Iran: Opposition fordert Wahlboykott

Ayatollah Khamenei bei einer Rede, Februar 2020. Bild: Khamenei.ir/CC BY 4.0

Vor den Wahlen nehmen Repressionen gegen Regimegegner und Pressevertreter zu

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Am Sonntag versammelte sich eine Gruppe aus etwa fünfzig Studentinnen und Studenten auf dem Campus der Universität Teheran zu einer spontanen Demonstration. Sie riefen Slogans gegen das Regime, forderten Freiheit für die Bevölkerung und bezeichneten die Revolutionsgarden als Mörder.

Die Miliz hatte zuletzt im November 2019 bei landesweiten Massendemonstrationen Hunderte Menschen getötet. Die Proteste hatten sich an einem heftigen Anstieg der Benzinpreise entzündet und sich dann zum Protest gegen die Regierung und Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei ausgeweitet.

Solche kleineren Demos finden derzeit regelmäßig statt in Iran; in der Regel gehen sie von den Unis aus, doch es schließen sich immer wieder auch Passanten an. Demonstrationen gegen die Herrschenden sind in Iran gefährlich, werden oft gewaltsam niedergeschlagen, in den Gefängnissen werden politische Häftlinge gefoltert und oft auch getötet.

Dass trotzdem immer wieder Menschen auf die Straßen gehen, ist ein Zeichen für die in der Bevölkerung brodelnde Wut, die Verzweiflung - aber auch für ihren Mut, gegen die repressiven Verhältnisse aufzubegehren.

Khameneis Rede: Aufforderung zu wählen, aus "Liebe zum Land"

Bei einer Rede am vergangenen Freitag forderte Ayatollah Khamenei auch jene auf, am 21. Februar an der Parlamentswahl teilzunehmen, die mit ihm nicht einverstanden wären. Sie sollten stattdessen "aus Liebe zu ihrem Land" an die Urnen gehen. Der Aufruf hat einen konkreten Hintergrund: In den letzten Wochen haben zahlreiche zivilgesellschaftliche Akteure und Gruppen, darunter Künstler, Gewerkschafter und Studierendenvereinigungen, zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Sie kritisieren, dass die Wahlen nicht frei sind.

Zuvor hatte sogar Staatspräsident Hassan Rohani den überparlamentarischen Revolutionsrat dazu aufgefordert, alle Kandidaten zur Wahl zuzulassen und war damit der Opposition entgegengekommen. Doch er blieb ungehört. Einmal mehr werden sämtliche Kandidaten, die in Opposition zum herrschenden System stehen, nicht zur Wahl zugelassen, und auch viele Kandidaten aus Rohanis Reihen, darunter amtierende Parlamentarier, wurden vom Urnengang ausgeschlossen.

Trotz dieses zutiefst undemokratischen Vorgehens ist die Wahlbeteiligung in der Regel hoch. Das will die Opposition nun ändern - eine niedrige Wahlbeteiligung könnte dem Regime seine Legitimation entziehen und der Weltöffentlichkeit demonstrieren, wie gering Khameneis Rückhalt in der Bevölkerung ist. Ob das aber wirklich funktioniert, wird sich erst am Wahltag zeigen. Die Möglichkeiten der Opposition sind begrenzt.

Haftstrafen für Gegner und Drohungen gegen Journalisten

Gegner des Systems haben kaum mediale Präsenz, und wer öffentlich eine zu deutliche Kritik übt, riskiert seine Freiheit. Das machte ein Revolutionsgericht nun wenige Tage vor der Wahl einmal mehr deutlich: Acht Aktivisten und Aktivistinnen, die im Sommer 2019 mit einem offenen Brief Khameneis Rücktritt sowie eine Verfassungsreform gefordert hatten, wurden zu langen Haftstrafen zwischen einem und sechsundzwanzig Jahren verurteilt.

Ende Januar wurde außerdem im Parlament ein Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der die Strafen für Regimegegner noch verschärfen soll.

Auch der Druck auf Journalisten nimmt erneut zu. Wie Reporter Ohne Grenzen berichtet, wurden im Februar die Wohnungen mehrerer Journalisten durchsucht, Computer und Smartphones beschlagnahmt, mindestens zwanzig von ihnen wurden Haftstrafen angedroht.

Der Hintergrund: Nachdem bekannt wurde, dass das iranische Militär versehentlich einen ukrainischen Passagierjet mit 176 Menschen an Bord abgeschossen hatte, hatten achtzig Journalisten in einem öffentlichen Statement gesagt, dass sie nicht weiter die Lügen des Regimes verbreiten wollten.

In den drei Tagen zuvor hatten sie über das Dementi bezüglich des Abschusses aus Teheran berichtet. Solche Einschüchterungsmethoden gegen Pressevertreter spielen auch im Hinblick auf die anstehenden Wahlen eine Rolle und sollen dazu beitragen, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.