Irans Frauen
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Antike
Der ausgeprägte Kampfgeist der iranischen Frauen ist das Ergebnis eines langwierigen historischen Entwicklungsprozesses. Vor dem Eintreffen des Islam im Iran konnten die Frauen bis in die Herrschaftskreise aufsteigen und Königin werden. Azarmidokht aus der Sassaniden-Dynastie herrschte (630-631) über den Iran, wenngleich für eine kurze Zeit, kurz vor der Niederlage der Perser gegen die muslimischen Araber, 642 bzw. endgültig 651 n. Chr. Wissenschaftliche Recherche untermauern, dass einige persische Frauen als Kriegsherrin in die Geschichte des antiken Irans eingegangen sind.
Von den Achämeniden (vom 6. Jh. v. Chr. bis zum späten 4. Jh. v. Chr.) bis zu den Sassaniden besaßen Frauen Eigentumsrecht und waren bei der Erbschaft gleichberechtig, es sei denn die Frau war verheiratet, dann erbte sie die Hälfte. Bei Dr. Gabriele Gierlich (Historisches Museum der Pfalz Speyer) lesen wir: "…dass Männer und Frauen im Grunde gleichberechtigt waren. Bis auf den Anschein, dass Jungen als Nachwuchs offenbar höher eingeschätzt wurden als Mädchen… alle Nachrichten, die gerade auch in den letzten Jahren durch die Funde bestätigt wurden, zeigen die persische Frau als äußerst selbständig und emanzipiert." Gierlich fügt hinzu:
Die Königin hatte ebenso ihren eigenen "Haushalt" zu führen. Sie hatte eigenen Landbesitz, und ihr waren Manufakturen unterstellt. Sie durfte auch umherreisen, um diese zu kontrollieren. Außerdem sind die Königin und die Prinzessinnen des persischen Hofes selbst geritten, wie man aus einer Reliefdarstellung ersehen kann.
Demgegenüber hat Revolutionsführer Ayatollah Khamenei Ende 2017 durch ein Fetwa (religiöses Gutachten) Frauen das Fahrradfahren untersagt. "Radfahrende Frauen dürften nicht von fremden Männern gesehen werden", ließ Khamenei verlautbaren.
Ohne die Religion des Islam verunglimpfen zu wollen, muss man im iranischen Kontext konstatieren, dass die Islamisierung Persiens den Frauen des Landes keine Vorteile gebracht hat. Schlägt man einen Bogen bis zur modernen Zeit wird man die iranischen Frauen und die dortige Frauenbewegung als Pioniere der Region des Nahen Ostens apostrophieren können.
Neuzeit
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts war Zarintaj Ghazvini eher bekannt als Tahereh Qurrat al-ʿAin (1814-1852), eine engagierte Frauenaktivistin, die später zu der im damaligen iranischen Kontext in Bezug auf Frauenrechte (Verneinung der Polygamie und bessere Stellung der Frau) eher liberalere Bahai-Religion konvertierte Tahereh hat diesen Religionswechsel mit ihrem Leben bezahlt und war die erste Frauenrechtsaktivistin, die durch ein Urteil der Geistlichen als "Mohareb" und "Mofseh Fel-Arz (jemand, der Gott und dem Prophet den Krieg erklärt hat, bzw. Korruption auf Erden verbreitet hat) hingerichtet wurde.
Tahereh, die auch eine Dichterin war, verließ mit 29 das Haus, Ehemann und Kinder. Sich als Frau im 19. Jahrhundert im Iran vom Ehemann scheiden zu lassen, war ein Novum. Qurrat al-ʿAin kam einmal sogar während einer Rede hinter dem Vorhang hervor und nahm ihren Hijab ab, was unter den Männern für Aufregung sorgte.
