Iran: Aufstand der Frauen

Seite 2: Reglementierungen und Gegenwehr

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So wirklich glauben kann das in Iran niemand. In den Gefängnissen wird systematisch gefoltert. Dass Menschen in Haft sterben ist keine Seltenheit. Knapp 3.700 Demonstranten sollen festgenommen worden sein; laut Justizministerium befinden sich mehr als 400 noch immer in Haft. Ein Parlamentsausschuss forderte im Januar, die Inhaftierten besuchen zu dürfen und drängte auf ihre Freilassung.

Reformer und Hardliner beschuldigen sich seither gegenseitig, für die Proteste verantwortlich zu sein, in offiziellen Regierungsverlautbarungen werden auch die USA verantwortlich gemacht. Demgegenüber stehen kritische Stimmen, die fordern, dass die Regierung eingestehen muss, dass es ihr nicht gelungen ist, die Lebensbedingungen der Iraner zu verbessern, anstatt immer wieder mit Verschwörungstheorien zu agieren - wie schon bei dem Aufstand der Grünen Bewegung im Jahr 2009.

Der Protest der Frauen

Der Protest der Frauen könnte diesen Debatten nun eine neue Richtung geben. Während die Hardliner auf der rigiden Durchsetzung der Kleidungsvorschriften bestehen, sind die Reformer unter Präsident Hassan Rohani für deren Lockerung. Auch Ex-Präsident Mohammad Chatami sprach sich unlängst in dieser Richtung aus. Und auch unter den konservativ-religiösen Kräften besteht keineswegs Einigkeit in dieser Frage.

Erst im Sommer 2017 sagte Ayatollah Ahmad Alamollhoda, der Mitglied im obersten Revolutionsrat ist und somit über dem Parlament steht, der Hijab ließe sich nicht mit Zwang einführen. Er verwies auch darauf, dass das Schleierverbot des Schah-Regimes nicht funktioniert habe.

Schon im Zuge der Islamischen Revolution im Jahr 1979 teilte die Verschleierungspflicht die Geistlichen. Einige verwiesen darauf, dass sich solch eine Pflicht aus dem Koran nicht ableiten lässt.

Zu viele Reglementierungen

Den aktuellen Protest darf man auch nicht als reine Ablehnung des Kopftuchs missverstehen. Es geht vielmehr um den Zwang - und von dort zu einem generellen Protest gegen die Einschränkung persönlicher Freiheiten. Das Regime reglementiert das Leben seiner Bürger in vielen kleinen und großen Details. Die Kleidungsvorschriften sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.

Wie eine freie und unabhängige Wahl zu solchen Fragen ausgehen könnte, zeigte im Januar eine in iranischen Medien publizierte Umfrage zu den Protesten vom Jahreswechsel: Rund 75 Prozent der Iraner sollen sich für die Anliegen der Demonstranten ausgesprochen haben.

In etwa der selbe Bevölkerungsanteil soll inzwischen das System Islamische Republik ablehnen. Es bleibt abzuwarten, wie die Hardliner und Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei mit diesen Erkenntnissen umgehen werden...