dauert, sollen es im ganzen spanischen Staat zunächst 341 sein. Weitere 67 Stellen sollen im kommenden Geschäftsjahr wegfallen. Das Wo ist dabei noch unklar. Insgesamt ist der Standort Sarriguren bei Pamplona am stärksten betroffen. Allein hier soll es 92 Kündigungen geben, davon 55 im Dienstleistungssektor, 20 in der Produktion von Offshore-Windanlagen, 13 bei Onshore-Anlagen und vier in der Verwaltung.
Es zeichnen sich vier spannungsgeladene Verhandlungswochen ab. Geschirr hat die Firma nicht nur bei der Regionalregierung Navarras zerschlagen, sondern auch in der Belegschaft. Während Betriebsräten und Gewerkschaften die Kürzungspläne Ende vergangener Woche vorgestellt wurden, wurden zeitgleich Mitteilungen an die Beschäftigten verschickt, während sich das multinationale Unternehmen auf seinen Webseiten über das Vorgehen ausschweigt. Das Vorgehen wurde von den Beschäftigtenvertretern als Verletzung der Informationspflicht ihnen gegenüber gewertet, weshalb sie alle den Verhandlungstisch verließen. Siemens-Gamesa hatte sich zuvor schriftlich verpflichtet, zunächst mit Vertretern der Belegschaften zu sprechen und mit ihnen das Vorhaben zu diskutieren.
Gewerkschaften wollen kämpfen
Heute wird auf Betriebsversammlungen im Baskenland über das weitere Vorgehen beraten. Gegenüber Telepolis zeigten Beschäftigte ihre Wut am Rand einer Protestkundgebung in Sarriguren aus. Iñaki und Ramon sind besonders sauer, die ihre realen Namen aber aus Angst vor Sanktionen und Entlassung nicht gedruckt sehen wollen.
Iñaki, Mitglied der baskischen Gewerkschaft ELA, ist sich "ausnahmsweise" mit Ramon über nötige "massive" Kampfmaßnahmen einig. "Ich habe es dir ja gesagt, dass wir uns nicht einlullen lassen dürfen", hat er Ramon zur ersten Ankündigungen der Firma gesagt, dass die Produktion nicht betroffen sein würde, sondern nur Verwaltung, Service und Führung. Setzt die kämpferische ELA stets auf Kampfkraft und Mobilisation, ist Ramons spanische Arbeiterunion (UGT) meist auf Sozialpaktgespräche aus. "Ich dachte, mein Posten ist sicher", zeigt sich Ramon empört. Er hofft, dass sich seine UGT nicht erneut über den Tisch ziehen lässt.
Vor Augen haben beide nämlich, dass schon 2010 im nahen Alsasua ein Werk geschlossen wurde. ELA kämpfte und klagte. Die Gewerkschaft erreichte vor dem Obersten Gerichtshof in Spanien einen nie dagewesenen Sieg. 2013 mussten alle 150 Beschäftigten wiedereingestellt werden. "Sie haben uns als verrückt bezeichnet", meint der ELA-Generalsekretär in Navarra Mitxel Lakuntza mit Blick auf die spanischen UGT und CCOO.
Die spanischen Gewerkschaften hätten sich "an der Farce" der Abwicklung beteiligt und mitgespielt, dass über die Abwicklung mit dem Gesamtbetriebsrat in Madrid und nicht mit dem betroffenen Betriebsrat in Alsasua verhandelt wurde, um die kämpferischen baskischen Gewerkschaften auszubooten. Doch genau das hat der Gerichtshof als illegal bezeichnet. Iñaki jedenfalls ist froh, dass "schon jetzt" Einschnitte in allen Bereichen erfolgen sollen. Ein Spaltungsmoment "zwischen Werkstatt und Büros" falle weg, was die Kampfkraft stärke.
Er setzt wie Ramon auf Streik, aber er kann auf die ELA-Streikkasse bauen, über die Ramons UGT nicht verfügt. Aber auch Ramon will mit aller Kraft "um jede Stelle" in einer Firma kämpfen, die "weiter gute Gewinne" mache und zur Not auch streikbedingte Lohnverluste hinnehmen. Für beide ist aber vor auch die rechte spanische Regierung für die Lage verantwortlich. Wurde zunächst stark auf den Ausbau von erneuerbaren Energien in Spanien gesetzt, trat die postfaschistische Volkspartei (PP) ab 2011 voll auf die Bremse beim Ausbau, womit der Heimatmarkt fast zusammengebrochen ist.
Gerade meldet Siemens Gamesa Renewable Energy, man habe den bisher größten Auftrag aus Thailand über 100 Windturbinen mit 260 Megawatt Leistung erhalten. Aus Griechenland kamen vor einigen Tagen Aufträge für Windkraftanlagen von 60 Megawatt. Im Oktober gab es einen großen Auftrag über 780 Megawatt aus den USA.
Opfer dieser Politik ist schon der große spanische Abengoa-Konzern geworden, weil sogar nachträglich die Vergütungen für eingespeisten Strom gekürzt wurden. Allerdings dürfte diese Politik nicht nur beim Verlust von Arbeitsplätzen für Spanien teuer werden. Das Land wurde deshalb schon von einem Schiedsgericht zu Strafzahlungen verurteilt und Dutzende Entscheidungen stehen noch aus.