Indien will Pakistan isolieren
Indien knüpft am endlosen Narrativ des Kriegs gegen den Terrorismus an, um Pakistan zu isolieren. Chinas Antrag auf eine internationale Lösung wird von den Vereinten Nationen abgelehnt
Der frühere Armeechef General Bipin Rawat wurde zum Jahreswechsel zum Stabschef der Verteidigung (CDS) ernannt. Als Chef der indischen Armee, der indischen Luftwaffe und der indischen Marine kommt ihm ein mächtiger Posten zu, den es vorher nicht gab. Er soll die nationale Sicherheit neu definieren. Rawat setzt dabei auf die Narrative des Kriegs gegen den Terrorismus mit Blick auf den Nachbarn Pakistan.
"Der Krieg gegen den Terror hört nicht auf, er wird weitergehen, wir werden damit leben müssen, bis wir die Wurzeln des Terrorismus verstehen und wiederfinden", sagte Rawat diese Woche. "Der Terrorismus ist hier, um zu bleiben, solange es Staaten gibt, die den Terrorismus fördern und Terroristen als Stellvertreter einsetzen, ihnen Waffen zur Verfügung stellen und ihnen dann Mittel zur Verfügung stellen. Wir können den Terrorismus nicht kontrollieren." Rawat forderte auch die internationale Isolation Pakistans.
Der Vorschlag, den Posten des Stabschefs der Verteidigung einzuführen, wurde vor etwa 20 Jahren nach dem Kargil-Krieg in Erwägung gezogen, aber nie durchgesetzt. Vor über zwanzig Jahren fand der Kargil-Krieg statt, auch genannt Vierter Indisch-Pakistanischer Krieg oder Dritter Kaschmirkrieg. Indien ging damals als Sieger hervor. Kargils Sieg sei ein Symbol für Indiens Macht, sagte der hindunationalistische Premierminister Narendra Modi, der im Juli letzten Jahres zum Jahrestag des Konflikts in die Region reiste.
"Nachdem Indien die Pläne Pakistans in Kargil vereitelt hatte, verfolgte Pakistan eine andere Strategie - den Einsatz des Terrorismus, um seine Ziele zu erreichen", sagte Modi. "Das Gebot der Stunde ist, dass alle Länder gegen den Terrorismus zusammenkommen, nur dann kann der Terrorismus ausgerottet werden. Terrorismus fordert die Menschheit heute heraus. Es gibt Länder, die Proxy-Kriege als politisches Instrument einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen ", sagte er.
Zeitgleich war es in Kaschmir zu Spannungen gekommen. Am 5. August verhängte die indische Regierung eine Ausgangssperre, schaltete das Internet ab und entsandte zusätzliche 25.000 Soldaten in die mit über 500.000 Einsatzkräften hochgerüstete Region. Tausende von Kaschmiris wurden ohne Anklage festgenommen, darunter ehemalige Ministerpräsidenten, politische Führer, Oppositionsaktivisten, Anwälte und Journalisten.
Zudem strich die Regierung Artikel 370 der indischen Verfassung, der dem indischen Teil Kaschmirs unter anderem eine eigene Verfassung, eine eigene Flagge und weitgehende Kompetenzen mit Ausnahme der Außen- und Verteidigungspolitik garantierte.
Anfang Januar verurteilte der Oberste indische Gerichtshof die Regierung für das Abschalten des Internets in der muslimisch geprägten Provinz, es sei Machtmissbrauch.
China, das für den Wirtschaftskorridor Belt and Road Initiative auf ein stabiles Pakistan setzt, versuchte am Mittwoch erneut, die Kaschmir-Frage beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu klären, und scheiterte. 14 Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen lehnten Chinas Antrag ab, den Konflikt zu einer internationalen Angelegenheit zu machen. Der Konflikt im Kaschmir bleibt für die Vereinten Nationen weiterhin "eine bilaterale Angelegenheit zwischen Indien und Pakistan".
Terrorbekämpfung nach dem Vorbild der USA
Doch Indien hat die Auseinandersetzung mit Pakistan auf das Level der globalen Terrorbekämpfung gehoben. "Wir müssen dem Terrorismus ein Ende bereiten, und das kann nur so passieren, wie es die Amerikaner nach dem Terroranschlag vom 11. September begonnen haben. Sie sagten, wir wollen den globalen Krieg gegen den Terror beginnen. Um dies zu erreichen, müssen Sie die Terroristen isolieren", sagte General Bipin Rawat heute in Richtung Pakistan.
Der neue Armeechef und Rawats Nachfolger Naravane sagte zum Amtsantritt, Indien behalte sich das Recht vor, vorbeugend gegen terroristische Bedrohungsquellen vorzugehen, wenn das Nachbarland den staatlich geförderten Terrorismus nicht beendet.
Als Anfang Juli 2019 der UNHCR einen Bericht zur Lage im Kaschmir veröffentlichte, in dem "ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Misshandlungen durch staatliche Sicherheitskräfte und bewaffnete Gruppen sowohl in indischen als auch in pakistanischen Teilen von Kaschmir" geäußert wurden, wies die indische Regierung den Bericht als "falsche Erzählung" zurück, die "die Kernfrage des grenzüberschreitenden Terrorismus" ignoriere.
Während Indien den Krieg gegen den Terrorismus instrumentalisiert, trägt Pakistan die realen Kosten der globalen Terrorbekämpfung durch die USA. Premierminister Imran Khan beklagte schon 2018: "Im Zuge des Antiterrorkriegs sind 75.000 Pakistaner getötet worden, Pakistans Wirtschaft hat 123 Milliarden Dollar verloren." Millionen Menschen haben ihr Zuhause verlassen müssen, Amerikas Krieg habe einen drastischen Einfluss auf das Leben einfacher Pakistaner gehabt.
Bis heute sind laut dem Bureau of Investigative Journalism (BIJ) allein durch die 430 Drohnenangriffe der USA 2515 bis 4026 Terrorverdächtige, aber auch Zivilisten und Kinder, getötet worden. Will die Modi-Regierung das fortsetzen?