Intoleranz-Netzwerk: Wie rechte Ultras mit Unterstützung großer Firmen aufgebaut werden

Ignacio Arsuaga, Gründer und Präsident von HazteOir und CitizenGo. Foto: Contando Estrelas/CC BY-SA 2.0

Wikileaks enthüllt, wie über eine ultrakatholische Formation in Spanien das internationale rechte, radikal anti-feministische Netzwerk "CitizenGO" aufgebaut wurde

Wikileaks hat vergangene Woche 17.000 interne und vertrauliche Dokumente ultrakatholischer Organisationen veröffentlicht, die von der Enthüllungsplattform als "The Intolerance Network" (Das Intoleranz-Netzwerk) bezeichnet werden. Gemeint ist CitizenGo, eine Stiftung die inzwischen feste Büros in 15 Städten unterhält, die unter anderem Kampagnen unter dem "Deckmantel familiärer Werte" durchführt.

Aus den Dokumenten "geht klar hervor, dass ihre Werte in einem extrem ultrakonservativen christlichen Kontext verwurzelt sind", schreibt Wikileaks. Es handele sich um "Dokumente aus den Computersystemen der Organisationen". Darunter befinden sich unter anderem auch "Spender- und Mitgliederlisten sowie Strategie- und Planungsdokumente, Briefe, Finanztabellen sowie Rechts- und Schulungsunterlagen".

Mit CitizenGo soll nicht mehr und nicht weniger als die "die einflussreichste internationale christlich inspirierte Mobilisierungswebsite" aufgebaut werden, ist in den veröffentlichten Dokumenten zu lesen. Das radikal antifeministische Netzwerk macht sich seit Jahren unter anderem gegen Frauenrechte stark, wie das Abreibungsrecht, tritt aber vor allem auch gegen die Homo-Ehe und insgesamt auch gegen LGBTIQ-Rechte an.

Ziel: "Eine Generation von konservativen Führern"

Das Ziel ist: "Eine Generation von konservativen Führern" gegen linke Laizisten aufzubauen und das soll national und international geschehen. In Deutschland arbeitet die Organisation nach eigenen Angaben unter anderem mit der "Initiative Familienschutz" zusammen. Die wurde 2005 von Beatrix von Storch gegründet, der stellvertretenden Bundessprecherin der AfD.

Im Vorfeld eingesehen, aufgearbeitet und geprüft haben die Daten vier verschiedene Zeitungen. Das waren Il Fatto Quotidiano (Italien), Público (Spanien), Contralínea (Mexiko) und die Berliner taz (Deutschland), die am vergangenen Wochenende groß über die Recherchen berichtet hat.

Aufgearbeitet wurde in dem Artikel unter anderem der Start und die Vorgehensweise von CitizenGo, eine seit 2013 in Spanien tätige Stiftung, die aus der rechten und katholisch-fundamentalistischen Organisation "HazteOir" (Verschaff dir Gehör) hervorgegangen ist.

Spanischer Hintergrund

HazteOir war ab 2001 zunächst ein in Spanien von Igancio Arsuaga Rato betriebenes Internet-Blog. Der ultrarechte und ultrakatholische Arsuaga Rato steht weiter auch federführend hinter den Organisationen HazteOir und CitizenGo, die daraus auf internationaler Ebene hervorgegangen ist. Es handelt sich bei Arsuaga Rato um den Neffen des ehemaligen spanischen Vizepräsidenten und ehemaligen Chefs des Internationalen Währungsfonds, Rodrigo Rato.

Der wurde, wie auch seine ultrakonservative Volkspartei (PP), wegen ihres "effizienten Systems institutioneller Korruption" angeklagt. Die PP wurde dafür gerichtsfest verurteilt und Rato landete wegen Korruption im Gefängnis. In einem neuen Prozess sieht er sich nun einer Strafforderung von 70 Jahren unter anderem wegen Geldwäsche und Korruption ausgesetzt.

Die taz zitiert aus den Wikileaks-Dokumenten, wie sich dessen Neffe Arsuaga Rato 2013 nach dem ersten "World Congress of Families" (WCF), zu dem christliche Fundamentalisten aus aller Welt nach Madrid geströmt waren, an den russischen Oligarchen Konstantin Malofejew mit der Bitte um eine Anschubfinanzierung gewandt hatte.

Auf dem WCF, der seit 2012 jährlich in wechselnden Städten durchgeführt wird, werden unter anderem Organisationen zusammengebracht, um auch den Widerstand gegen die zu organisieren, die für die Rechte von Schwulen, Lesben, Queers, Trans- und Inter-Personen (LGBTIQ) eintreten.

Orbán

2017 fand der WCF in Budapest statt. Es ist kaum überraschend, dass der ungarische Premierminister Viktor Orbán in Budapest die Begrüßungsrede hielt. Denn das ist die Art "konservativer Führer", die CitizenGo in Stellung bringen will. Es ist auch kein Zufall, dass Orbáns Feldzug gegen die Rechte von sexuellen Minderheiten seither Fahrt aufgenommen hat.