Richtig begonnen hat die Frauenbewegung jedoch erst mit dem Auftreten der bereits zitierten Mohtaram Eskandari (gest. 1925) sowie auch von Fakhr Afaq Parsa (gest. 1971) Mohtaram, Tochter eines Prinzen warnte die Frauen vor vorzeitiger Heirat, plädierte für Frauenbildung und forderte vom neu gegründeten Parlament die Achtung der Frauenrechte. Sie hat den Hijab abgelegt und ist in einem legendären Foto mit einem kleinen europäischen Hut zu sehen.
Nach dem Sieg der Konstitutionellen Revolution gründete sie die erste Frauenorganisation "Jamiyat-e Nesvan-e Vatankhah" (Gesellschaft der patriotischen Frauen). Sie gründete die ersten Mädchenschulen und warb in Zeitschriften und Vorträgen bzw. Reden für Aufklärung. Ihr Ziel war hauptsächlich die Emanzipation der Frau im privaten und im öffentlichen Bereich. Die Mitglieder dieser Organisation sprachen sich gegen den Hijab-Zwang aus und sie mussten unter schwerem Druck des schiitischen Klerus, der den fanatischen aufgebrachten Mob anstachelte, arbeiten.
"Dachamiyat-e Azadi Zanan" (Die Gesellschaft für die Freiheit der Frauen) begann ihre Arbeit 1906 (kurz nach dem Sieg der Konstitutionellen Revolution. In jener Zeit waren Mitglieder der Frauenbewegungen Aristokraten, entstammten dem königlichen Hof oder waren Frauen von Regierungsmitglieder.
Die bekanntesten unter ihnen waren Sedigheh Doulatabadi und Tadsch os-Saltaneh (gest. 1936), die Tochter des Naser ad-Din Schah aus der Kadscharen-Dynastie und die erste Autobiografin in der iranischen Geschichte.
Ihren brillanten Geist bewies sie in ihrer Autobiografie: "Häuser, deren Wände drei oder fünf Meter hoch sind und alles führt zu nur einer Tür, welche von einem Wachmann überwacht wird. Und unter einer Kette der Knechtschaft und einem bedingungslosen Verurteilung werden [iranische Frauen] oft entwurzelt, einige mit Blassgelb, einige hungrig und nackt, manchmal den ganzen Tag lang, wartend und weinend", so beschrieb sie die damalige Situation der Frauen im Iran vor etwas mehr als hundert Jahren.
Tadsch os-Saltaneh war mit Werken der westlichen Aufklärer vertraut, liebte Musik und war des Französischen mächtig. In ihrer Autobiographie schrieb sie ferner:
Ich hatte ein verrücktes Verlangen nach Europa, und dieses Verlangen wurde in mir gestärkt und veranlasste mich, mich von meinem Mann zu trennen.
Die Treffen der Mitglieder der "Gesellschaft für die Freiheit der Frauen" fanden geheim in den umliegenden Gärten Teherans statt. Den Sitzungen durften auch Männer beiwohnen, vorausgesetzt, sie erscheinen mit einem weiblichen Verwandten. Die Männer hatten kein Rederecht.
Die "Gesellschaft für die Freiheit der Frauen" existierte nicht lange. Ein Mann, der sich allein Zutritt verschaffen wollte und daran gehindert wurde, verriet die Sitzung und die Anwesenden konnten grade noch rechtzeitig von dem Eintreffen des Mobs erfahren und sich in Sicherheit bringen. Aber zu dieser Zeit begann die engagierte Gründung der Mädchenschulen.
Zuvor wurden Mädchen bis zum Alter von sieben Jahren im Lesen und Schreiben sowie dem Rezitieren des Koran unterrichtet. Ausländische (europäisch-amerikanische) Missionare hatten ihre eigenen Schulen, zu denen auch Töchter der muslimisch-iranischen Aristokraten Zugang fanden. Der Gang zur Schule war von einem erheblichen Druck der schiitischen Geistlichkeit begleitet. Bibi Khanoom Astarabadis (1859-1921) Schule wurde attackiert. Sie ging zum Kultusminister und sagte:
Ich bin eine Frau mit einem "Lechak" (eine Art kleines dreieckiges Kopftuch, im Volksmund mit abwertendem Touch gebraucht) auf dem Kopf und verteidige meine Schule. Du bist ein Mann, Minister noch dazu und Du kannst nicht meine Schule schützen?
