Internationale Umfrage: Zweidrittel der Angestellten ziehen ein KI-System ihrem Vorgesetzten vor

Bild: Nasa

65 Prozent der Befragten sind angeblich "optimistisch, erfreut und dankbar", mit Robotern zusammenzuarbeiten, was dann doch misstrauisch macht

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Wenn es um autonome Kampfroboter geht, schrecken die einen davor zurück und fordern, dass letztlich ein Mensch über tödliche Handlungen entscheiden müsse. Irgendwie unterstellen, dass ein Mensch "humaner" oder moralischer entscheiden könne, was die Grausamkeiten zwischen Menschen verdrängt. Deswegen sagen andere, Maschinen könnten ethische Prinzipien. Etwa Vorschriften den Kriegsrechts, besser und genauer umsetzen als Menschen, weil sie regelgeleitet und ohne Emotionen agieren. Das sind die Fragen, die für die meisten Menschen weit weg sind, ihnen dürfte es auch egal sein, ob sie von einem Menschen oder einem Roboter getötet oder verletzt werden.

Aber für viele könnte die Situation eintreten, dass nicht nur KI-Systeme darüber entscheiden, welche Jobs Menschen erhalten oder nicht, sondern dass eine Maschine der Boss ist, der die Abläufe in einem Büro, einer Redaktion oder einem Betrieb steuert. Auch hier könnte man sich fragen, ob man lieber unter einem Vorgesetzten arbeitet, der kühl Regeln befolgt oder der auch von Emotionen geleitet wird, von Vorurteilen, spontanen Entscheidungen, schlechter Laune, Abneigungen und Bevorzugungen. Lässt man sich von einer Maschine steuern, die vielleicht nur die Arbeitsabläufe oder die Teambildung vorschreibt, sondern auch, wann man eine Lohnerhöhung erhält, in der Hierarchie aufsteigt oder Urlaub bekommt?

Nach einer erstaunlichen Umfrage haben 82 Prozent der Angestellten in China ein höheres Vertrauen in Roboter als in menschliche Vorgesetzte. In Indien sind es sogar 89 Prozent, weltweit, so die Umfrage von Oracle und Future Workplace aber auch fast Zweidrittel. Auch in Singapur (83%), Brasilien (78%), Japan (76%) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (74%) würden mehr Robotern als ihren menschlichen Vorgesetzten trauen. In den westlichen Ländern ist man da skeptischer, auch wenn es noch mehr als die Hälfte sind: in Australien/Neuseeland noch 58 Prozent, in den USA 57, in Frankreich 56 und in Großbritannien 54 Prozent. Deutsche wurden nicht befragt.

Misstrauen die Menschen sich selbst?

Das Misstrauen in menschliche Vorgesetzte ist also überall hoch, man möchte also lieber von einem mutmaßlich neutralen Mechanismus gelenkt werden als von einem Menschen. Für die Studie von Oracle und Future Workplace wurden 8370 Angestellte in 10 Ländern befragt.

Auffällig ist, dass mehr Männer als Frauen Vertrauen in KI haben. 82 Prozent glauben, dass Roboter ihren Job besser ausführen können als ihre Vorgesetzten. Roboter oder KI-Systeme könnten besser als menschliche Vorgesetzte vorurteilsfreie Informationen vermitteln (26%), Arbeitszeiten einhalten (34%), Probleme lösen (29%) und ein Budget verwalten (26%).

Und macht mit der Umfrage überhaupt gute Stimmung, was dann doch misstrauisch macht. 65 Prozent der Befragten seien nämlich "optimistisch, erfreut und dankbar", mit Robotern zusammenzuarbeiten, fast ein Viertel sagt, man habe ein "liebesvolles und dankbares Verhältnis mit KI bei der Arbeit". In Indien und China sind mit 60 und 56 Prozent am meisten über die Zusammenarbeit mit KI erfreut, in Australien/Neuseeland sind es nur 26 Porzent, in Japan 25 Prozent, in den USA 22 Prozent, in Großbritannien 20 Prozent, aber in Frankreich nur 8 Prozent. Die Unterschiede lassen sich wahrscheinlich nicht nur durch die Kultur, sondern auch durch die Arbeitsverhältnisse erklären.

Der Humanismus wäre damit an sein Ende gelangt, die Menschen misstrauen sich selbst und ihrer Gattung. Allerdings ist dies nicht ganz so neu, schließlich waren Rechtssysteme und Verfassungen auch immer gedacht, die menschliche Willkür auszuschalten und einen "objektiven" - gerechten - Maßstab des Handelns, der für alle gilt, zu finden. Autonome und lernende KI-Systeme wären nur die Vollendung des Traums von einer sachlichen Regierung oder Unternehmensleitung. Vielleicht dann auch die Inkarnation eines Gottes, der fern der menschlichen Verwicklungen und Abhängigkeiten das Schicksal regelt.

Lieber einen klugen Roboter als Vorgesetzten zu haben als einen Menschen, entspricht auch der weitgehend positiven Aufnahme des Sozialkreditsystems zur Steuerung des Verhaltens, das sozial gutes Verhalten belohnt und schlechtes bestraft, wozu freilich nicht nur Missachtung von Verkehrsregeln oder Betrügereien gehören, sondern auch politische Opposition, die die Einheit der Gesellschaft stört.

Und der Trend, lieber mit einem Roboter als mit einem Menschen zu kooperieren, könnte eine Schieflage der Umfrage zum Ausdruck bringen, die von interessierten Auftraggebern lanciert wurde ("Junge Generation will menschliche Interaktion vermeiden"). Aber vielleicht fühlen sich Menschen zunehmend auch wohler, wenn sie nicht mit anderen Menschen konfrontiert sind. Das könnte in der Arbeit so sein, ähnlich wie beim Sex, wo Roboter beginnen, menschliche Sexualpartner zu verdrängen oder zu ersetzen. Vielleicht ist der Umgang mit Robotern oder KI-Systemen leichter als mit anderen Menschen ("Unser Standardkunde will Sex haben und danach Sportschau schauen und ein Bier trinken").

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