Internet aufräumen mit Europol: Es fehlt qualifiziertes Personal
Mit einer eigenen Abteilung sucht die EU-Polizeiagentur nach Postings oder Nutzer-Accounts, die Extremismus und Terrorismus verherrlichen. Die Mitarbeiter reisen jetzt zur Fortbildung in die USA
Nicht nur die großen Internetfirmen filtern das Internet nach Inhalten, die Extremismus und Terrorismus verherrlichen. Seit ihrer Einrichtung hat die bei Europol angesiedelte "Meldestelle für Internetinhalte" 45.598 Postings auf mehr als 80 Online-Plattformen für eine Meldung zur Entfernung geprüft und an Internetanbieter weitergereicht.
Das schreibt Gilles de Kerchove, der Anti-Terrorismusbeauftragte der Europäischen Union, in einem eingestuften Bericht, den die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch online gestellt hat. Mit einer Erfolgsquote von 85 % seien die Firmen dem Wunsch nachgekommen. Die gefundenen Inhalte hätten "in mehr als 10 Sprachen" vorgelegen, ein Schwerpunkt seien dabei solche gewesen, "die keine Sprachen der EU sind". Vermutlich ist vor allem Arabisch gemeint.
Eigentlich sollte die im Juli 2015 gestartete "Meldestelle" Ersuchen zur Löschung koordinieren, die von Behörden aus den Mitgliedstaaten kommen (Wie das BKA das Internet säubern will). Inzwischen hat sich die Abteilung jedoch verselbständigt und durchforstet das Internet eigenständig nach extremistischen oder terroristischen Postings oder Nutzer-Accounts. Bei Europol werden die entfernten Inhalte dann zur weiteren Analyse in der Datenbank "Check the Web" gespeichert.
Neue Software zur Echtzeit-Kommunikation
Einige EU-Mitgliedstaaten, darunter die Niederlande und Großbritannien, betreiben selbst eine "Meldestelle" für inkriminierte Internetinhalte. Die Kommunikation zwischen den nationalen und der europäischen Stelle soll jetzt verbessert werden. Hierzu könnte eine neue Software eingesetzt werden, die den Datenaustausch in Echtzeit ermöglicht.
Auch die Übermittlung von Ersuchen an die Internetdienstleister soll erleichtert werden. Hierzu hat die Europäische Kommission das Internetportal "Shaping Internet Research Investigations Unified System" (SIRIUS) eingerichtet (Beobachten statt löschen). Es enthält Angaben darüber, wo genau die Polizeibehörden bei den Internetfirmen ihre Anfrage zur Entfernung von Inhalten stellen können. Außerdem könnten in SIRIUS "Werkzeuge" zur Unterstützung von Ermittlungen im Internet abgerufen werden. Derzeit sind 500 Angehörige von 30 europäischen Strafverfolgungsbehörden als SIRIUS-Nutzer registriert, darunter auch Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes.
Regelmäßig führt die "Meldestelle" sogenannte Aktionstage durch, in denen mit wechselnden Mitgliedstaaten und Internetfirmen das Internet aufgeräumt wird. Im Jahr 2017 hat die "Meldestelle" außerdem 153 europäische Anti-Terror-Operationen unterstützt. Genauer wird der EU-Anti-Terrorismusbeauftragte nicht, unter anderem handelte es sich dabei aber um Ermittlungen und operative Maßnahmen, die von Europols Anti-Terrorzentrum koordiniert werden.
Unterstützung nach Anschlägen
Schließlich hilft die "Meldestelle" auch nationalen Behörden nach einer Terrorlage. Im Jahr 2017 hätten alle Mitgliedstaaten, in denen Terroranschläge begangen wurden, Unterstützung von Europol angefragt. Neben der Analyse "internetgestützter Kommunikation" habe die Agentur auch bei forensischen Ermittlungen "einschließlich Entschlüsselung" geholfen.
Für 2018 hat die EU-Kommission Gelder für die engere Zusammenarbeit mit den USA freigemacht. Auch die "Meldestelle" soll Aus- und Fortbildungsmaßnahmen absolvieren und sich über neue Werkzeuge für Ermittlungen im Internet informieren. Laut dem Papier von Kerchove hat die "Meldestelle" jedoch Probleme, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden. Es sei deshalb erforderlich, "polizeiexterne IT-Experten zu Marktgehältern einstellen zu können". Aus welchen EU-Mitteln die hohen Gehälter stammen sollen, lässt der Anti-Terrorismusbeauftragte offen.