Konservative Korruption und Rechtsdrall
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Spanien: Welche Spielräume sich in der Kooperation zwischen der konservativen Schwesterpartei der Union und den Ultrarechten auftun
In Deutschland streckte der Masken-Skandal in der Union nun auch die Fühler in Richtung des Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) aus und würde nach dem Fall Nikolas Löbel damit in der Parteispitze ankommen.
Spahns Ministerium habe im vergangenen Jahr FFP2-Schutzmasken vom Arbeitgeber seines Ehemanns Daniel Funke gekauft, wurde gestern zuerst vom Spiegel berichtet. Das wurde dann von anderen Medien aufgenommen. Fakt ist bis dato, dass die Burda GmbH 570.000 FFP2-Masken an Spahns Ministerium geliefert hat.
Da Daniel Funke die Hauptstadtrepräsentanz des Unternehmens leitet, trafen die Berichte auf eine spezielle Resonanz.
Auch wenn es vonseiten des Gesundheitsministeriums hieß, dass der Vertrag nach einem "standardisierten Verfahren zu marktüblichen Preisen geschlossen und abgewickelt worden" sei und ein Burda-Sprecher mitteilte, Funke sei "zu keinem Zeitpunkt über die Transaktion informiert oder involviert" gewesen und auch keinerlei Provision gezahlt worden sein soll - ein solcher Vorgang bekommt angesichts des bestehenden Kontexts in der Medienberichterstattung ein Geschmäckle. Er hängt nicht im luftleeren Raum.
Schließlich ermittelt die Staatsanwaltschaft schon wegen dubiosen Masken-Geschäften gegen den CSU-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein und den früheren bayerischen Justizminister Alfred Sauter (CSU), da ein "Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern" vorliege. Und da Sauter auch Mitglied im CSU-Vorstand sowie im CSU-Präsidium ist, titelte der Münchner Merkur schon: "Masken-Affäre erreicht CSU-Spitze um Söder".
Vergleicht man derlei Vorgänge aber mit denen in der spanischen Schwesterpartei, der Volkspartei Partido Popular, kurz PP, dann handelt es sich um "Peanuts" (außer es zeigt sich in Deutschland nur die berühmte "Spitze eines Eisbergs"). Wie Telepolis berichtete, ist die ultrakonservative PP in Spanien schon vor drei Jahren als "Korruptionspartei" verurteilt worden.
Die korrupte spanische Schwester
Nachdem zunächst nur wenig sichtbar wurde, trat bald ein "effizientes System institutioneller Korruption" zutage, wie inzwischen gerichtsfest festgestellt wurde. Die deutschen Unionsparteien hatten damit keine Probleme, eine Distanzierung von der spanischen Schwester gab es nicht. Ob sich das noch ändert?
Ob sich die Unionsparteien im neuen Kontext der Korruptionsvorwürfe, die sich auch gegen eigene Parteimitglieder richten, auch neu zu den Korruptionsanklagen gegen die PP positionieren? Die Vorwürfe bekommen in Spanien immer mehr politische Wucht.
Diese Woche kommt es vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid zum Schaulaufen früherer PP-Spitzen. Am heutigen Dienstag werden die früheren Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und José María Aznar vernommen, da der frühere PP-Schatzmeister Luís Bárcenas "an der Decke zieht", wie man es in Spanien nennt, wenn ein Angeschuldigter auspackt.
Veröffentlicht wurde dessen parallele Buchführung schon im Januar 2013, worüber an dieser Stelle berichtet wurde: Schwarzgeldskandal weitet sich zur Regierungskrise in Spanien aus. PP-Schatzmeister Bárcenas ist in einem ersten Verfahren schon zu 33 Jahren Haft verurteilt worden, ohne dass er damals definitiv ausgepackt hätte.
Damit fängt er nun im zweiten Verfahren an, weil sich die PP nicht an gemeinsame Absprachen gehalten habe. Vereinbart sei nämlich gewesen, dass die Volkspartei seine Frau vor einer Haftstrafe bewahre. Da sie aber Ende 2020 eine 13-jährige Strafe wegen Geldwäsche, Steuervergehen und Veruntreuung antreten musste, zieht der Ex-Schatzmeister der Volkspartei nun offenbar die Decke weg.
In diesem Verfahren geht es darum, dass die PP auch die Renovierung ihrer Madrider Parteizentrale zum Teil mit Schmiergeldern bezahlt hat. Das hat Bárcenas genauso bestätigt wie die Tatsache, dass bis hinauf zu Rajoy in der Parteispitze viele mit "Zusatzlöhnen" in Bargeldumschlägen bedacht wurden, steuerfrei versteht sich, Steuerhinterziehung inbegriffen.
Rajoy, dem Bundeskanzlerin Angela Merkel stets treu zur Seite stand, soll sogar die höchste Gesamtsumme aus den Schmiergeldkassen erhalten haben, wie aus seiner Buchführung hervorgeht. Das Geld wurde über illegale "Spenden" eingenommen, für die im Gegenzug öffentliche Aufträge vergeben wurden. Fast 20 Jahre hat sich die Partei illegal über Schmiergelder finanziert, hatte Bárcenas einst schon vor einem Ermittlungsrichter eingeräumt.
Rajoy und die "Operation Kitchen"
Zu erwarten ist von den Zeugenaussagen wenig. Rajoy wurde schon einmal als Zeuge vernommen. Er sagte aus, was ihm praktisch niemand mehr abnimmt, dass er von den Schwarzgeldkassen nichts gewusst habe. In einem absurden Vorgang wurde er vom Vorsitzenden Richter sogar vor einer effektiven Befragung geschützt. Er konnte davon schwadronieren, dass eine Befragung zu den Finanzen seiner Partei "nicht sachdienlich" sei.
