Internationaler Strafgerichtshof: Welche Kriegsverbrechen werden geahndet?
- Internationaler Strafgerichtshof: Welche Kriegsverbrechen werden geahndet?
- Keine falsche Solidarisierung mit den antiwestlichen Herrschercliquen
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Bisher wurden fast nur Personen angeklagt, die sich gegen die Agenda des globalen Westens stellen. Doch das sollte nicht dazu führen, sie zu idealisieren oder sich gar mit ihnen zu verbünden.
Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshof gegen Putin fand große Zustimmung bei den USA und der Ukraine. In vielen anderen Ländern vorwiegend des Globalen Südens hingegen wird die Entscheidung eher als weiteres Indiz dafür interpretiert, dass der Gerichtshof sehr selektiv Politiker wegen Kriegsverbrecher bestraft. Es handelt sich in der Regel um diejenigen, die mit dem globalen Westen in Konflikt geraten sind.
Der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein gehört in den letzten zehn Jahren seiner Herrschaft in diese Kategorie. Er war allerdings längst nicht immer antiwestlich eingestellt, in den 1980er-Jahren war er im Kampf gegen das islamistische Regime im Iran sogar zeitweise Bündnispartner des globalen Westens.
Angeblich war er anfangs sogar überzeugt, dass sein Einmarsch nach Kuwait zumindest von den USA toleriert wird. Ein Irrtum, den zunächst nicht er und seine Herrschaftsclique, sondern Tausende irakische Soldaten mit dem Leben bezahlen mussten.
Beim ersten Angriff der USA nebst einigen Verbündeten auf den Irak im Jahr 1991 flohen die Soldaten mit den Panzern aus Kuwait Richtung Irak. Ein großer Teil von ihnen wurde von Bombern in der Wüste angegriffen. Dabei kamen viele Soldaten ums Leben, die in den Panzern und Militärwagen verbrannten. Die Reste des zerstören Kriegsgeräts sind heute bei einem Überflug über die Wüste noch immer gut zu erkennen.
Juristisch belangt wurde für die Bombardierung niemand. Nach diesem ersten Angriff der USA konnte sich das Saddam-Regime noch mehr als ein Jahrzehnt an der Macht halten. Das war auch ganz im Sinne der USA und ihrer Verbündeten. Das Regime war geschwächt, konnte aber immer noch Terror gegen die Opposition ausüben.
Erst nach den islamistischen Anschlägen vom 11. September 2001 rückte bei einem Teil der US-Eliten der Irak wieder in den Fokus, obwohl schnell klar war, dass das Saddam-Regime, dem man viele Verbrechen vorwerfen kann, mit diesen islamistischen Anschlägen nichts zu tun hat. Um das zu erfahren, brauchte man kein Nahost-Analyst zu sein.
Exkurs: Die Baath-Bewegung als autoritäre Variante der arabischen Sozialdemokratie
Es war klar, dass das Saddam-Regime in der Tradition der Baath-Bewegung steht, die man als arabisch-nationalistisch klassifizieren kann. Auch das syrische Assad-Regime, das sich aktuell mithilfe des russischen Militärs an der Macht hält, beruft sich auf den Baathismus.
Ideologisch war der von Beginn an sehr heterogen. Daher haben auch diejenigen recht, die darauf verweisen, dass die Baath-Bewegung in ihrer Entstehungszeit Elemente des italienischen Faschismus aufgenommen hatte. In ihren Hochphasen in den 1960er-Jahren integrierte sie nicht nur sozialistische Phrasen in ihr Programm, was teilweise im Kalten Krieg auch ihrer Annäherung an die realsozialistischen Staaten geschuldet war.
Allerdings stand die Baath-Bewegung in ihren Hochzeiten auch für ehrgeizige Sozialprogramme, was ihr den Ruf einer Art arabischen Sozialdemokratie einbrachte. Dass die Baath-Bewegung von Anbeginn autoritär war, ist dazu kein Widerspruch. Dazu braucht man nur die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie nach 1914 zu betrachten.
