Integrity Initiative taucht ab
Die hauptsächlich vom britischen Außenministerium finanzierte Organisation zur Bekämpfung russischer Desinformation und zur Rettung Europas sperrt Website und Twitter-Account
Wer jetzt auf die Webseite der Integrity Initiative geht, wird mit dem Hinweis begrüßt, dass der gesamte Inhalt der Website vorübergehend entfernt wurde, auf anderen Seiten heißt es lapidar: "You are not authorized to access this page." Die u.a. vom britischen Außenministerium geförderte Organisation, die sich als NGO darstellte und das Ziel hatte, russische Desinformation durch den Aufbau eines internationalen Netzwerks von nationalen "Zellen" zu bekämpfen, ist nach dem Leak von internen Dokumenten (Integrity Initiative: Britische Beeinflussungskampagne gegen Russland?) in Deckung gegangen.
Auch der Twitter-Account, auf dem die bezahlten Mitarbeiter emsig gegen die Propaganda aus Moskau antraten und so taten, als würden sie nicht auch Desinformation mit Desinformation beantworten, wurde für unerwünschte Besucher gesperrt. Nur der Facebook-Account blieb offen, so dass man die Ausrichtung der Organisation zumindest ein wenig nachvollziehen kann.
In einer Erklärung heißt es, man habe alle Inhalte entfernt, weil gerade eine "Untersuchung über den Datendiebstahl vom Institute for Statecraft und seinem Programm, der Integrity Initiative" stattfinde. Warum die zuvor zugänglichen Postings, Artikel etc. deswegen dem Blick der Öffentlichkeit entzogen werden müssen, wird nicht erklärt. Der Diebstahl sei Teil einer Kampagne gegen die Initiative, "die die Bedrohung der europäischen Demokratien durch Desinformation und andere Formen der hybriden Kriegsführung erforschen, veröffentlichen und bekämpfen" wollte.
Dubios ist einiges an der antirussischen Initiative, die, personell verwoben mit dem britischen Militär, der Nato und britischen Geheimdiensten, wenig transparent ebenfalls mit hybrider Kriegsführung - naja: mit antirussischen Beeinflussungsoperationen - beschäftigt war und neben der Website und dem Twitter-Account Veranstaltungen organisierte und ein Netzwerk von Influencern aufzubauen suchte, um Einfluss auf die Öffentlichkeit und die Politik von anderen Ländern zu erhalten. Weil man aber auch Labour-Abgeordnete und Jeremy Corbin ins Visier nahm, kam das auch in Großbritannien nicht so gut an (Infowar oder Absurdistan: Britisches Außenministerium im Strudel der Desinformation).
In anderen Ländern kümmerten sich die Medien um dieses Stealth-Programm nicht, nur die russischen Medien, die gleichfalls Aufklärung auf ihre Fahnen geschrieben haben, stürzten sich darauf, was natürlich gleich wieder als Desinformationskampagnen bezeichnet werden konnte - und zudem zeigt, wie beschränkt die russischen Beeinflussungsaktionen sind.
Wer waren die Hacker?
Die Initiative suggeriert, dass sich mit der Aufdeckung der Täter des Hacks Bedeutsames herausstellen würde. Man kann schon fast vermuten, dass es russische Hacker im Dienste von GRU gewesen sein sollen. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, werden die geleakten Dokumente dadurch nicht automatisch falsch. Die Initiative sagt zwar, dass einige authentisch und andere gefälscht seien, will aber nicht verraten, welche manipuliert sein sollen, auch nicht an einem einzigen Beispiel. Das lässt die Vermutung bestärken, dass wohl die Dokumente alle echt sind.
Auffällig war, dass die Hacker - es ist weiterhin unbekannt, wie der Hack vor sich gegangen ist oder ob es überhaupt einer war -, nicht alle kopierten Dokumente auf einmal veröffentlichten, sondern dies in Wellen machten. Damit sollte Aufmerksamkeit gezielt wach gehalten werden. Man wollte also wohl nicht nur die Initiative bloßstellen, sondern auch die Geldgeber und die Beteiligten, und Stimmung machen. Das aber funktionierte in Großbritannien ein wenig, in anderen Ländern praktisch nicht. Lässt sich daraus etwas ableiten?
Abgesehen davon, dass die russischen Staatsmedien Sputnik und RT das groß herauszustellen suchten, aber damit wenig erreichen konnten, könnte man daraus schließen, dass die Hacker politisch gegen die antirussische britische und Nato-Propaganda etwas bewirken wollten. Gut möglich, dass sie mit russischen Staatsmedien oder russischen Behörden zusammen oder in deren Auftrag arbeiteten. Deutlich wird aber auch, wie unterschiedlich Politik und Medien im Westen Beeinflussungskampagnen aufgreifen, letztlich ist die britische Initiative auch so etwas wie eine vom britischen Außenministerium, der Nato und Facebook bezahlte "Trollfabrik". Solche Beeinflussungskampagnen gab es auch in den USA von angeblichen Desinformationsbekämpfern auf der Seite der Demokraten, die wiederum besonders die russische Beeinflussung skandalisieren, um damit Donald Trump zu treffen (Der Kampf gegen Desinformation gebiert weitere Desinformation).
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