Inflationsraten steigen deutlich

Seite 2: Druck für Sparer und Anleger - Flassbeck, Krugman und Stieglitz

Gleichzeitig wächst der Druck für Sparer und Anleger, auf der Suche nach Rendite immer größere Gefahren einzugehen. Darauf hatte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in den letzten Jahren immer wieder hingewiesen. Dadurch werden vor allem Zombie-Unternehmen und Zombie-Banken am Leben erhalten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die EZB, die stets die "Zombies" abgestritten hat, jetzt anerkennt, dass es das Phänomen gibt. Nun spricht man in Frankfurt von "Risiken der Zombifizierung nach Corona". Gegen die jahrelange Kritik der BIZ an der lockeren Geldpolitik, die die Zentralbank der Zentralbanken in Basel längst für kontraproduktiv hält, tue man in der EZB in Frankfurt aber nun so, als sei man daran völlig unschuldig, wie es der Experte Daniel Stelter darlegt.

Über die steigende Inflation werden immer mehr einfache Sparer dazu gedrängt, in Aktien oder Immobilien zu investieren, um der Entwertung ihres Sparguthabens zu entgehen. Damit wird die Blasenbildung aber weiter verstärkt. In der Inflationsrate drückt sich das allerdings nicht aus, da diese Werte ja ausgeklammert werden.

Es gibt natürlich auch Stimmen, die sich wie Heiner Flassbeck gegen die Warnungen vor einer stärkeren Inflation stemmen. Der Wirtschaftswissenschaftler hält die Tatsache, dass die Geldmengen in den USA und der Eurozone genauso deutlich gestiegen sind wie die Schulden der Staaten, für irrelevant. Es handele sich nur um "statistische Werte", da den Schulden eben auch Ersparnisse gegenüberstünden.

Er sieht sehr wohl, dass es zum "Crash" kommen kann, aber er verweist vor allem darauf, dass es den Wirtschaften allesamt nicht gut geht und dagegen etwas getan werden müsse (seine Analyse kann man ausführlicher hier nachhören).

Allein steht Flassbeck mit seiner Einschätzung nicht, auch der Chef-Ökonom der BayernLB, Jürgen Michels, meint: "Wir sind in einem echten Dilemma" und hält zum Beispiel die Hoffnung auf ein höheres Wirtschaftswachstum für kaum verwirklichbar.

Bis 2023 werden wir eine Übergangsphase haben, dann beginnt rein wirtschaftlich gesehen die Zeit nach Corona. Die wird geprägt sein von einem geringeren Wirtschaftswachstum, wir rechnen mit Raten um die 1,5 Prozent.

Jürgen Michels, Bayern LB

Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman meint, dass man nun eher aufpassen sollte, bei den Maßnahmen nicht zu kurz zu treten. Joseph Stiglitz, ebenfalls Nobelpreisträger, hat diese Ansicht in einer ausführlichen Antwort auf den Beitrag auf Lawrence H. Summers ausgeführt. Eigentlich stammen der frühere Finanzminister von Bill Clinton und Stiglitz aus dem gleichen "Lager". Allerdings hält Summer die Inflationsgefahr für sehr "real", wie er in seinem Gastbeitrag für die Washington Post ausgeführt hat.

Stiglitz widerspricht diesen Ängsten, wonach es durch die Programme zur Ankurbelung der Wirtschaft durch den neuen US-Präsidenten Joe Biden im Rahmen von 1,9 Billionen Dollar zu einer Überhitzung der Konjunktur und zu einer hohen Inflation kommen werde.

In dem sehr lesenswerten Beitrag, der im Projekt Syndicate auch übersetzt vorliegt, hält Stiglitz die Sorgen für "verfrüht", denn man habe es mit einem "pandemiebedingten Abschwung mit überproportional steiler Rezession im Dienstleistungssektor, einer beispiellosen Zunahme der Ungleichheit und steil steigenden Sparquoten" zu tun.