Gerade werden in Ungarn Kinderbücher verbannt, die nach Auffassung der Regierung für Homosexualität oder Geschlechtsumwandlung werben oder anstößige Abbildungen von Sexualität enthalten.

Eine "Hassgruppe"

Wikileaks zitiert zur Beschreibung des WCF die Bürgerrechts- und Anti-Rassismus-Organisation Southern Poverty Law Center. Die Stiftung mit Sitz im US-Bundesstaat Alabama nennt den WCF eine "Hassgruppe". Federführend beteiligt an der Durchführung der Kongresse ist "The Howard Center for Family, Religion and Society". Es handele sich dabei um "eine der einflussreichsten Organisationen" der USA, "die Hass exportiert", zitiert Wikileaks die "Human Rights Campaign Foundation". Das ist eine der größten Organisationen in den USA, die sich für LGBTIQ-Rechte einsetzen.

Dass sich Arsuaga an den russischen Oligarchen gewandt hat, ist wahrlich kein Zufall: "Malofejew pflegt enge Kontakte zur russisch-orthodoxen Kirche und dem Präsidenten Wladimir Putin. Er organisiert Kongresse für Abtreibungsgegner:innen, Homosexualität setzt er gleich mit Sodomie. Die Demokratie lehnt er ab und hat beste Kontakte in die rechten Parteien Europas", schreibt die taz über den russischen Oligarchen.

Kampagnenpolitik

Deshalb sei er der beste Geldgeber für Arsuaga, um die "internationale Kampagnenplattform" CitizenGo aufbauen zu können, "die gegen Abtreibung kämpft, gegen die Gleichstellung von Homosexuellen und gegen die Ehe für alle". Deren Ziel ist, zitiert die taz aus den Wikileaks-Dokumenten, nicht nur die einflussreichste christlich inspirierte Mobilisierungswebsite zu werden, sondern "nationale Regierungen, Parlamente und internationale Institutionen" sollen "effektiv beeinflusst" werden.

Die taz beschreibt auch, wie CitizenGo seit vielen Jahren eine zum Teil erfolgreiche Kampagnenpolitik auch im Europaparlament betreibt. Es ist den Fundamentalisten über ihre Petitionen zum Beispiel auch gelungen, 2013/2014 zu verhindern, dass sich das EU-Parlament klar hinter die Forderung stellt, dass alle Menschen in der EU Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und Sexualaufklärung haben sollen.

Da der ausführliche taz-Artikel frei zugänglich und in deutscher Sprache zur Verfügung steht und nachgelesen werden kann, soll an dieser Stelle nicht ausgiebiger auf diese Vorgänge eingegangen werden.

Die Vox-Partei

Wir wollen unseren Blick hier mehr auf die Ursprünge in Spanien und die Tatsache lenken, dass mithilfe von HazteOir dort inzwischen auch die ultrarechte Vox-Partei in Stellung gebracht wurde. Sie ist bereits die drittstärkste Partei im spanischen Parlament. Das ist ein Modell, wie aus den Strategiepapieren hervorgeht, das auch in anderen Ländern umgesetzt wird und werden soll.

Bei Vox handelt es sich um eine ultrarechte Abspaltung unter dem ehemaligen PP-Parlamentarier Santiago Abascal, der wiederum ein Busenfreund von Arsuaga ist. Schon deshalb ist die Rede falsch, dass mit Vox erstmals Ultrarechte in spanische Parlamente eingezogen sind. Wie sehr die Ultras in Spanien schon zuvor innerhalb und außerhalb der PP die Politik des Landes entscheidend mitbestimmt haben, kann hier im Interview mit dem ausgewiesenen Experten Jordi Borràs nachgelesen werden: "Wenn sie mich kriegen, bringen sie mich um."

Um zu verstehen, wie weit rechts Vox steht, sei hier angemerkt, dass sich die Partei nicht von hochrangigen Militärs distanziert hat, die einen neuen Putsch vorbereiteten und "26 Millionen Hurensöhne erschießen" wollen. Schon die CDU-Schwesterpartei PP muss aus deutscher Sicht am rechten Rand verortet werden, von der sich Vox nach rechts abgespalten hat.

Die PP wurde von Ministern der Franco-Diktatur wie Manuel Fraga Iribarne gegründet. Auch diese Partei hat sich nie vom Putsch gegen die Republik und die Jahrzehnte der Diktatur distanziert. Berührungsängste hat die PP deshalb gegenüber Vox nicht. Die Madrider PP-Regionalpräsidentin Isabel Ayuso hatte Vox vor den Regionalwahlen im Mai sogar eine Regierungsbeteiligung angeboten.

Wie in Madrid ist auch in der großen und wichtigen Region Andalusien die rechte Regierungskoalition von Vox abhängig. In Murcia sitzt eine abtrünnige Vox-Kandidatin schon als Ministerin in der PP-Regierung. Sowohl im spanischen Parlament wie im Madrider Regionalparlament wurden Parteigänger der offen faschistoiden Vox ins Parlamentspräsidium gehoben.