Doch seine Lage ist schwieriger geworden, denn Bárcenas hat derweil auch vor Gericht detailreich eingestanden, dass Rajoy als damaliger Parteivorsitzender Unterlagen aus der parallelen Buchhaltung in Gegenwart von Bárcenas in einen Aktenvernichter zerstört hat, als er wieder einmal von Rajoy mit Bargeld bedacht worden war.
Von dem Vorgang existierten angeblich auch Audio-Aufnahmen, auf denen die Stimme von Rajoy zu hören sein soll. Doch die sind dem Ex-Schatzmeister im Mafia-Stil im Rahmen der "Operation Kitchen" geraubt worden. Über die Vorgänge in den "Kloaken" des tiefen Staats, wo, bezahlt mit Steuergeldern, ein Auftragsverbrecher angeheuert wurde, um die Beweise zu rauben und zu zerstören, hatte Telepolis ebenfalls schon berichtet.
Es ist auch dabei gerichtsfest geklärt, dass sich der Verbrecher als Priester verkleidet Zugang zur Wohnung der Familie Bárcenas verschafft hatte, um durch Entführung und Erpressung an die Beweise zu kommen: Spanien: Operation Kitchen. Der Fahrer des ehemaligen Schatzmeisters war dabei ebenfalls bestochen worden, um die Familie auszuspähen. Der wurde nicht mit Geld, sondern für seine Tätigkeit auch mit einem guten Posten bei der Polizei belohnt.
Für diese Vorgänge muss sich unter anderem Rajoys ehemaliger Innenminister Jorge Fernández Díaz vor Gericht verantworten. Bárcenas geht davon aus, dass Rajoy auch diese Vorgänge abgesegnet hat. Auch in diesem "Kitchen" Verfahren dürften weitere Teile vom großen Eisberg an die Oberfläche gezerrt werden, die bisher noch unter der Wasserlinie liegen.
Dass die "politische Brigade" der Polizei freien Zugriff auf die "Spezialfonds" hatte, wurde inzwischen auch von einem Polizeichef bestätigt. Sechs für die Spionage und Beseitigung von Beweisen angeschuldigte Polizisten sei daraus Geld übergeben worden, sagte Felipe Lacasa vergangene Woche vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aus.
Doch das ist nur ein Teil der Korruption in der Volkspartei. Deren korruptes Vorgehen ist zum Teil auch live im Fernsehen zu bewundern. So hatte die PP-Korruption gerade in der Mittelmeerregion Murcia dafür gesorgt, dass ein konstruktiver Misstrauensantrag gegen die Regionalregierung vergangene Woche gescheitert ist.
Rechte Abgeordnete einkaufen, um an der Macht zu bleiben
Die Region ist, wie hier gut auch in deutscher Sprache beschrieben, ebenfalls von Korruption zerfressen. Als das Treiben sogar dem Koalitionspartner der rechts-neoliberalen Ciudadanos (Cs) zu bunt wurde und sie mit den Sozialdemokraten den PP-Regierungschef stürzen wollten, kaufte die an der Korruption maßgeblich beteiligte Volkspartei einfach drei Cs-Parlamentarier ein.
Sie wurden vom ehemaligen Cs-Organisationssekretär Fran Hervías abgeworben, der nun ebenfalls zur PP übergewechselt ist. Der Lohn in diesem Korruptionsfall, von der Volkspartei vor allen Augen ganz unverblümt durchgezogen, lag darin, dass die drei Abtrünnigen von der PP-Regierung auf Ministerposten gehoben wurden, damit die PP an der Macht bleiben kann.
Dass Hervías hinter dem Vorgang stand, zeigen veröffentlichte WhatsApp-Nachrichten und Telefongespräche. Die zeigen auch, dass man in der PP etwas gelernt hat: "Sie sind sehr schlau, sie sprechen nicht von Geld, sondern von Posten." Das Schmiergeld fließt also nicht mehr aus schwarzen Kassen, sondern ganz offen in der Zukunft über Ministerbezüge aus Steuergeldern an gekaufte Abtrünnige.
Um dem Misstrauensantrag jede Erfolgschance zu nehmen, hat man auch noch Ultrarechte aus der Vox-Partei eingebunden. Die hatten sich zwar offiziell von Vox getrennt, aber nicht von deren Ideologie. Sie stimmten ebenfalls gegen den Misstrauensantrag und dafür wird einer von ihnen auf den Sessel des Kultusministeriums gehoben.
Diese drei ehemaligen Vox-Parteigänger sorgen nun dafür, dass ein zentrales Anliegen der Partei in Murcia umgesetzt wird. So können Eltern von Kindern demnächst entscheiden, ob ihre Kinder an Sexualkunde oder am Ethikunterricht teilnehmen müssen, weil es sich dabei angeblich um "Indoktrination" handeln soll.
Dass sich die PP in Andalusien, Madrid und Murcia nicht nur wie bisher von den Vox-Ultras an Regierungen bringen und halten lässt, hat die CDU bisher nicht gestört.
Wenn es Merkel aber ernst damit ist, dass es sogar "unverzeihlich" ist, dass in Thüringen der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit Stimmen der CDU und der AfD gewählt wurde, dann sollte sie sich spätestens jetzt Sorgen um die spanische Schwesterpartei machen. Denn ein Ultra, der noch deutlich rechts von der AfD steht, wird nun in Murcia auf einen Ministerposten gesetzt und in die Regierung eingebunden.