Inflation besonders für Arme ein Problem
Studie: Folgen von Corona-Pandemie und Krieg belasteten besonders Familien und einkommensschwache Haushalte. Gewerkschaften deshalb für Inflationsausgleich bei Tarifverhandlungen.
Die hohe Inflation in Deutschland schlägt vor allem bei armen Menschen zu und bringt sie zunehmend in Bedrängnis; auch Familien sind von ihr besonders betroffen. Das geht aus einer aktuellen Erhebung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vor.
"Das liegt daran, dass die aktuell stärksten Preistreiber – Haushaltsenergie, Kraftstoffe und Lebensmittel – unterschiedlich stark durchschlagen", erklärten die Autoren der Studie am Mittwoch. Eine Familie mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen mussten demnach 7,9 Prozent Inflation ausgleichen, Singles mit mehr als 5.000 Euro monatlich dagegen nur rund sechs Prozent.
Die durchschnittliche Teuerung für alle Haushalte lag im März bei 7,3 Prozent. Für Singles aller Einkommensklassen lag sie mit rund 6,7 Prozent deutlich darunter. Dagegen sind auch Familien und Alleinerziehende mit zwei Kindern und mittlerem Einkommen überdurchschnittlich belastet: Für diese Haushalte lag die Inflationsrate demnach bei je 7,4 Prozent.
"Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie überproportional belastet sind und auch die Verteuerung der Nahrungsmittel stärker spüren", schreiben die Autoren.
Und sie gehen davon aus, dass sich der Trend noch weiter verschärften dürfte. Denn bislang sind noch nicht alle Preissteigerungen im Großhandel an die Privathaushalte weitergegeben worden. Außerdem seien die Preise für Nahrungsmittel an den Weltmärkten zuletzt weiter kräftig angestiegen.
Erschwerend komme hinzu, heißt es in der Studie, dass Gas, Strom, Heizöl und Nahrungsmittel als Waren des Grundbedarfs bei den Ausgaben ärmerer Haushalte sehr stark ins Gewicht fallen. Bei Haushalten mit hohen Einkommen und bei wohlhabenden Singles machten diese Güter dagegen einen deutlichen kleineren Anteil des Konsums aus.
Steigende Produzenten- und Verbraucherpreise
Einen weiteren Hinweis, dass sich der Trend der steigenden Preise verschärfen könnte, hat am Mittwoch auch das Statistische Bundesamt gegeben. Die Produzentenpreise seien im März im Vergleich zum Vorjahresmonat um 30,9 Prozent gestiegen. Das sei der höchste Anstieg seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949.
Auch hier waren es vor allem die Energiepreise, die durch die Decke gingen. Der Preis von Erdgas stieg demnach über 144 Prozent an, Strom um rund 85 Prozent und Erdöl um knapp 70 Prozent. Hohe Preissprünge gab es aber auch bei Metallen, Dünge- und Futtermitteln sowie Verpackungen aus Holz.
Die Preise für Verbrauchsgüter stiegen ebenfalls. Nahrungsmittel waren zum Beispiel 12,2 Prozent teurer als im Vorjahr. Besonders stiegen die Preise für Pflanzenöle. Sie verzeichneten einen Anstieg von mehr als 72 Prozent. Butter kostete 56 Prozent mehr. Fleisch und Kaffee verzeichneten ebenfalls einen Anstieg von deutlich über 20 Prozent.
Gründe für die teils enorme Teuerung sind die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Corona- Pandemie und die damit einhergehenden Störungen in den Lieferketten. Erste Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine seien nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aber auch schon zu verzeichnen.
Inflationsausgleich in den nächsten Tarifverhandlungen
Angesichts der steigenden Preise hatten auch die Gewerkschaften kürzlich ihr Ziel für die nächsten Tarifverhandlungen genannt: Inflationsausgleich. "Dass Preissteigerungen mittelfristig in die Lohnsteigerungen einfließen müssen, ist doch klar", hatte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, am Wochenende gesagt.
Gegenüber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschlands sagte er weiter: "Wir sehen aktuell, dass die steigenden Preise insbesondere Gering- und Normalverdienende belasten". Insofern sei es "selbstverständlich und mehr als berechtigt, wenn Gewerkschaften in Tarifrunden auch auf die derzeit hohe Inflation verweisen und auf einen Ausgleich pochen".
Unterstützt wird Hoffmann dabei von Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Angesichts der hohen Inflation halte er höhere Löhne für "absolut notwendig", erklärte der am Dienstag im Deutschlandfunk. Das sei auch wichtig, "damit der Konsum weiterhin aufrechterhalten werden kann".
Wenn der Konsum dagegen stocke, dann bekämen die Unternehmen Schwierigkeiten. Die Folge wäre eine steigende Arbeitslosigkeit. Dann "kommen wir in eine Spirale aus immer schwächerem Wachstum und hoher Inflation", erklärte er.
Fratzscher plädierte vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der gestörten Lieferketten für ein Umdenken. Im Prinzip müsse die Globalisierung neu gedacht werden. Bislang sei der Prozess der wirtschaftlichen Verflechtung "völlig blind" gewesen, mit welchem Land gehandelt werde; man habe nur auf Kosten und Effizienz geachtet. Jetzt müsse die Globalisierung "klüger und widerstandsfähiger" gestaltet werden.
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