Der Minister erwiderte mit Argwohn: "Gegen die Geistlichkeit sind wir machtlos." Er riet Bibi Khanoom, auf dem Schulschild "Schule für Mädchen im Alter zwischen 4 bis 6" zu schreiben und die älteren zu entlassen. Denn in Bezug auf diese Altersgruppe haben die Kleriker keine religiösen Bedenken. Bibi Khanoom sagte zu den weinenden Mädchen, die älter als sechs Jahre waren: "Geht nach Hause und wenn Gras über die Sache gewachsen ist, hole ich euch wieder." So hat sie ihre Schule gerettet.
Die Pahlavis
Unter den beiden Pahlavi-Shahs (1925 - 1979) kam es für viele Frauen tatsächlich zu einem Durchbruch in Verbindung mit einem Bruch mit den rigiden überkommenen traditionell-religiösen Barrieren. Eine Generation von Frauen wurde erzogen, deren Enkelkinder und weitere Nachkommen zu einem Riesenproblem für die Ayatollahs, für die später ausgerufene Islamische Republik Iran geworden sind.
Die Pahlavis haben zwar politische Freiheit unterdrückt, jedoch gesellschaftliche Freiheiten für Mann und Frau gewährt und so eine aktive (regimefreundliche) politische und zivilgesellschaftliche Partizipation der Frauen ermöglicht.
Hat Ayatollah Khomeini 1981 den Hijab-Zwang eingeführt, so hatte Reza Schah 46 Jahre zuvor (1935) per Dekret die traditionelle Kleidung der Frauen nebst Tschador verboten. Der Schah führte auch die allgemeine Schulpflicht ein. Frauenverbände unterstützen Reza Schahs Reformen, merkten aber schnell, dass der Schah mit tiefergehenden Reformen und Regierungskritik seitens der Frauen nicht einverstanden ist.
Dennoch erschienen während seiner Herrschaft mehrere Frauenzeitschriften wie "Alame Nesvan" (Die Welt der Frauen), "Nesvane Vatankhah" (Patriotische Frauen) und "Dokhtarane Iran" (Die Mädchen vom Iran), um einige zu nennen. Insbesondere die beiden erstgenannten traten für ein Hijab-Verbot ein und hatten bereits einige Jahren vor Reza Schahs entsprechenden Dekret den Hijab kritisiert.
Die meisten Frauenbewegungen von damals waren gegen die Verschleierung. Ohne Hijab in der Öffentlichkeit zu erscheinen, war ein Sicherheitsrisiko angesichts des gesellschaftlichen Einflusses der schiitischen Geistlichkeit und die Präsenz dieser unverschleierten Frauen bewies andererseits ihre Entschlossenheit beim Kampf gegen Verschleierungszwang.
Sedigheh Doulatabadi kehrte 1907 nach ihrem Studium in Frankreich nach Teheran zurück und erschien von Anbeginn mit europäischem Hut und Kleid auf der Straße. Doulatabadi gehörte zu den ersten Tabu-Brechern, war aber nicht die einzige. Eine kleine Anzahl iranischer Frauen gingen 1909 zum ersten Mal ohne Schleier auf die Straße. In einigen Großstädten, besonders in Schiraz, sah man damals hijablose Frauen.
Reza Schahs Polizei schützte unverschleierte Frauen und stellte die prominente Sedigheh Doulatabadi unter Personenschutz. Dennoch war die Frauenbewegung gegen ein gewaltsames Verschleierungsverbot, wie es von Reza Schahs Polizei in der Öffentlichkeit durchgesetzt wurde. Afzal Veziri (gest. 1980), die Tochter von Bibi Khanom Astarabadi schrieb in einer Zeitschrift:
Die Regierung sollte diese Härte (gegen verschleierte Frauen) einstellen und jede in ihrem Glauben freilassen. Sie soll weder Verschleierungszwang noch Verschleierungsverbot einführen.
