Informationelle Selbstbestimmung soll Verfassungsrecht werden

Die FDP im "Ländle" will ein Zeichen gegen die Beschneidung von Grundrechten setzen - auch Kryptographie soll nicht kontrolliert werden

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Der Landesfachausschuss Innen und Recht der baden-württembergischen FDP hat auf seiner Sitzung in Konstanz am Wochenende einen Antrag beschlussreif gemacht, dem zufolge im Grundgesetz und in der Verfassung des Ländles ausdrücklich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verankert werden soll. Die führenden Rechtspolitiker Baden-Württembergs dringen zudem darauf, dass die Landesregierung sich auch für eine entsprechende Ergänzung der Bundesverfassung stark macht.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ruht momentan vor allem im Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983. Demnach setzt die "freie Entfaltung der Persönlichkeit unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus."

Den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung sieht das Verfassungsgericht zwar bereits von den in Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes beschriebenen Rechten umfasst. Doch es wäre ein wichtiges "rechtspolitisches Signal", befinden nicht nur die Verfasser eines vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebenen Handbuchs zur Erneuerung des Datenschutzrechts (Grundpfeiler des Datenschutzes in der vernetzten Welt), wenn dieser Anspruch als "Grundrecht der Informationsgesellschaft" dezidiert in die Verfassung aufgenommen werden würde.

Die Rechtsexperten der FDP schließen sich den Gutachtern an und fordern nun konkret, dass "der Übergang unseres Gemeinwesens in eine digitale Informationsgesellschaft endlich auch auf der Seite des Grundrechtsschutzes nachvollzogen werden muss."

Ihr Vorschlag geht daher in die Richtung, folgenden Artikel 2a ins Grundgesetz aufzunehmen:

(1) Jeder Mensch hat das Recht, über die Erhebung und Verarbeitung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen. Jeder Mensch hat das Recht auf Auskunft über die Erhebung und Verarbeitung seiner persönlichen Daten und auf Einsicht in amtliche Unterlagen, soweit diese solche Daten enthalten.
(2) Diese Rechte dürfen nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden, soweit überwiegende Interessen der Allgemeinheit oder überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter es erfordern.
(3) Durch Gesetz ist auch außerhalb der staatlichen Ordnung der Schutz der persönlichen Daten vor unangemessener Nutzung zu gewährleisten.

Ein ähnlicher Vorstoß war bereits 1992 diskutiert worden, aber im Bundesrat am Widerstand des damals noch rein schwarz regierten Ländles und von Niedersachsen gescheitert. Doch der Fachausschuss sieht die Aufnahme des vorgestellten Grundsatzes in die Verfassung heute angesichts der von Bundesinnenminister geplanten Erweiterung der Befugnisse der Geheimdienste und des Bundeskriminalamts im Zuge der Anti-Terror-Bekämpfung als dringlicher denn je an (Der neue Otto-Katalog ist da). Diesen Maßnahmen müssten "deutlich sichtbare Abwehrrechte der Bürger entgegen gesetzt werden."

In einem gesonderten Antrag dringen die Rechtsexperten außerdem zu einem klaren Bekenntnis zu einem "Grundrecht auf Kryptographie". Demnach sollen Verschlüsselungsverfahren "keinerlei gesetzlichen Beschränkungen oder staatlichen Kontrollen" unterworfen werden. Zur Verbesserung der Sicherheit im Internet sei vielmehr auf eine stärkere Förderung entsprechender Techniken hinzuarbeiten. Kryptographie sehen die Liberalen sowohl als Grundlage geschäftlichen Vertrauens im Netz sowie als Schutzschild der Freiheit der Bürger.

Beobachter rechnen damit, dass die beiden Anträge auf dem Landesparteitag der baden-württembergischen FDP Anfang Januar verabschiedet werden. Der Weg für eine neue Bundesratsinitiative wäre damit frei. Die Bundes-FDP könnte sich die Vorlagen zudem für ihr Wahlprogramm 2002 zu eigen machen.