Innenministerium distanziert sich von Ditib
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BMI-Sprecher Neymanns ist für kritische Prüfung des islamischen Dachverbandes mit engen Verbindungen zur türkischen Regierung
Die politischen Beziehungen zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung sind weiter Belastungsproben ausgesetzt. Aktuell sorgen neue Erkenntnisse über den türkischen Verband Ditib, dem die meisten türkischen Moscheen angehören und der islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen anbietet, für Unruhe auf allen Ebenen - von Bezirks- und Kreisverwaltungen bis hin zum Innenministerium.
Der Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI), Harald Neymanns, nahm im Deutschlandfunk Stellung zu den in jüngster Zeit verstärkt erhobenen Vorwürfen, Ditib sei ein direkter Ableger des türkischen Religionsamtes Diyanet. Der politische Einfluss des türkischen Staates auf die Ditib nehme derzeit stark zu, konstatierte Neymanns gegenüber dem Sender. Es stelle sich daher die Frage, ob Ditib religiös selbstbestimmt sei.
Eine Gemeinschaft, die durch einen anderen Staat so beeinflusst wird, dass ihre Grundsätze nicht Ausdruck ihrer religiösen Selbstbestimmung sind, erfüllt nicht die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft. Insofern begrüßt das BMI die kritische Prüfung in den Ländern, ob die Ditib-Landesverbände unter den gegebenen Umständen die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft erfüllen.
Harald Neymanns
Seit langem bemüht sich der Verband, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. In vielen Bundesländern sitzen Vertreter in den Migrationsbeiräten der Kommunen oder Länder und unterrichten an deutschen Schulen ergänzend Islamkunde. Ditib ist auch festes Mitglied der Islamkonferenz und damit Ansprechpartner der Bundesregierung. Dies soll nun auf den Prüfstand gestellt werden.
Integrationspolitisches Ziel ist, dass sich Muslime in Deutschland, die zu einem großen Teil Migranten sind oder Migrationshintergrund haben, mehr und mehr als Teil der deutschen Gesellschaft verstehen. In den Gesprächen mit DITIB wird daher sehr deutlich gemacht, dass insbesondere eine politische Einflussnahme oder Instrumentalisierung DITIBs durch die Türkei nicht hinnehmbar ist.
Harald Neymanns
Auslöser der Diskussion waren verschiedene Medienberichte über die Bespitzelung der türkischen Community durch türkische Konsulatslehrer und durch Imame und Religionslehrer von Ditib. Der Verband wies eine direkte Verbindung zur türkischen Regierung von sich. Deutschlandradio ging der Sache auf den Grund.
Abhängigkeit vom türkischen Religionsamt Diyanet
Der Sender ließ sich vom Amtsgericht Köln die Satzung von Ditib zukommen, da der Verband selbst die Herausgabe verweigerte. Stefan Muckel, Professor für Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Universität Köln, der bereits mehrere Gutachten über islamische Organisationen und auch über den Dachverband Ditib verfasst hat, sah sich die Satzung genau an.
Muckel bestätigt die Abhängigkeit vom türkischen Staat. So hat zum Beispiel der Chef des Diyanet den Vorsitz im Beirat von Ditib. Der Beirat ist das mächtigste Gremium von Ditib und bestimmt, wer in den Vorstand von Ditib gewählt werden darf. Aus Paragraph 10 der Satzung wird zitiert: "Zum Ersten Ehrenvorsitzenden wird der Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten der türkischen Republik ernannt."
Im Paragraf 4 wird wichtigen Vertretern des türkischen Religionsamtes das Recht eingeräumt, als Vereins-Mitglied aufgenommen zu werden. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt nach Prüfung der Satzung zu dem Schluss, dass der Beirat "gegenüber der Ditib Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollbefugnisse" wahrnimmt.
Deutlich wurde dies Mitte Dezember vergangenen Jahres, als das türkische Religionsamt den Vorstand der größten Berliner Moschee absetzte, der sich für Liberalisierung und Toleranz eingesetzt hatte und als vorbildlich für einen liberalen Islam galt.
Dies scheint Ankara nicht ins Konzept gepasst zu haben. Von den Massenentlassungen in türkischen Regierungsbehörden Anfang Januar war auch Diyanet betroffen. Auch in dieser Behörde wurden die letzten Reformer unter dem Vorwurf der Gülen-Unterstützung entfernt und durch Erdogan-treue Gefolgsleute besetzt.
Warnungen vor Teilnahme an Weihnachts- und Silvesterfeiern
Für Sevim Dağdelen, Beauftragte für Migration und Integration der Links-Fraktion im Bundestag, sind diese strukturellen Abhängigkeiten weder auf Bundes- noch auf Landesebene akzeptabel. Sie fordert einen sofortigen Stopp der Zusammenarbeit:
Wir müssen hier auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit der DITIB aufkündigen. Wer die DITIB nach wie vor trotz dieser Erkenntnislage in die deutschen Klassenzimmer lässt, der lässt den türkischen Staatspräsidenten in die Klassenzimmer. Es wird ihm die Möglichkeit eröffnet, auf unsere Kinder und Jugendlichen in unseren Schulen Einfluss auszuüben und sie zu indoktrinieren.
Sevim Dağdelen
Die Kritik an Ditib geht mittlerweile durch alle Parteien. Die CDU in Hamburg etwa empörte sich wegen der Stimmungsmache von Ditib im Internet gegen die christliche Kultur. Fraktionschef André Trepoll ärgerte sich in der Hamburger Bürgerschaft über Facebook-Postings von Ditib-Gemeinden in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, auf denen vor einer Teilnahme an Weihnachts- und Silvesterfeiern gewarnt wird: "Wer unserer christlichen Kultur und unserer Lebensart in Deutschland in derart aggressiver Art begegnet, ist kein Partner, sondern ein Gegner unserer offenen Gesellschaft."
Schon seit längerem wurden über verschiedene Ditib-Gemeinden Poster verbreitet, auf denen ein muslimischer Mann zu sehen ist, der einen Weihnachtsmann mit der Faust schlägt. Das Hamburger Abendblatt berichtete, dass sich auf den Ditib-Veröffentlichungen im Netz auch Kampfbegriffe wie z.B. "Kuffar" (dt.: Ungläubige) befinden. Dies ist das Vokabular, das auch Dschihadisten, wie z.B. der IS, benutzen.