Invasion der Quallen

Seite 2: Auch Pinguine mögen Quallen

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Trotz aller paradiesischen Lebensumstände müssen sich Quallen vor einigen Fressfeinden in Acht nehmen. So war das alljährliche massenhafte Auftreten der Feuerqualle Pelagia noctiluca an den spanischen Stränden Anlass für das Team um den Meeresbiologen Luis Cardona von der Universität von Barcelona einmal nachzusehen, von wem sie eigentlich gefressen werden.

Die Wissenschaftler untersuchten den Mageninhalt von 20 Räubern und 13 potenziellen Beutetieren des Mittelmeeres - und staunten nicht schlecht, als sie in den Mägen der Blauflossen-Thunfisch-Jungtiere bis zu 80 Prozent Quallen fanden. Auch die Mägen des Kleinen Thun und des Mittelmeer-Speerfisch waren mit Quallen befüllt - wenn auch in weniger großen Mengen.

Besonders schützenwerten Arten dienen Quallen als Lebensgrundlage. So werden sie nicht nur von in der Antarktis lebenden Adeliepinguinen, sondern gelegentlich auch von Esels-, Königs-, Goldschopf- und Felsenpinguinen und sogar von Albatrossen gefressen, wie der australische Meeresökologe Simon Jarman anhand von Kotproben nachwies.

Auch auf dem Speiseplan einiger Meeresschildkröten scheinen Quallen ganz oben zu stehen. So wird die hochgiftige Seewespe, die in australischen und pazifischen Gewässern zu Hause ist, von der Lederschildkröte als auch der Echten Karettschildkröte mit Appetit verspeist. Auch scheinen einige Körperteile der Quallen nahrhafter zu sein als andere. So wurden Fische dabei beobachtet, wie sie den Quallen nur die energiereichsten Gewebeteile entnahmen.

Quallen als Beute von Tiefseegiganten

Die Krake Haliphron atlanticus, die weltweit größte ihrer Art und bisher kaum erforscht, lebt zurückgezogen in den Tiefen des Ozeans. Während die Männchen nur knapp 30 Zentimeter messen, erreichen die Weibchen eine Länge von bis zu vier Metern und ein Gewicht bis zu 75 Kilogramm. Kürzlich fanden Wissenschaftler am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung heraus, dass die Krake auch Quallen verspeist: Als Henk-Jan Hoving und seine Kollegen den Mageninhalt von fünf toten Exemplaren untersuchten, fanden sie neben Quallen auch andere gelatinöse Substanzen.

Beim Fressvorgang umschließt das füllige Weibchen die Qualle mit ihren Armen, wobei sie deren giftige Tentakel keineswegs stören. Dann knackt sie den Schirm ihrer Beute, um an die nahrhaften Verdauungsorgane zu kommen. Anschließend zieht sie die Überreste hinter sich her.

Die Reste, so glauben die Forscher, könnten die Tiere auch zur Abwehr gegen Feinde oder für den Fang weiterer Beute nutzen. Diese Entdeckung bestätigt frühere Erkenntnisse zu achtarmigen Tintenfischen, von denen Einige bereits bekannt dafür waren, dass sie Quallen fressen oder zur eigenen Abwehr nutzen.

Haliphron atlanticus wiederum dient als Beute für Pottwale, Blauhaie und Schwertfische. Hoving ist überzeugt, dass gelatinöses Plankton wie Quallen und ähnliche Organismen als Teil der Nahrungskette bisher deutlich unterschätzt wurden.

Schlafende Quallen in der Evolution

Quallen haben übrigens die Fähigkeit, nachts in einen schlafartigen Ruhezustand zu wechseln, wie ein Forscherteam vom California Institute of Technology in Pasadena kürzlich herausfand. Dazu testete es die Reaktion von Schirmquallen, die in seichten Tropengewässern gerne kopfüber am Boden schweben, wobei sie ihre Ringmuskulatur rhythmisch zusammenziehen.

Die Frequenz des Zusammenziehens nahm von tagsüber durchschnittlich etwa 58 auf 39 Stößen pro Minute in der Nacht ab, war also nachts um fast ein Drittel geringer. Es war das erste Mal, dass bei einem Organismus mit einem diffusen Nervennetz so etwas wie Schlaf nachgewiesen wurde.

Die Wissenschaftler schließen daraus, dass es schlafähnliche Zustände vor der Entwicklung eines zentralisierten Nervensystems gegeben haben muss. Das Phänomen Schlaf muss im Laufe der Evolution demnach wesentlich früher entstanden sein als bisher angenommen. Vielleicht haben wir Menschen mehr von den Quallen gelernt, als wir uns eingestehen wollen.