Iran behält angereichertes Uran vorerst und droht mit weiterer Anreicherung
Staatspräsident Hassan Rohani setzt den verbliebenen Teilnehmern des Wiener Atomabkommens eine zweimonatige Frist, "um ihren Zusagen insbesondere im Öl- und Bankensektor wieder nachzukommen"
Heute früh gab der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif bekannt, er habe den verbliebenen Teilnehmern des Wiener Atomabkommens - also China, Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland - eine Entscheidung des Hohen Sicherheitsrates in Teheran mitgeteilt. Inhalt dieser Entscheidung sei, dass der Iran "freiwillige Verpflichtungen" aus diesem Abkommen von 2015 "reduzieren" werde.
60 Tage Frist
Der iranische Staatspräsident Hassan Rohani ergänzte in einer Fernsehansprache, die beiden Welt- und die drei europäischen Mächte hätten nun 60 Tage lang Zeit, "um ihren Zusagen insbesondere im Öl- und Bankensektor wieder nachzukommen". Sonst, so der Hodschatoleslam, werde die iranische Staatsführung weitere Verpflichtungen aussetzen und die Anreicherung von Uran wieder aufnehmen.
Die "freiwilligen Verpflichtungen", die man bereits jetzt aussetzt, betreffen Rohanis Worten noch vorhandene iranischen Bestände an angereichertem Uran und Deuteriumoxid. Diese Bestände werde man vorerst behalten, anstatt sie zu verkaufen.
Am letzten Freitag hatte das amerikanische Außenministerium den Import von angereichertem Uran aus dem Iran auf ihre Sanktionsliste gesetzt, falls dieses Uran gegen Natururan getauscht wird. China, Russland, Großbritannien, Frankreich und Deutschland wurden amerikanische Ausnahmegenehmigungen für eine zivile Nuklearzusammenarbeit in den Anlagen Buschehr, Fordo, Arak und einem Forschungsreaktor in Teheran um 90 Tage verlängert.
US-Sanktionen drohen auch in Drittländern
Dass die verbliebenen nichtiranischen Teilnehmerstaaten des Atomabkommens "ihren Zusagen im Öl- und Bankensektor nicht nachkommen" (wie Rohani bemängelte), liegt daran, dass US-Präsident Donald Trump vor genau einem Jahr den Ausstieg seines Landes aus dem Abkommen und die Verhängung neuer Sanktionen verkündete. Diese Sanktionen drohen nicht nur US-Unternehmen, sondern auch solchen aus anderen Ländern (vgl. "Das größte Problem ist, eine Bank zu finden, über die legale Iran-Geschäfte abgewickelt werden können"). Seit am 1. Mai Ausnahmegenehmigungen ausliefen, betrifft das potenziell auch Länder, die weiter das wichtigste iranische Exportgut Öl beziehen (vgl. US-Außenministerium verlängert Ausnahmegehmigungen für Ölimporte aus dem Iran nicht).
Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten sich in einer gemeinsamen Erklärung mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini gegen diese Sanktionen ausgesprochen und dabei betont, dass die Internationale Atomenergiebehörde IAEA bislang keine iranischen Verstöße gegen das Atomabkommen festgestellt habe. US-Präsident Donald Trump bestreitet das nicht, verweist aber darauf, dass die IAEA-Inspektoren dem Abkommen nach militärische und nicht als Forschungseinrichtungen deklarierte Anlagen erst dann inspizieren dürfen, wenn sie vorher einen Antrag stellen, den die iranischen Behörden zwei Wochen lang prüfen dürfen.
Verweigern sie den Zugang, entscheidet eine gemeinsame Kommission innerhalb einer weiteren Woche. Das, so Trump, gebe den Persern ausreichend Zeit, eventuelle Beweise für Vertragsverstöße ab- und danach dort oder anderswo wieder aufzubauen. Außerdem kritisiert er, dass der Entwicklungsstopp auf 15 Jahre begrenzt ist und dass das Abkommen dem Iran die Möglichkeit lässt, mit Atomwaffen bestückbare Mittelstreckenraketen zu bauen. Deshalb müsse ein neues Abkommen her (vgl. Hin und Her um ein Treffen von Trump und Rohani).
Pompeo reist anstatt nach Berlin in den Irak
Trumps Außenminister Mike Pompeo ließ gestern Maas und Merkel in Berlin stehen und flog stattdessen in den Irak, wo er seinen eigenen Angaben nach mit dem dortigen Ministerpräsidenten "über die Bedrohung aus Teheran" sprach. Adel Abdel Mahdi versicherte, "dass die USA bereitstünden, um die Unabhängigkeit des Irak zu garantieren", wobei es auch um "Energie" gehe. Vorher hatte Pompeo bestätigt, dass der Flugzeugträger USS Abraham Lincoln zusammen mit einer Bomberstaffel in die Streitkräftekommandoregion "Centcom" verlegt wird. Diese Region fängt vor Syrien an, reicht bis Pakistan und umfasst unter anderem den Iran.
Der ist den amerikanischen Angaben nach der Adressat der Maßnahme, die "einer Reihe beunruhigender und eskalierender Anhaltspunkte und Warnzeichen" folge. Man strebe zwar keinen Krieg mit dem schiitischen Gottesstaat an, sende aber eine "klare und unmissverständliche Botschaft an das iranische Regime, dass jedem Angriff auf die Interessen der Vereinigten Staaten oder auf die ihrer Verbündeten mit unerbittlicher Kraft begegnet wird" - einerlei, ob er "von Stellvertretern, den islamischen Revolutionsgarden oder den regulären iranischen Streitkräften" kommt (vgl. Abraham Lincoln auf dem Weg Richtung Iran).