Spanien: Operation Kitchen
Die Regierung soll einen "Auftragsverbrecher" angeheuert haben, um belastende Korruptionsdokumente gegen Führungsmitglieder zu beseitigen
Die spanische Volkspartei PP wurde dafür verurteilt, ein "effizientes System institutioneller Korruption" betrieben zu haben. Wegen der Vorwürfe, wonach sich die Partei über Jahrzehnte illegal über Schmiergelder finanziert hat, wie der ehemalige Schatzmeister auch einräumte, wurde mit Mariano Rajoy auch erstmals ein Regierungschef per Misstrauensantrag gestürzt.
Viele Vorgänge aus dem Sumpf waren aber erst zu erahnen, aber inzwischen taucht man in Madrid immer tiefer "in die Kloaken" (vgl. FAZ) ab. Zunächst stürzte die rechte Hand von Rajoy über belastende Aufnahmen eines ehemaligen Polizeiführers José Manuel Villarejo, der im Knast sitzt. Die ehemalige PP-Generalsekretärin musste aus der Parteiführung abtreten. Damit brach eine Stütze des neuen Parteichefs und Hardliners Pablo Casado weg, der nur mit Hilfe von María Dolores de Cospedal neuer Parteichef wurde.
Telepolis stellte dabei schon die Frage: "Spanischer Sumpf: Wen trifft es als Nächsten?" Nun machen die "Kloaken des Innenministeriums" wieder einmal besonders stark auf sich aufmerksam. Am Montag wurde veröffentlicht, dass ein "gefährlicher Söldner" angeheuert worden sei, um an brisante Dokumente des ehemaligen Schatzmeisters zu gelangen. Luis Bárcenas hatte stets gedroht, bei einer Inhaftierung eine "Atombombe" zu zünden.
So soll, bezahlt mit Geldern aus den geheimen Spezialfonds, der Kriminelle Enrique Olivares angeheuert worden sein, der eine lange Liste mit Vergehen aufweist, darunter Raub und Drogenhandel, für angeblich 50.000 Euro. 10.000 Euro soll er als Anzahlung bekommen haben. Er sollte die Daten besorgen, die auf drei Pen-Drives gespeichert waren. Die hatte Bárcenas zu seiner Sicherheit aufbewahrt.
Es war auffällig, dass der damalige Regierungschef Rajoy ihm diverse SMS vor der Inhaftierung schrieb und ihn aufforderte, "stark" zu bleiben: "Luis, die Sache ist nicht einfach, aber wir tun, was wir können. Kopf hoch."
Doch Bárcenas war sauer, dass er von der PP zum Sündenbock für Vorgänge gestempelt wurde, worin die ehemalige Generalsekretärin eine besondere Rolle spielte. Dabei kannten alle Parteiführer die parallele Buchführung und die Schwarzgeldkassen, räumte Pablo Crespo in einem der Korruptionsverfahren, die noch gegen die PP und ihre Mitglieder laufen, gerade ein.
Crespo muss es wissen. Er war einst Organisationssekretär der PP in Galicien. Auch Rajoy stammt aus der Region, Crespo wurde dort mit ihm in Pontevedra politisch groß. Crespo legte auch nahe, dass Rajoy vor Gericht log, als er erklärte, von den Vorgängen nichts gewusst zu haben. Sehr erhellend war, dass der damalige Regierungschef eine Aufklärung der Vorgänge als "nicht sachdienlich" bezeichnete.
Doch über Rajoy, der nach den Aufzeichnungen von Bárcenas aus den Schwarzgeldkassen die höchste Gesamtsumme als "Zusatzlohn" steuerfrei in Bargeldumschlägen erhalten haben soll, schwebt ein immer größeres Damoklesschwert.
Aus den Schmiergeldkassen sollen allein für Anzüge von Rajoy 12.620 Euro geflossen sein.
Zurück zum angeheuerten Verbrecher und der Story, die aus einem schlechten Krimi stammen könnte. Da Bárcenas seine Dokumente nach seiner Inhaftierung im Juni 2013 offensichtlich benutzte, um seine Partei und die Regierung unter Druck zu setzen, wurde die Operation "Kitchen" gestartet. Bárcenas Beweise gegen die PP und ihre Parteiführer sollten geraubt werden, damit sie nicht in die Hände des Ermittlungsrichters fallen.