Und der rechte Rand in der PP spielte auch beim Aufstieg von HazteOir, CitizenGo und Vox eine sehr bedeutsame Rolle. Es war der ultrakatholische Fundamentalist und ehemaliger Innenminister Jorge Fernández Díaz, der eine Startbahn für sie geschaffen hatte.

Das Mitglied der Vatikansekte Opus Dei, der sich unter anderem nun wegen Amtspflichtverletzung, Geheimnisverrat, Veruntreuung, Bestechung und unerlaubte Einflussnahme im Rahmen selbst vor Gericht verantworten muss, hatte dafür gesorgt, dass HazteOir und CitizenGo im Jahr 2013 die Gemeinnützigkeit in Spanien erhielten. Aus seinem Ministerium wurden die "Kloaken" gelenkt, über die Telepolis öfter berichtet hat.

Aus bescheidenen 3.000 Euro, welche HazteOir zu Beginn ausgewiesen hatten, konnten über eingehende Spenden bald Kampagnen gestartet werden, die Millionen kosten. 18 Millionen hat die "ultrarechte Lobby" in Spanien bisher für Kampagnen ausgegeben, berichtet Público.

"Große Großspender"

Zentral verantwortlich war dafür die Gemeinnützigkeit. Denn damit konnten Spenden an die Ultras von der Steuer abgesetzt werden. Somit wurden vom Steuerzahler ein guter Teil die Hass-Propaganda bezahlt. Angegriffen wurde von CitizenGo sogar die Sesamstraße. Nach Ansicht der Nachfolger des franquistischen National-Katholizismus versuche die Kindersendung mit "regressiven und toxischen Ansichten über Sexualität" die Kinder zu "indoktrinieren".

Warum HazteOir ihre Spender in Spanien verheimlichte - unter anderem auch deshalb wurde der Stiftung 2019 schließlich unter der neuen sozialdemokratischen Regierung die Gemeinnützigkeit wieder entzogen -, wurde nun über die Wikileaks-Dokumente deutlich.

Anders als in Deutschland, wo vor allem eher unbekannte Kleinspender die Ultra-Plattform unterstützt haben, waren es in Spanien unter anderem Chefs großer Firmen, wie Público auf veröffentlichten Listen deutlich macht.

Als "Große Großspender" werden in einer Exel-Tabelle insgesamt 209 Spender der rechten Ultrakatholiken aufgeführt. Darunter finden sich Namen wie Isidoro Álvarez, langjähriger Präsident der größten europäischen Warenhauskette El Corte Inglés. Es findet sich darin auch Juan Miguel Villar-Mir. Der Milliardär und Chef des Baukonzerns OHL spielte auch schon in den Korruptionsskandalen der PP eine Rolle.

Auch Esther Koplowitz, Chefin des Baukonzerns FCC, taucht auf der illustren Liste auf, wie auch Führungsmitglieder von anderen Unternehmen wie Bernard Meunier von Nestlé.

Für Público ist nach der Auswertung der Wikileaks-Dokumente klar, dass die ultrarechte Vox, deren Gründung und erster Wahlkampf von der iranischen Exilorganisation mit dem Namen "Volksmudschahedin" oder "Mudschahedin e-Khalq" (MEK) finanziert wurde, nach anfänglichen Wahlschlappen durch eine Millionen-Unterstützung der rechten Ultrakatholiken "abgehoben" hat.

CitizenGo sei ein "internationaler Motor für rechtsextreme Parteien und Organisationen" und habe in 50 Ländern zu deren raschen Verbreitung und Konsolidierung beigetragen.

Die Zeitung verweist aber auch darauf, dass die Beziehungen zwischen Vox und HazteOir, also zwischen Abascal und Arsuaga, zuletzt sehr angespannt waren und es sogar zum Bruch kam, da Vox sich auf Bündnisse mit der PP und den angeblich "liberalen" Ciudadanos (Cs) eingelassen hat.

So konnte zwar in Murcia durchgesetzt werden, dass Schüler mit der Nationalhymne begrüßt werden. Dort können Eltern in den Schulen auch entscheiden, ob ihre Kinder an Sexualkunde oder am Ethikunterricht teilnehmen. Denn auch dabei soll es sich nach Ansicht der Ultras um "Indoktrination" handeln.

Offiziell hat HazteOir inzwischen sog mit Vox gebrochen, weil die Formation in Madrid und Murcia einen Rückzieher gemacht habe und nicht die Aufhebung der LGBTIQ-Gesetze durchgesetzt hat: "Sie haben sich selbst unter Wert verkauft."

HazteOir versuche sich seinerseits öffentlich von der paramilitärischen integristischen mexikanischen Geheimorganisation "El Yunque" zu distanzieren, nachdem immer mehr Beweise aufgetaucht sind, dass Arsuaga auch dort eine führende Rolle eingenommen habe, schreibt Público.

El Yunque ist bereit, "Blut für Gott zu vergießen."