Spanische Regierungspartei: "18 Jahre illegale Finanzierung"
Der Ermittlungsrichter schließt Untersuchungen der illegalen Machenschaften in der konservativen Volkspartei (PP) ab, in Spanien schaut man sogar neidisch nach Deutschland
Es kommt im Superwahljahr nun dick für Spaniens regierende konservative Volkspartei (PP). Nachdem sie in Andalusien bei den Wahlen am Sonntag abstürzte, hat nun der Ermittlungsrichter Pablo Ruz seine Ermittlungsakte zugeklappt. In jedem Land, in dem Korruption in der politischen Klasse nicht wie hier alltäglich ist, hätten die ermittelnden Vorgänge längst für Rücktritte und Neuwahlen gesorgt. Schließlich wurden mit Schwarzgeldern auch Wahlkämpfe bezahlt. Doch bisher wartet man darauf vergeblich. Neidisch blicken deshalb aus Spanien auch Richter bisweilen auch nach Deutschland und merken an, dass sogar Präsident Wulff zurücktreten musste. Gegenüber den Vorgängen in Spanien, waren die Vorwürfe gegen Wulff eher lächerlich.
Zu erwarten sind Rücktritte oder Neuwahlen auch weiterhin nicht, obwohl der Richter am Nationalen Gerichtshof nun belegt hat, dass sich die PP seit fast 20 Jahren illegal finanziert und sich mit Schwarzgeld auch Vorteile in Wahlkämpfen verschafft hat. In seinem 190-seitigen Beschluss zeigt er "solide und fundierte" Hinweise auf, dass sie sich "systematisch zwischen 1990 bis mindestens 2008 aus privaten Quellen finanzierte" und "die Grenzen, Beschränkungen und Bedingungen bestehender Gesetze überschritt".
Dass Ruz von mindestens 20 Jahren spricht, hat damit zu tun, dass schon 1990 ein Verfahren gegen den ehemaligen PP-Schatzmeister Naseiro lief. Die illegalen Vorwürfe waren nachgewiesen, doch die Beweise durften nicht benutzt werden, weil es illegal abgehörte Gespräche waren. Seither wurde das Vorgehen in der PP unter Lapuerta und Bárcenas nur verfeinert. Dass die PP "Schwarzgeldkassen" hatte, ist für den Richter zweifelsfrei bewiesen. Schon Bárcenas hatte nach seiner Inhaftierung im Juni 2013 zugegeben, dass seine handschriftlichen Unterlagen die Grundlage der Anklage sind. Das Geld stammte von "Baufirmen und anderen Unternehmen", die dafür "im Gegenzug öffentliche Aufträge erhielten" (Spanischer Ministerpräsident in Schmiergeldaffäre belastet) Die PP streitet das ab, doch Ruz konnte die Kontobewegungen nachweisen und die Zahlungen durch Vernehmung von Firmenchefs bestätigen.
Nach Bárcenas, der wie sein Vorgänger Álvaro Lapuerta nun angeklagt wird, sei es auch eine "Tradition" in der PP, aus Schwarzgeldkassen "Zusatzlöhne" in bar an Parteiführer zu zahlen. Er erklärte detailreich, wann und wo er zum Beispiel Bargeldumschläge der Generalsekretärin María Dolores de Cospedal überreichte. Ministerpräsident Rajoy soll sogar die höchste Gesamtsumme erhalten haben (Spaniens Ministerpräsident im freien Fall) .
Zunächst stritten auch Rajoy und Cospedal alles ab und nahmen Bárcenas sogar in Schutz. Bekannt wurde, dass Rajoy ihm per SMS schrieb: "Luis, die Sache ist nicht einfach, aber wir tun, was wir können. Kopf hoch." Tatsächlich war das erste Verfahren gegen ihn noch eingestellt. Doch nach seiner Inhaftierung "zog er an der Decke", wie man das in Spanien nennt, und gab die Vorgänge zu. Er hatte immer von der PP und seiner Führung gefordert, eine Inhaftierung zu verhindern, sonst werde er die "Atombombe platzen lassen".
Bald änderte sich der Umgang und es wurde offensichtlich, dass die PP den Schatzmeister zum Sündenbock stempeln wollte. Weil die Existenz der Schwarzgeldkassen nicht zu leugnen ist, behaupteten die PP-Führer bald, dass sie von Schwarzgeldkassen nichts wussten und es die Kassen von Bárcenas und nicht die der PP waren. "Wie konnte Rajoy nichts von der Kasse B wissen, wenn er Umschläge von Lapuerta überreicht bekam", fragte sich Bárcenas. Und ist es glaubhaft, dass jahrelang die PP-Zentrale renoviert wird, ohne dass sich die Chefs fragen, wie das bezahlt wird. Denn das Geld kam ebenfalls aus den Schwarzgeldkassen. Und auf die Schutzbehauptungen aus der Parteiführung kontert ihr ehemaliger Schatzmeister, dass er 1,55 Millionen wohl kaum aus seiner Privatschatulle bezahlt hätte. Und genau dieser Vorgang ermöglicht Ruz nun auch ein Vorgehen gegen die Partei.
