Indymedia stiehlt Webby Award
Protest gegen "die korporative Übernahme des Netzes"
Bei der Preisverleihung zu den Webby Awards am Mittwoch Abend in San Francisco kam es zu einer Protestaktion von Vertretern der unabhängigen Newssite Indymedia.org. Im Verlauf der Preisverleihung stürmten zwei Maskierte das Podium und entwendeten den Preis für die Kategorie News als Protest gegen "die korporative Übernahme des Netzes".
Indymedia war in der Kategorie "Activism" für einen Preis nominiert worden. Doch die Betreiber verwehrten sich gegen diese Kategorienzuweisung. "Zu sagen, dass Indymedia Aktivismus ist und nicht News, zeigt bereits die korporative Übernahme des Netzes", sagte ein Sprecher der Gruppe. Ein weiterer Vertreter der Organisation fügte hinzu, wenn Indymedia Aktivismus sei, dann seien Mainstream-Sites wie CNN oder ABC "Aktivisten für Großunternehmen und reiche Eliten".
Doch der Protest dürfte an der Mehrzahl der 3000 Gäste im Saal vorübergegangen sein, denn als die Indymedia-Leute das Podium stürmten und via Mikrophon eine kleine Ansprache halten wollten, war das Mikrophon bereits abgeschalten und ein herzhaftes "fuck corporate media" drang nur zu den ersten Reihen durch. Beim Verlassen des Saales mit der entwendeten Preisstatue stellte sich den Protestierern ein Saalwächter in den Weg. Wie einer der Beteiligten später in einer E-Mail erklärte, gaben sie an dieser Stelle die Statue freiwillig zurück, weil sie sich auf kein Handgemenge einlassen wollten. In derselben Erklärung wurde auf unfaire Praktiken wie das Horten von Patenten und Ideen sowie die Missachtung der Privatsphäre verwiesen, vor denen "unser wundervolles, kooperatives globales Netz gerettet" werden müsse.
Doch selbst ohne diese Intervention wollte sich bei den meisten nominierten Websites und Industrieangehörigen im Saal nicht die "fieberhafte Atmosphäre" vom Vorjahr einstellen.. Nach dem Dot-Com-Massaker der letzten Monate war es fraglich, ob eine Reihe der nominierten Sites zum Zeitpunkt der Preisverleihung überhaupt noch existieren würden. Auch die Wirtschaftspresse kommentierte schon im Vorfeld überwiegend sarkastisch, dass der Glanz von den Webbys abgefallen sei. "Die Organisatoren tun ihre Bestes, die Errungenschaften der 150 Nominierten in ein gutes Licht zu rücken", schrieb Associated Press, "doch all die toten und sterbenden Websites des vergangenen Jahres machen es schwer, den Geruch des Versagens zu ignorieren, der sich durch die Industrie zieht."
Kleinere Eklats gehören bei den seit 5 Jahren durchgeführten Preisverleihungen schon beinahe zur Tradition. Die Gewinner der Kategorie Kunst von 1999, Jodi.org, nutzten die Übergabe des Preises zu einer Publikumsbeschimpfung und warfen den Preis anschließend ins Publikum.
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