Integrationsklima in Deutschland: "Schulnote gut"
Wann gehört jemand zur Gesellschaft in Deutschland? Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen beantwortet in seinem Jahresbericht Fragen zur Integration und Migration
Wann gehört jemand zur Gesellschaft in Deutschland? Nicht die Geburt ist entscheidend, auch nicht die Vorfahren und die Zugehörigkeit zur christlichen Lebensgemeinschaft ist auch nicht so wichtig: Die höchste Zustimmung gibt es für den festen Arbeitsplatz.
Bei allen Gruppen der Befragten - als da wären: Personen ohne Migrationshintergrund, Spät-/Aussiedler, nach Deutschland zugewanderte aus der Türkei, aus der EU (vor und nach dem Jahr 2000) und aus der übrigen Welt - veranschaulichen die hellblauen Balken in der Grafik1 Zustimmung: "sehr wichtig". Alle Gruppierungen gaben dies mit über 50 Prozent an.
Zählt man dunkelblau - "wichtig" - hinzu, so liegt die Zustimmung bei über 90 Prozent. Mit Ausnahme der Gruppe "ohne Migrationshintergrund". Dort finden mit 51,2 Prozent "sehr wichtig" und 38 Prozent "wichtig" die niedrigsten Zustimmungswerte. Die höchsten finden sich bei den "Spät-/Aussiedlern" (69,7 "sehr wichtig"; 25,3 "wichtig").
Die Fragestellung legt allerdings schon einiges nahe: "Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, einen festen Arbeitsplatz zu haben, um zur Gesellschaft dazuzugehören?" Vorstellbar wäre auch gewesen, die Befragten aus mehreren Optionen auswählen zu lassen. Vielleicht hätte sich dann ein etwas anderes Bild ergeben.
So notiert der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration das eingangs geschilderte Überraschungsmoment bei der Auswertung des Jahresgutachtens 2016 mit dem Titel "Viele Götter, ein Staat: Religiöse Vielfalt und Teilhabe im Einwanderungsland" (komplette Fassung, hier).
Die deutsche Staatsangehörigkeit
Als zweithöchst bewertetes Kriterium für Zugehörigkeit zur Gesellschaft in Deutschland wird die "deutsche Staatsangehörigkeit" angegeben. Hierzu lautete die Fragestellung: "Wie wichtig ist ihrer Meinung nach der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit, um zur Gesellschaft dazuzugehören?".
Die Zustimmungsraten waren hoch, aber eben nicht so ausgeprägt wie bei der Frage nach dem festen Arbeitsplatz. Zwei Gruppen blieben unter fünfzig Prozent, wenn man "sehr wichtig" und "wichtig" zusammenzählt: Zuwanderer aus der Türkei und aus der EU vor dem Jahr 2000.
Das ausführliche Jahresgutachten mit über 220 Seiten sträubt sich gegen eine Zusammenraffung von Ergebnissen, deshalb werden hier nur ein paar Signale wiedergegeben, wozu auch der Verweis auf die Fragestellung gehört - und auch Angaben zum Auftraggeber: Dem Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration gehören sieben Stiftungen an, die Stiftung Mercator, die Volkswagen Stiftung, die Bertelsmann Stiftung, die Freudenberg Stiftung, die Robert Bosch Stiftung, der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und die Vodafone Stiftung Deutschland.
Im Zentrum der Jahresberichte stehen Fragen zur Migration, zur Befindlichkeit im Einwanderungsland Deutschland. Beim diesjährigen Bericht wird ein "Integrationsbarometer" hervorgehoben. Dazu wurden zwischen März und August 2015 insgesamt 5.396 Personen mit und ohne Migrationshintergrund befragt. Das war noch vor der Ankunft der vielen Flüchtlinge ab Anfang September 2015. Möglich also, dass manche Antworten seither anders ausfallen würden. Für die beiden eingangs vorgestellten Antworten auf Zugehörigkeitskriterien dürfte dies aber nicht zutreffen.
"Der Islam ist ein Teil Deutschlands"
Möglicherweise aber für die Frage, die mit der AfD-Programmankündigung (AfD: Scharfer Anti-Islam als Programm-Zugpferd) neu zugespitzt in die Öffentlichkeit kam, inwiefern der Islam "als Teil Deutschlands" empfunden wird. Bei dieser "abstrakten Frage" ergebe sich ein "ambivalentes Bild", so der Sachverständigenrat.
Die Befragten ohne Migrationshintergrund stimmen der Aussage "Der Islam ist ein Teil Deutschlands" mehrheitlich nicht zu (33,4 Prozent "eher nicht"; 19,7 Prozent "gar nicht"). Zusammengerechnet stimmen 46,9 Prozent der Aussage zu, was der Sachverständigenrat als "starke Minderheit" bezeichnet, während die 53,1 Prozent Ablehnung eine "knappe Mehrheit" genannt werden, daher die Einstufung "ambivalent".
Die stärkste Zustimmung zur Frage ist bei den türkischen Zuwanderern zu finden (insgesamt 71,4 %) und den EU-Zuwanderern seit dem Jahr 2000 (61,5 Prozent). Auch die Zuwanderer aus der "übrigen Welt" sehen den Islam mit etwa der gleichen Mehrheit als Teil Deutschlands (61,3 Prozent).
Generell wird das Integrationsklima im Integrationsbarometer - nach den Angaben aus dem vergangenen Jahr - als "anhaltend stabil" bewertet:
Das Integrationsklima in Deutschland wird von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund deutschlandweit weiterhin als weitgehend freundlich bewertet. Das Ergebnis entspricht der Schulnote "gut".