Zuvor musste Pablo Ruz, der dann bald abgesägt wurde, die Parteizentrale durchsuchen lassen, da Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt wurden. Die Festplatten aus den Bárcenas-Computern waren allerdings schon professionell zerstört worden.
Als Priester verkleidet, das ist inzwischen gerichtsfest, verschaffte sich schließlich Olivares am 23. Oktober 2013 Zugang zur Wohnung der Familie Bárcenas. Zuvor soll dessen Fahrer über den schon genannten Polizisten Villarejo angeheuert worden sein. Auch Sergio Ríos soll Geld aus den Geheimfonds erhalten haben und erhielt als Zusatzlohn offenbar nach geleisteter Arbeit einen Posten bei der Polizei, der heiß begehrt ist unter den Beamten.
Auch dieser Polizist muss sich nun vor Gericht verantworten. Er soll die Informationen über die Gewohnheiten der Familie Bárcenas und Zeichnungen der Wohnung geliefert haben, um die Aktion des Söldners zu ermöglichen.
Einmal von der Hausangestellten in die Wohnung eingelassen, zog der "Auftragsverbrecher" einen Revolver. Er zwang die Anwesenden auf den Boden: "Leg dich hin oder ich erschieße deine Mutter", befahl er dem Sohn. Er fesselte alle drei und dann befahl er dem Sohn Guillermo: "Du bringst mich jetzt ins Büro deines Vater und dann übergibst du mir die Pen-Drives deines Vater oder ich bringe euch um." Da er offensichtlich gut instruiert war, sagte er: "Ich will die Informationen, die ihr habt, um die Regierung und ihren Präsidenten zu stürzen."
Doch letztlich stellte er sich dabei so ungeschickt an, dass es dem Sohn gelang, sich von den Fesseln zu befreien. In einem geeigneten Moment gelang es ihm, den Auftragsräuber zu überwältigen und die Polizei zu verständigen. Die Beamten wussten offensichtlich nichts davon, dass es sich um eine von einem Polizisten und dem Innenministerium organisierte Aktion drehte und verhaftete den Entführer. Der wurde schließlich wegen der Vorgänge schon zu 22 Jahren Haft verurteilt.
Um das Ganze abzurunden, hat El Independiente ebenfalls neue Dokumente veröffentlicht, die die Schlinge um den Hals von Rajoy und anderen PP-Führern, die Bundeskanzlerin Angela Merkel stets unterstützt hat, enger zu ziehen. Aus den Schmiergeldkassen sollen allein für Anzüge von Rajoy 12.620 Euro geflossen sein.
Für den Ex-Vizeministerpräsident Rodrigo Rato, der wegen Veruntreuung als Chef der Absturzbank Bankia gerade inhaftiert wurde, sollen es 13.700 Euro gewesen sein. Zudem fast 20.000 für den früheren Infrastrukturminister Álvarez Cascos, der die PP schon verlasen hat. Dazu kommen weitere 19.500 Euro für Anzüge des früheren Verteidigungsministers Federico Trillo. Insgesamt sollen 65.623 Euro aus den Schwarzgeldkassen geflossen sein.
Diese neuen Unterlagen sind ebenfalls im Rahmen der Ermittlungen im Rahmen der "Operation Kitchen" aufgetaucht. Sie machen auch deutlich, dass Bárcenas, zu 33 Jahren Haft verurteilt, längst nicht alle Unterlagen an die Justiz übergeben hat, über die er verfügt. Deshalb wird er ebenfalls erneut vor den Richter zitiert. Auch seine Frau Rosalía Iglesias, die zwar zu 15 Jahren verurteilt wurde, aber noch Haftverschonung erhielt, muss erneut vor den Richter.
Man darf gespannt sein, was noch alles aus diesen "Kloaken" hervorkommt. Es sieht ganz danach aus, dass sich Polizei und das Innenministerium wie die Mafia verhalten haben, die Beweise beseitigen und dafür Kriminelle anheuern, die zudem noch aus Steuergeldern bezahlt werden.