Womöglich hat Reza Schah unter dem Eindruck der weitverbreiteten Meinung unter der Frauenbewegung gegen den Hijab sein Projekt durchgeführt und er konnte prominente Hijab-Gegner wie Sedigheh Doulatabadi hinter sich bringen. Obwohl sie alle gegen eine gewaltsame Umsetzung waren, haben sie dennoch Reza Schah unterstützt, weil der Druck der rigiden Tradition, Religion und Geistlichkeit stark war. In Reza Schah sahen diese Frauen jene starke Person, die sich gegen diese mächtige Kaste durchsetzen konnte.
Die Forderungen der Frauen waren zusammengefasst: Bildung, modernes Familiengesetz, Entfernung des Schleiers, Stimmrecht, gesellschaftliche und politische Partizipation. Diese Forderungen standen in Einklang mit Reza Shahs Politik, Frauen in das soziale Leben zu integrieren und gebildete Mütter zu erziehen, um die Aussichten zukünftiger Generationen zu verbessern.
Insgesamt bescherte die Ära Reza Schahs der Frauenbewegung einige bis dato nie dagewesenen Vorteile, trotzt des bitteren Beigeschmack der gewaltsamen Implementierung. Die Gründung von eigenständigen Frauenverbänden - allerdings meistens integriert in neu gegründete Parteien - fängt in der Ära Reza Schahs an und es wächst nach seiner Abdankung im Jahr 1941 und Beginn der Herrschaft seines Sohnes Mohammad Reza Schah Pahlavi.
Die "Hezb-e Zanan"(Die Partei der Frauen), später umbenannt in "Schoray-e Zanan-e Iran" (Rat der Iranischen Frauen) war eine eigenständige Frauenorganisation. "Tashkilat-e Zanan-e Hezb-e Tudeh-e Iran" (Frauenorganisation der Tudeh-Partei Irans) gegründet 1944 und schließlich die "Hezb-e Demokrat-e Iran" (Die Demokratische Partei Irans), welche von Premier Ahmad Ghaval al-Saltaneh 1945 ins Leben gerufen worden war, waren die ersten in den großen Parteien integrierten Frauenorganisationen.
Unter Mohammad Reza Schah, dem Sohn Reza Schahs, wurde der Modernisierungsprozess rasant weitergeführt. Politische Freiheiten blieben weiterhin untersagt doch der Iran entwickelte sich in der Ära der Pahlavis - besonders in der des Zweiten - innerhalb von kurzer Zeit zu dem mächtigsten und fortschrittlichsten Staat im Nahen Osten, auch ökonomisch und militärisch. Zu den Nutznießern der Modernisierung gehörten Frauen, deren Stellung weitgehend verbessert wurde.
Der zweite Pahlavi hob das Verschleierungsverbot auf. Am Strand im Norden des Iran sah man spätestens ab Ende der 60ern Bikini tragende Frauen, an denen die mit Tschador verhüllten Frauen vorbeigingen, ein Zeichen gesellschaftlichen Pluralismus oder drastischen Widerspruchs? Der im März verstorbene prominente iranische Philosoph und Kulturtheoretiker, der Sorbonne-Gelehrte Dariush Shaygan prägte den Begriff "Cultural Schizophrenia" in seinem gleichnamigen Buch (1992), um die mangelnde Elastizität bzw. die Schwierigkeiten orientalischer Gesellschaften (insbesondere der Iranischen) beim Zusammentreffen von Tradition und Moderne zu illustrieren.
