Inflation: Iran will vier Nullen von den Geldscheinen entfernen

Iranische Banknote

Psychologischer Effekt erwartet

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Der iranische Notenbankchef Abdolnaser Hemmati hat der iranischen Regierung einen Entwurf vorgelegt, der vorsieht, der Landeswährung Rial vier Nullen zu streichen. Den vor einem Jahr geäußerten Plan, von der der Landeswährung Rial lediglich eine Null zu streichen und ihr gleichzeitig ihren alten Namen "Toman" wieder zu geben, verfolgt die Notenbank anscheinend nicht weiter.

Derzeit rechnen viele Iraner für einen Wocheneinkauf an Lebensmitteln mit über einer Million Rial. Nach der empfohlenen Änderung (von der die Zentralbank hofft, dass sie "sehr bald umgesetzt wird") müssten sie (wie in den USA oder Europa) nur noch mit einem Hunderter zahlen.

Dollarumtausch-Schwarzmarkt

Davon wird ein psychologischer Effekt für das Land erwartet, dessen Inflationsrate im letzten Jahrzehnt jährlich zwischen 9,05 und 34,7 Prozent lag. Ausgesprochen niedrig war sie mit durchschnittlich 13,99 Prozent zwischen 1957 und 2018 bereits in den Jahrzehnten davor nicht. Die bisher höchste Inflation gab es mit 59,02 Prozent im Mai 1995, die bisher niedrigste mit minus 3,27 Prozent im April 1958.

Im November 2018 stieg die Inflation unter anderem wegen der in diesem Monat voll greifenden amerikanischen Wirtschaftssanktionen von 36,9 auf 39,9 Prozent. Westliche Beobachter gehen teilweise von einer weit höheren als der offiziellen Inflation aus, was auch damit zusammenhängt, dass der Kurs zum US-Dollar im August offiziell bei 44.030, aber auf dem Schwarzmarkt bei 112.000 Rial lag.

Hanke empfiehlt Koppelung an Goldpreis

Die massivste Verteuerung gab es den offiziellen Zahlen nach mit 150,8 Prozent bei Tabakwaren, die zweithöchste mit 86,5 Prozent bei Freizeit- und Kulturartikeln. Überdurchschnittlich war die Preissteigerung auch bei Möbeln und Haushaltswaren (83,1 Prozent), bei Lebensmitteln und Getränken (59,9 Prozent), beim Verkehr und Transport (58,6 Prozent), bei Kleidung und Schuhen (48,5 Prozent) und bei der Kommunikation (45 Prozent). Unterdurchschnittlich stark stiegen die Mieten (14,5 Prozent), die Gesundheitskosten (19,6 Prozent), die Bildungskosten (24,2 Prozent und die Preise in Restaurants und Hotels (31,7 Prozent).

Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Steve Hanke von der Johns Hopkins University in Baltimore hatte dem Iran im Sommer empfohlen, die Inflation in den Griff zu bekommen, indem das Land den Rial an den Goldpreis bindet. Das wäre seiner Ansicht nach die heutige Entsprechung dessen, was Bulgarien machte, als es seine Währung 1997 an die D-Mark koppelte und damit sehr schnell eine grassierende Inflation stoppte. Außerdem kann sich Hanke vorstellen, "dass Iran, Russland und die Türkei eine Art Gold-Block bilden werden, um sich unabhängig zu machen" (vgl. "Dedollarisierung"). In der iranischen Staatsführung stieß Hankes Vorschlag bislang jedoch auf wenig Widerhall. Vielleicht auch deshalb, weil der Goldpreis (anders als der der alten deutschen D-Mark) relativ starken Schwankungen ausgesetzt ist.

Eigene Kryptowährung

Außer auf das Streichen von Nullen setzt die iranische Zentralbank auch auf eine eigene Kryptowährung, die erst einmal nur zur Abwicklung von Geschäften zwischen Finanzdienstleistern zur Verfügung stehen soll (vgl. Iran gibt weitere Details zu seiner neuen Kryptowährung bekannt). Auch wenn es nicht in den offiziellen Verlautbarungen steht, gehen Beobachter davon aus, dass ein wichtiger Anreiz, diese Kryptowährung zu entwickeln, in deren Potential liegen dürfte, damit die US-Sanktionen zu umgehen. Nach dem Wiederinkrafttreten dieser US-Sanktionen verabschiedeten sich nämlich auch europäische Unternehmen aus dem persischen Markt, weil die Verbote nicht nur amerikanische, sondern auch sie betreffen (vgl. "Das größte Problem ist, eine Bank zu finden, über die legale Iran-Geschäfte abgewickelt werden können").

Ob eine staatliche iranische Kryptowährung dazu tatsächlich taugt, hängt davon ab, wie leicht und für US-Behörden unauffällig sich das Kryptogeld in andere Währungen konvertieren lässt. Deshalb dürfte ihm nach seiner Einführung das gleiche Schicksal drohen wie Venezuelas am 20. Februar 2018 vorgestellter Kryptowährung Petro, deren Kauf die USA ihren Staatsbürgern am 19. März 2018 verboten. Dort - in Venezuela - sollte die Kryptowährung auch dazu dienen, den papierenen Bolívar zu stabilisieren, dem man wegen der gigantischen Inflation fünf Nullen strich, nachdem zehn Millionen Bolívar nur noch etwa einem US-Dollar entsprachen. Bislang scheint das trotz einer theoretischen Deckung des Petro mit Venezuelas Ölreserven nicht zu klappen: Die galoppierende Inflation geht dort nach der Nullenstreichung sogar noch zügiger weiter und wird sich den Schätzungen des Weltwährungsfonds IWF nach 2019 auf sagenhafte zehn Millionen Prozent beschleunigen.