Ein Gustav Noske, der für sich selbst den Posten des Bluthunds gegen die revolutionären Arbeiterinnen und Arbeiter reklamierte, war kein Betriebsunfall der Sozialdemokratie. Deren autoritären Charakter hat der linke Theoretiker der Arbeiterbewegung in Deutschland Willy Huhn mit seiner Schrift "Der Etatismus der deutschen Sozialdemokratie" gut auf den Punkt gebracht.
In den 1980er-Jahren begann der Niedergang des Baathismus, der arabischen Variante der Sozialdemokratie. Im Irak wurde sie zu einer besonders autoritären Diktatur unter Saddam Hussein, der große Teile der irakischen Bevölkerung brutal unterdrückte. Deswegen unterstützte auch vor 20 Jahren ein Teil der Linken vorwiegend in Deutschland den Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen das irakische Regime.
Sie argumentierten, dass ein Sturz von Saddam Hussein eine Befreiung für die irakische Bevölkerung bedeuten würde. Zudem verwiesen sie auf die antiisraelische Agenda des irakischen Regimes. Tatsächlich zeigte sich aber bald, dass der Sturz von Saddam-Regime diese Erwartungen nicht erfüllte.
Wer ist für die Gewalt nach dem Sturz von Saddam-Hussein verantwortlich?
Auf den Sturz folgte eine neue Welle von nationalistischer und auch islamistischer Gewalt auf dem Gebiet des irakischen Territoriums. Das lag auch an der Kriegsführung der USA und ihrer Verbündeten. Darauf machte zum 20. Jubiläum des 3. Golfkrieges die menschenrechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag Zaklin Nastic in einer Erklärung aufmerksam:
Etwa eine Million Menschen haben in diesem Krieg ihr Leben verloren. Die irakische Infrastruktur und das Gesundheitswesen wurden zerstört, US-Amerikaner und Briten haben Hunderte von Tonnen Uranmunition im Irak verschossen. Noch heute werden unzählige Kinder mit schweren Fehlbildungen, mit Gehirntumoren, Blutkrebs und Knochenkrebs geboren.
Viele von ihnen haben nur eine Lebenserwartung von wenigen Monaten. US-Soldaten haben gefoltert, geplündert und Städte belagert. Und es wurde ein politisches System etabliert, das bis heute Hass zwischen den Religionsgemeinschaften begünstigt und die Korruption antreibt.
Zaklin Nastic, menschenrechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion
Wenn Nastic kritisiert, dass niemand der Verantwortlichen angeklagt wurde, hat sie recht. Allerdings fällt auf, dass sie mit keinem Wort auf das menschenrechtsfeindliche Saddam-Regime eingeht, das unbestreitbar ebenfalls für großen Terror in der Bevölkerung sorgte.
Auch da gibt es noch Verantwortliche, gegen die ermittelt werden könnte. Darauf zu verweisen, würde ihrer Erklärung mehr Gewicht verleihen. Denn Nastic hat recht, wenn sie mit ihrer Erklärung darauf verweist, dass für Kriegsverbrechen, die vom globalen Westen verübt wurde, keine Anklagen gibt.
Beispiel Jugoslawien – einseitige Ermittlungen nur gegen eine Seite
Das war natürlich nicht nur im Fall des Irak so. Das kann man exemplarisch auch am Fall von Jugoslawien durchdeklinieren. Milosevic und einige seiner engsten Verantwortlichen seines nationalistischen Regimes mussten sich vor dem Internationalen Gerichtshof verantworten.
Für die Opfer der Nato gab es keine juristische Aufarbeitung. Dabei wäre aber nicht nur die USA in der Kritik. Auch deutsche Politiker und Militärs wären da zu nennen. Ein Beispiel nur: die Angehörigen der Menschen, die bei einem Nato-Angriff auf die Brücke von Vavarin getötet wurden, bekamen keine juristische Gerechtigkeit. Auch ihre Klagen auf Entschädigung wurden abgewiesen.
An dem Angriff war auch die Bundeswehr beteiligt. Das war in Afghanistan nicht anders. Die über 100 Toten des Bombenangriffs im afghanischen Kunduz hatten vor den unterschiedlichsten Gerichtsinstanzen keinen Erfolg. Nicht Justiz und Politiker, sondern Künstler wie Christoph Reuter und Marcel Mettelsiefen gaben den Opfern von Kunduz einen Namen und ein Gesicht.
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