Niemand weiß auch nur, ob oder wann Covid-19 in den hochentwickelten Volkswirtschaften eingedämmt sein wird, und weltweit weiß es erst recht keiner.

Joseph Stiglitz

Es müssten nun alle Risiken und alle Eventualitäten eingeplant werden, weshalb seiner Meinung nach die Biden-Regierung korrekt gehandelt habe. Denn "die Gefahr, zu wenig zu tun" überwiege gegenüber den Risiken, "zu viel zu tun, deutlich". Für den Wirtschaftsnobelpreisträger "rührt der derzeitige Inflationsdruck weitgehend als kurzfristigen Engpässen beim Angebot her, "die unvermeidlich sind, wenn man eine vorübergehend heruntergefahrene Wirtschaft wieder hochfährt".

Es gebe angesichts der insgesamt bestehenden weltweiten Kapazitätsüberschüsse keinen Grund zur Annahme, dass diese Bewegungen Inflationserwartungen befeuern und so eine Inflationsdynamik herbeiführen würden.

Stiglitz erinnert daran, dass einige, die jetzt vor durch eine exzessive Nachfrage bedingten Inflation warnen, erst kurz zuvor noch von einer durch eine unzureichende Gesamtnachfrage bedingten "säkularen Stagnation" gesprochen hätten. In einem Land mit tiefer, langjähriger, durch die Pandemie aufgedeckter und verschärfter Ungleichheit sei ein angespannter Arbeitsmarkt, wie er jetzt in den USA zu beobachten ist, genau die richtige Medizin:

Bei einer hohen Nachfrage nach Arbeitskräften steigen die Löhne in den unteren Lohngruppen, und marginalisierte Gruppen werden in den Arbeitsmarkt eingebunden.

Joseph Stieglitz

Allerdings bezweifelt er auch, dass die Lage sonderlich angespannt ist. Seine Sorgen liegen eher auf einer ganz anderen Ebene.

Statt in Inflationsängste zu verfallen, sollten wir uns Sorgen darüber machen, was mit der Gesamtnachfrage passiert, wenn die durch die fiskalischen Rettungspakete zur Verfügung gestellten Mittel versiegen. Viele Menschen am unteren Ende der Einkommens- und Vermögensverteilung haben große Schulden angehäuft - darunter in einigen Fällen mehr als ein Jahr an Mietrückständen aufgrund des vorübergehenden Schutzes vor Zwangsräumung.

Joseph Stieglitz

Ohne neue Staatsausgaben könnte die Wirtschaft nach Auslaufen der Programme nämlich erneut unter einer unzureichenden Nachfrage leiden. Zur Inflationsbekämpfung verfüge man über ausreichende Instrumente, um im Notfall die Nachfrage zu dämpfen, wie die Zinspolitik der FED, signalisiert er Entwarnung. Nullzinsen über mehr als zehn Jahre seien dagegen wirtschaftlich nicht gesund gewesen, darüber käme es zu "Verzerrungen an den Kapitalmärkten".

Stieglitz hält eine Rückkehr zu einem normaleren Zinsniveau für gut, "auch wenn die Reichen, die die hauptsächlichen Nutznießer dieser Ära ultraniedriger Zinsen waren, das womöglich anders sehen".

Um langfristig eine gesunde Volkswirtschaft zu erhalten, bedarf es hoher staatlicher Investitionen, die bezahlt werden müssen, weshalb er die Steuerquote in den USA angesichts der enormen Ungleichheit für "viel zu niedrig" hält und sich für eine "stärkere progressiven Besteuerung" ausspricht, um von höheren Umweltabgaben zur Bekämpfung der Klimakrise gar nicht zu reden.

"Wir sollten die derzeitige 'Inflationsdebatte' als das betrachten, was sie ist: eine falsche Fährte, die von denjenigen gelegt wird, die die Bemühungen der Regierung Biden zur Behebung einiger der grundlegendsten Probleme der USA zu behindern suchen", resümiert er die Debatte in den USA.