Influencer Söder, Ladenhüter Laschet
CDU-Politiker sprechen sich offen für den Chef der bayerischen Schwesterpartei als Kanzlerkandidat aus. Der macht nicht zuletzt im Internet die bessere Figur
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wird wohl in dieser Frage den Kürzeren ziehen: Mehrere Bundestagsabgeordnete seiner Partei sprechen sich offen für den Chef der bayerischen Unionsschwester CSU als Kanzlerkandidaten aus. "Wir müssen mit dem antreten, mit dem wir nach Umfragen die besten Chancen haben, und das ist mit großem Abstand Markus Söder", sagte der rheinland-pfälzische CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger am Montag dem Spiegel. Er kenne an der CDU-Basis "praktisch niemanden, der für Armin Laschet ist".
Die Union müsse "alles dafür tun", um im Herbst überhaupt noch zu regieren, mahnte Steiniger. Er habe schließlich "keine Lust auf vier Jahre Opposition". Auch die baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer sprach sich für Söder als Kanzlerkandidat aus. "Die letzten Wahlen zeigen, dass besonders das Vertrauen in Persönlichkeiten entscheidend ist", sagte die Vizechefin der Jungen Gruppe der Unionsfraktion. "Das muss zusammen mit der Frage, wer den besten Plan für Deutschland hat und die wichtigen Zukunftsthemen angeht, der Maßstab sein."
Social-Media-Performance
Ob Söder wirklich einen guten Plan hat und ob er ihn auch nach der Wahl umsetzen will, ist natürlich nicht entscheidend, solange die Performance stimmt - und in diesem Punkt ist Söder Laschet haushoch überlegen.
Abgesehen davon, dass sich beide Länderchefs zur Zeit durch Corona-Maßnahmen unbeliebt machen, die seit einem Jahr keinen durchschlagenden Erfolg bringen, weil sie von Anfang an zu einseitig auf das Privatleben ausgerichtet waren - was aber zum Teil auf die Bundespolitik geschoben werden kann - versteht es Söder einfach besser, sich zwischendurch auch mal als Mensch zu präsentieren. Am Aufwachsen seiner Hündin "Molly" darf die Facebook- und Instagram-Gemeinde ebenso teilhaben wie an Söders sportlichen Aktivitäten.
Die CSU ist zwar eher eine Partei der Autoindustrie als eine für Radfahrer, die sich täglich im Stadtverkehr behaupten müssen - aber als Freizeit-Radler mit Sonnenbrille und Helm präsentiert sich Parteichef Markus Söder dennoch gern auf seiner Facebook-Seite. "Ausgleich nach einer anstrengenden Woche: Bin 30 Kilometer auf dem Rad gewesen. Das tut gut und macht den Kopf frei", schrieb der bayerische Ministerpräsident und mögliche Kanzlerkandidat am Freitag.
Wen interessiert es da noch, dass Söders Parteifreund Andreas Scheuer als zuständiger Bundesminister die Verkehrswende verschleppt? - Rund 7,4 Milliarden Euro Einnahmen des Bundes durch die Lkw-Maut hätte Scheuer in den Ausbau des Bahnnetzes, in saubere Busse und sichere Radwege investieren können. Doch statt auf nachhaltige und bezahlbare Mobilität für alle Schichten zu setzen, steckte er diese Gelder vollständig in den Straßenbau.
Aber sozial-ökologische Erwägungen sind natürlich für die Unionsparteien kein Argument gegen einen CSU-Mann als Kanzlerkandidat, zumal sonst nur der "Kohle-König" von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, als solcher in Frage kommt. Der NRW-Ministerpräsident mit CDU-Parteibuch ist nicht nur unbeliebt bei der Grünen Jugend als Nachwuchsorganisation eines möglichen Koalitionspartners und bei den Bewohnern der Dörfer im rheinischen Braunkohlerevier, die in den nächsten Jahren vielleicht doch noch abgebaggert werden, um fossile Energieträger zu fördern.
"Schwarz-grüne" Chemie
Söder dagegen ist ungefähr so grün wie sein baden-württembergischer Amtskollege Winfried Kretschmann, der zwar eher den Charme der Unionsparteien versprüht, aber zumindest das grüne Parteibuch hat. Beide zusammen machten sich im vergangenen Jahr für Autokaufprämien auch für "Verbrenner" stark. Wenige Monate später forderte Söder allerdings ein Zulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035, nachdem sich die Kaufprämie nur für Elektroautos durchsetzen ließ.
Für den Fall, dass er Kanzlerkandidat wird, ging Söder bereits Ende 2020 auf "Brautschau" und sagte über ein mögliches "schwarz-grünes" Regierungsbündnis, er glaube, "dass es für viele attraktiv wäre", machte aber zugleich deutlich, dass er nicht mit einem "Kuschelwahlkampf" rechne, sondern mit einem "spannenden Rennen um Platz eins". Der Ko-Vorsitzende der Grünen hatte zwar etwas unterkühlt auf den Flirtversuch reagiert, um Festlegungen zu vermeiden, die für Teile seiner Zielgruppe ein K.O.-Kriterium wären. Aber immerhin kann Söder flirten.
Letzteres gilt weder für Laschet noch für Friedrich Merz, für den sich das Thema CDU-Kanzlerkandidatur inzwischen erledigt hat. Sogar Merz hätte die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann allerdings lieber als Kanzlerkandidaten gesehen als Laschet. Wenn dieser "der Union und dem Land einen Dienst erweisen will und selbst ein Höchstmaß an Souveränität an den Tag legen würde, dann würde er seinen Hut nicht in den Ring der Kanzlerkandidatur werfen", erklärte Bellmann dem Spiegel. "Manches Material will einfach nicht strahlen, egal wie stark man es auchbeleuchten mag", so Bellmann.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.