Der Zugang von Frauen in alle gesellschaftlichen Bereichen wurde - im Kontext der damaligen Zeit - ermöglicht und Frauen stießen in der Ära des zweiten Pahlavi bis zu Minister- und Richterämtern vor. Sie entwickelten ein starkes Selbstbewusstsein. Für einen Teil der Frauen, die aus den konservativ-traditionell-religiösen Familien stammten, wirkte die Modernisierung ominös, abschreckend und entfremdend.
Kopftuch- und Tschador-tragende Mädchen trauten sich nicht in die Universitäten oder öffentlichen Ämtern, wo es von Unverschleierten wimmelte, obschon es kein Verschleierungsverbot gab. Die Eltern dieser hielten die Universitäten wegen der dort betriebenen Koedukation für "schlechte Ortschaften" oder gar Bordell und hielten ihre Töchter davon fern. So blieb besonders hohe Bildung einem Teil des weiblichen Geschlechts unzugänglich.
Die Islamische Republik Iran
Ayatollah Khomeini führte 1981 den Verschleierungszwang ein. Er hätte es am liebsten sofort nach dem Sieg der Revolution (12. Februar 1979) getan, stieß aber sofort auf den legendären Widerstand der Frauen. Am 7. März 1979 prangerte Ayatollah Ruhollah Khomeini in einer Rede die Hijablosigkeit an: "Es ist mir berichtet worden, dass es in den Ministerien dieselben Verhältnisse gibt wie früher. Frauen dürfen nicht nackt erscheinen. Frauen können arbeiten, niemand hindert sie dran, aber sie müssen Hijab tragen. Sie müssen die religiösen Hijabvorschriften einhalten." Khomeinis Rede wurde von zahlreichen Geistlichen aber auch etlichen Politikern unterstützt. Doch die Frauen lehrten den greisen Ayatollah eines Besseren.
Ein Tag danach, am 8.März (Frauentag) kamen etwa zwischen 50.000 bis 100.000 Frauen auf die Straße (Bilder von Hengameh Golestan).
Eine legendäre Protestdemonstration, welche es nie zuvor gab und danach auch nie wieder gegeben hat. Zwei Tage dauerten die Demonstrationen an. Khomeini machte einen Rückzieher und unterdessen begriffen die Frauen, was für einen fatalen Fehler sie begangen haben. Diese Frauen aus der wohlhabenden und modernen Mittelschicht standen mit an den vordersten Stellen der Demonstrationen gegen das Schah-Regime.
Der überwältigende Anteil der Frauen an den Protesten gegen die Monarchie und für Khomeini ist unbestritten. Sie fielen - wie viele andere Gesellschaftsgruppen - auf die "Taqiyya" (Täuschung) Ayatollah Khomeinis rein, der im Pariser Exil am Vorabend des Sieges den Iranern den Himmel auf Erden versprach, darunter Freiheit für Kommunisten und Gleichberechtigung für Frauen.
Der 8. März markierte nicht einmal einen Monat nach dem Revolutionssieg (12. Februar 1979) und somit waren die Frauen die allererste Gesellschaftsgruppe, die die Alarmglocken läuten hörten. Der Coup misslang kurzfristig und der Ton von Ayatollah Khomeini wurde immer schärfer. Prominente Frauen wie die 2016 verstorbene Historikerin Homa Nategh oder die 2012 verstorbene Roman- und Kurzgeschichtenschreiberein Simin Daneshvar plädierten dafür, sich den wichtigeren Problemen wie der Wirtschaft zu widmen und keine Spaltung der Revolutionären herbeizuführen.
Sie tragen auch bei den Vorträgen Kopftücher. Die historische Aktion der Frauen fand keine gesamtgesellschaftliche Unterstützung, auch nicht von starken linken Organisationen und Parteien. Die Frauen der damals starken links-islamischen "Volksmudschahedin" trugen ohnehin Kopftuch; das tun sie heute noch.