In seinem Beschluss wird auch seine gesamte Hilflosigkeit deutlich. Obwohl er zahllose illegale Vorgänge nachweist, lassen geltende Gesetze dafür keine Bestrafung der Partei oder ihrer Verantwortlichen wegen illegaler Finanzierung zu oder lassen sie nicht mehr zu. Illegale Parteienfinanzierung wurde grundsätzlich erst 2010 strafbar, dazu wurde der Tatbestand bis heute nicht ins entsprechende Gesetz eingefügt. Die Zeitung El Diario kommt deshalb zu dem Schluss: "Die Gesetze der Sozialisten und der Volkspartei verhindern, dass die PP und ihre Spender auf die Anklagebank kommen." Schnelle Verjährungsfristen machen Anklagen zum Beispiel wegen Bilanzfälschung unmöglich. Steuerhinterziehung vor 2008 ist verjährt und ohnehin man macht sich in Spanien erst strafbar, wenn pro Jahr 120.000 Euro hinterzogen werden. Das ist praktisch Einladung zum Steuerbetrug.
Dieses Problem war auch schon im großen Korruptionsskandal "Gürtel" das Problem, in dem der Ehemann der heutigen Königsschwester Cristina involviert ist. Hier zeigte sich auch, wie schwer es die Ermittler wie im Fall der PP hatten, staatliche Institutionen zur Mitarbeit gegen die kriminellen Machenschaften zu bewegen. Im Fall Cristina weigerte sich die Staatsanwaltschaft, Anklage zu erheben, rechnete die hinterzogene Steuersumme herunter, obwohl die Vorgänge mehr als deutlich waren. Da wurden plötzlich angebliche Firmenausgaben steuermindernd anerkannt, wie eine private Safari in Südafrika, ein Hotelaufenthalt der gesamten Familie in Mozambique, die Anmietung von fast einem Dutzend Zimmer im Hotel "Santa Chiara" in Rom, ja sogar alle Harry-Potter-Bücher für ihre Kinder, Abonnements für Zeitschriften, Gourmet-Essen, Kinderkleidung, etc.
Im Fall der PP musste der Richter Ruz die Finanzbehörden mehrfach zwingen, die Steuersumme zu berechnen, die durch 2008 für nicht deklarierte illegale Einnahmen nicht von der PP abgeführt wurden. Denn es waren mehr als 200.000 und damit strafbar. Er musste sogar die PP-Zentrale durchsuchen lassen, weil die sich weigerte, Unterlagen zur Renovierung auszuhändigen, die er mehrfach angefordert hatte. Und ist es noch ein Zufall, dass der mutige Richter Ruz nun seinen Posten räumen muss? Das ist bekannt. Schon einmal wurde ein Richter abgesägt, der sich gewagt hatte, an der faschistischen Vergangenheit und den Altlasten der Partei und an deren Korruptionsskandalen zu kratzen.
Nun kann Ruz die beiden Ex-Schatzmeister und die Partei als "Begünstigte" dafür anklagen, dass sie auch 2008 mehr als 200.000 Euro hinterzogen hätten. Für die Schwarzgeld-Renovierung der Zentrale wird auch die Firma Unifica angeklagt, die dafür 1,55 Millionen steuerfrei erhielt. Der Richter, der das Verfahren nun abgeben muss, fragt aber auch nach den eigentlichen "Verantwortlichen", denn Bárcenas und Lapuerta waren nur "Angestellte" der Partei. An Chefs wie Rajoy oder Cospedal kommt der bei dieser Gesetzeslage offenbar nicht heran. Sie können nur von den Wählern bei den Regional- und Kommunalwahlen im Mai und bei den Parlamentswahlen im Herbst zur Verantwortung gezogen werden, damit die Parlamente von "Mafia-Strukturen" gesäubert werden, wie es die Empörten-Parteien vorhaben, die gerade erheblichen Zulauf haben.
Empört, dass der Richter die PP-Chefs nicht anklagt, zeigen sich nun auch die oppositionellen Sozialisten (PSOE). Die will nun Einspruch einlegen und auch Rajoy und die Generalsekretäre der Partei auf der Anklagebank sehen, die in all den Jahren für die Vorgänge waren. Doch die PSOE sollte sich fragen, warum sie 2010 ein Gesetz gemacht hat, dass prinzipiell die illegale Parteienfinanzierung unter Strafe stellt, aber bis zu ihrer Abwahl im November 2011 die entsprechenden Strafgesetze nicht geändert hat.
Auch danach hätten die Sozialisten noch genug Möglichkeiten gehabt, entsprechende Reformen umzusetzen, wenn ihnen das Vorgehen gegen Korruption wichtig wäre. Schließlich haben sie gemeinsam mit der PP sogar die Verfassung geändert, um eilig die Schuldenbremse einzubauen. In diesem Rahmen hätte man auf ein Vorgehen gegen die Korruption genauso drängen können, wie kürzlich, als sogar eine Strafrechtsreform von der PP und der PSOE abgenickt wurde, die massive Strafverschärfungen vorsieht und demokratische Rechte wie das Versammlungsrecht und die Meinungsfreiheit beschneiden (Verhaftungswelle in Spanien gegen Donbass-Brigaden). Hat die Zurückhaltung damit zu tun, dass die PSOE auch in massive Korruptionsfälle verstrickt ist. Derzeit werden sogar die beiden ehemaligen Präsidenten Andalusiens in einem Betrug im Umfang von etwa einer Milliarde Euro angeklagt.