Iran: Wie groß ist die Eskalationsgefahr?
Seite 2: Donald Trump, die israelische Regierung und das saudische Königshaus wünschen einen Regime Change in Teheran
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Die Reaktionen aus dem Ausland fallen unterschiedlich aus. Deutschland und die EU halten sich mit Stellungnahmen auffällig zurück, mahnen bislang nur die Einhaltung von Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit an. Das liegt wohl auch darin begründet, dass man die erst seit 2015 langsam wieder anlaufenden wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen nicht gefährden will. Iran ist für die deutsche Industrie ein wichtiger Markt. Erst im November fand ein Treffen von iranischen und EU-Vertretern in Isfahan statt. Dabei versicherte man sich gegenseitig am Atomabkommen festhalten zu wollen.
Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zeigte sich zuletzt zuversichtlich und teilte mit, dass Iran vollumfänglich kooperiert und sich in allen Punkten an das Abkommen hält. Die Deutsch-Iranische Handelskammer (DIHK) verzeichnete 2017 einen deutlichen Anstieg von Güterausfuhren nach Iran, in Teheran eröffnete vor zwei Monaten ein Zentrum für bilaterale Verhandlungen, von dem sich beide Länder eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen versprechen.
Doch das Atomabkommen, das das Fundament für diese Beziehungen bildet, ist in Gefahr. Nicht nur Chamenei hatte mehrfach dagegen gewettert - wohl auch, weil Rohani mit dem Abkommen bewiesen hat, das sein moderater Öffnungskurs erfolgversprechender ist als die starre Haltung der Hardliner. Auch US-Präsident Donald Trump steuert seit Beginn seiner Amtszeit auf einen Konfrontationskurs. Die USA fordern nun eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates.
Dass Trump sich ebenso wie die israelische Regierung und das saudische Königshaus einen Regime Change in Teheran wünschen, ist ein offenes Geheimnis. Während es Riad um die Vormachtstellung in der Region geht, spielt in den USA und Israel aber auch die innenpolitische Botschaft eine zentrale Rolle. Wenn Trump gegen Iran wettert, ist das für ihn eine willkommene Möglichkeit, von seiner katastrophalen innenpolitischen Bilanz und seinen historisch niedrigen Zustimmungswerten abzulenken. Die Kernfrage ist: Wie weit ist er dafür bereit zu gehen?
Die Haltung jedenfalls unterscheidet sich von der iranischen kaum. Die allgegenwärtige antiamerikanische und antiisraelische Propaganda war stets in erster Linie innenpolitisch motiviert - der gemeinsame äußere Feind, so das Kalkül, sollte von den Problemen im Inland ablenken. Das funktioniert nun offensichtlich nicht mehr, denn auch gegen genau diese Rhetorik wird auf den Straßen Irans demonstriert.
Einmischung von außen nutzt den iranischen Hardlinern
"Es ist jedoch sicher, dass US-Präsident Donald Trump seine eigenen Ziele nicht befördert hat, als er sofort in Großbuchstaben twitterte: "Zeit für einen Wechsel". Auch Israel und die arabischen Staaten haben sich ähnlich positioniert, doch diese Einmischung von außen nutzt im Iran eher den Hardlinern als den Reformern", schreibt Bahman Nirumand dazu in einem Kommentar.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Demonstranten sich über die Unterstützung aus Washington und Tel Aviv freuen, ist gering. Wenn Trump auf die Menschenrechte verweist, ist das allenfalls zynisch, solange er enge Beziehungen zum saudischen Königshaus pflegt, das zu den repressivsten Regimen der Welt zählt und mit der Verbreitung seiner radikalislamischen Ideologie maßgeblich für den Aufstieg von Al-Qaida und IS verantwortlich ist.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich zu einem fundamentalen Wechsel in Iran kommt, ist dementsprechend gering. Seit der Revolution von 1979 war das theokratische Regime immer wieder für so gut wie erledigt erklärt worden, doch am Ende sitzt es nach wie vor fest im Sattel. Der Irakkrieg in den Achtzigern konnte ihm ebenso wenig anhaben wie die Protestwelle von 2009.
Und angesichts der Umbrüche und des Chaos in der Region hat sich Iran auch in den letzten Jahren als außerordentlich stabil erwiesen - und als geschickter außenpolitischer Taktierer. Im Irak konnte Iran seinen Einfluss massiv ausbauen, ebenso im Libanon. Und gemeinsam mit Putin und Erdogan schmiedet Rohani bereits Pläne für die Zukunft Syriens. Wobei Iran und Russland, sehr zum Unmut der Türkei, an Assad festhalten.
Die zum jetzigen Zeitpunkt größte Gefahr einer Eskalation liegt auf den iranischen Straßen selbst: Wenn die Hardliner und die Revolutionsgarden die Chance auf Reformen verpassen, könnte die Lage für die iranische Bevölkerung in den nächsten Jahren noch weit unangenehmer werden, die zaghaften Bemühungen Rohanis, die Zügel zu lockern und Iran in die internationale Staatengemeinschaft zurückzuführen, würden erstickt. Das erinnert nicht zuletzt an die Präsidentschaft von Mohammad Chatami, der ebenfalls an den Hardlinern gescheitert war.