Intellektuelle Kampfzone
Ein Interview mit Regisseur und Oscargewinner Ron Howard über seinen Film "A Beautiful Mind"
"A Beautiful Mind" orientiert sich an der Biographie des schizophrenen Mathematikers und Nobelpreisträgers (1994) John Forbes Nash. Nash lebt und unterrichtet in Princeton, New Jersey
Warum waren Sie lange Zeit auf der Suche nach einem Filmprojekt über eine Geisteskrankheit?
Howard: Wie viele Menschen habe ich auch einen entfernten Verwandten, der schizophren ist. Über die Jahre fand ich heraus, dass nahezu alle Familien, die ich kenne, es mit der einen oder anderen Facette einer solchen persönlichkeitsverändernden Krankheit zu tun haben. Die Schizophrenie ist eine große Herausforderung für den Kranken und seine Angehörigen. Mein Produktionspartner Brian Grazer und ich waren uns seit langem einig, dass dies eine spannende Grundlage für einen Filmstoff ist. Die Krankheit ist in "A Beautiful Mind" aber nur ein Element. Nash war eine schillernde Persönlichkeit.
Was veranlasste Sie, Russell Crowe die Rolle des Nash spielen zu lassen? Er gilt als besonders schwierig.
Howard: Ich sprach mit einigen Regisseuren, die mit Russell gearbeitet hatten. Alle meinten, es könnte zwar Konflikte geben, aber im Schneideraum würde ich mich glücklich schätzen, ihn in meinem Film zu haben. Er selbst sagte mir, er könne zwar laut werden, aber ich soll dabei nicht meinen, dass er den Film übernehmen will. Russell Crowe schreckt vor nichts zurück, um die Wahrheit über seine Charaktere herauszufinden. Mut, Ausdauer und Ernsthaftigkeit verbinden sich bei ihm. Er weiss zudem, was sein Publikum erwartet. Ich traf mich mit ihm, nachdem ich "The Insider" und bevor ich "Gladiator" gesehen hatte.
Wie arbeitet Russell Crowe?
Howard: Russell arbeitet von zwei verschiedenen Richtungen aus. Das habe ich noch bei keinem Darsteller festgestellt. Manche arbeiten von außen nach innen. Sie versuchen, ein Gefühl, einen Look für ihren Charakter zu finden. Andere arbeiten von innen nach aussen. Der Look und die Accessoirs stehen für die ganz unten auf der Liste. Russell wendet beide Methoden simultan an, so dass sie sich in der Mitte treffen. Wenn er also anfängt zu spielen, dann kommt es von innen. Von allen Schauspielern, mit denen ich gearbeitet habe, kommt er in bezug auf den Prozess seines Handwerks Robert De Niro am nächsten. Beide sind von ehrlichen Details fasziniert. Russell sucht nach der Realität seiner Rolle, die man nicht gleich beobachten kann.
Dabei scheint er keine Probleme mit seiner Eitelkeit zu haben.
Howard: Das scheint ein Fremdwort für ihn zu sein. Russell weiß dass in den Details der Rolle die Unterhaltung liegt. Wir hatten fast jeden Tag eine Szene zu drehen, die emotional an die Substanz ging. Doch jedes Mal hatten wir dieses befriedigende Gefühl, etwas komplettiert zu haben.
Haben Sie deshalb beschlossen, den Film in chronologischer Reihenfolge zu drehen?
Howard: Ich hatte als Schauspieler in George Lucas "American Graffiti" chronologisch gedreht. Das war phantastisch. Lucas wollte uns Darsteller mit der fortlaufenden Filmhandlung immer müder aussehen lassen. Innerhalb eines sechswöchigen Drehs hat er das auch erreicht. Bei meinem Film "Apollo 13" hatten wir drei Facetten. Mission Control, die wartende Familie zuhause und die Raumkapsel. Wir schafften es, alle drei für sich in Reihenfolge zu drehen. Das half den Darstellern und mir als Regisseur. Als ich mich dazu entschloss, "A Beautiful Mind" auch so drehen, hiess es, der Film würde mehr kosten. Als Russell Crowe darauf hinwies, dass diese Drehart ihm insbesondere bei dem minutiösen Alterungsprozess von Nash helfen würde, war mir klar, dass es sich letztlich lohnen würde, für ein größeres Budget zu plädieren.
Die Verleihung des Golden Globes für den besten Film, an Russell Crowe und Jennifer Connelly, bestätigt die Richtigkeit dieser Entscheidung.
Howard: Die Darsteller machten viel innere Aufregung durch. In Russell's Augen sah ich manchmal Angst, bevor er in spezifische psychische Bereiche vorstoßen musste. Und er sah wohl auch manchmal Angst in meinen Augen. Doch durch die chronologische Drehweise konnten wir alles besser verarbeiten. Nur die Montage mit dem Baby in der Badewanne ging dermaßen an die Substanz, dass Russell nur sagte: "Ron, ich hoffe, Du weißt, was Du machst."
Haben Nash und Crowe etwas gemeinsam?
Howard: Nun, Crowe hat den Intellekt und das Selbstvertrauen. Nash ist heute ein älterer Gentleman. Während seiner Zeit in Princeton und MIT war er kein Nerd, sondern eher ein charismatischer Exzentriker. Russell hat auch die Präsenz und die Sexualität. Dieser Mix machte ihn zum richtigen Darsteller.
Crowe macht in der Darstellung der paranoiden Schizophrenie mehrere Bewusstseinsstufen durch, vom Körperlichen zum Metaphysischen zur totalen Illusion. Wie fanden Sie Zugang zu diesen Sphären?
Howard: Ich habe während des Drehbuchschreibens und der Vorbereitung viel darüber nachgedacht. Ich wollte nicht, dass die Kamera zu sehr in die Psyche der Darsteller eindringt, und psychologische Überraschungen verrät. Mein Hauptanliegen war, den Film aus der Perspektive von Nash zu präsentieren. Aus der Sicht des Kranken. Hier gibt es also eine Hauptfigur, die natürlich anders ist als die meisten Kinozuschauer, mich eingeschlossen. Sie befindet sich in einer intellektuellen Kampfzone. Ein normaler Mensch, der fast eine andere Sprache spricht. Nash muss sich aber als klassischer Außenseiter mit Menschen verbinden und Hilfe suchen, sonst geht er unter. Über dieses große Thema der Kontaktknüpfung kann sich der Zuschauer mit ihm identifizieren.
A Beautiful Mind wurde mit vier Oscars ausgezeichnet. Russell Crowe ("Insider", "Gladiator"), der zum dritten Mal hintereinander nominiert war, ging allerdings leer aus