Im Juli 1980 sah Ayatollah Khomeini die lang ersehnte Gelegenheit kommen und griff scharf die Ohnmacht der Regierung an, um islamische Kleidungssitten in den Ämtern durchzusetzen. Am 7. Juli 1980 ordnete Premier Mohammad Ali Radschai an, dass ab sofort unverschleierte Frauen keine Gehälter mehr bekommen und ihnen kein Zugang zu ihren Arbeitsplätzen gewährt wird.
Binnen kurzer Zeit wurde diese Verordnung landesweit umgesetzt. Der jetzige vermeintlich moderate Präsident Hassan Rohani war damals Mitglied des Obersten Verteidigungsrates und erklärt in einem Video, wie er den Hijab-Zwang in der Armee durchgesetzt hat:
Ich stellte ein Ultimatum, dass niemand das Recht hat, ab morgen ohne Hijab zu erscheinen. Ich ordnete die Wachposten am Eingang an, unverschleierten Frauen keinen Zutritt zu gewähren.
Verschleierungszwang wurde 1983 zum Gesetz. Verstöße gegen den Schleierzwang wurden unter Strafe gestellt. Gemäß Paragraf 102 des iranischen Strafgesetzes werden nicht islamisch korrekt bekleidete Frauen zu zehn Tagen bis zwei Monaten Gefängnis oder 74 Peitschenhieben verurteilt.
Frauen stellten sich von nun an auf einen harten Kampf ein. Dieser Kampf kostete und kostet das Regime sehr viel Geld und erfordert die Mobilisierung von Personal (Sittenwächter). Es gibt verschiede (Härte-)Stufen der Verschleierung. Bei öffentlichen Ämtern müssen Maghnae, ein Tuch, das bis zur Brust reicht und auch die Ohren verhüllt sowie ein langer meistens dunkler Mantel (meistens bis zum Knie) und darunter eine Hose getragen werden, auch in der Sommerhitze. Diese Bekleidungsvorschrift gilt auch weitgehend für Universitäten und Bildungseinrichtungen. Manche sehr konservativ geführten staatlichen Anstalten wie "Seda wa Sima" (Rundfunk- und Fernsehanstalt) handhaben die Verschleierungsvorschrift noch härter und zwingen ihre Mitarbeiterinnen Tschador zu tragen.
Eine Meteorologin fiel in Teheran bei einer Live-Wetterreportage im Sommer 2016 deswegen in Ohnmacht Frauen in höheren Ämtern und Posten wie Vizepräsidentin Masumeh Ebtekar oder die ehemalige Außenamtssprecherin und derzeitige Botschafterin in Malaysia Marzieh Afkham tragen Tschador, so dass man nur einen Teil ihres Gesichtes sehen kann.
In manchen kleineren Städten müssen die Beamtinnen auch in der Öffentlichkeit auf ihre Kleidung achten und können sich keine Freizügigkeit im Umgang mit dem Hijab leisten. Wenn sie dabei von fanatischen Kolleginnen und Kollegen erwischt würden werden, kann das ihnen den Job kosten.
In der Öffentlichkeit wird der harte Kampf der Frauen mit dem Staat in der Gestalt von Sittenwächtern und Ordnungskräften (Polizei) und der zivilen fanatischen Bassidsch-Miliz seit etwa vier Dekaden ausgetragen. Vor allem junge moderne Frauen widersetzen sich den rigiden Vorschriften.
Auch Schauspielerinnen und Künstlerinnen ärgern das Establishment mit ihren extrem modischen Bekleidungen.
Der Kampf findet auch an anderen wichtigen "Fronten" wie Bildung und Wirtschaft statt. Zum ersten Mal in der Geschichte Irans überwog 2001 der Anteil der Frauen an den Universitäten den der Männer und das hielt über zehn Jahre an. Im Jahr 1979, dem Jahr der Revolution, betrug ihr Anteil nur 23%.
Von 2006 bis 2012 belief sich der weiblicher Anteil auf mehr als 60%. Restriktive Maßnahmen ab der Ära Ahmadinedschad führten zu einer gegenwärtig leichten Überlegenheit der männlichen Studenten. Frauen sind trotzt etlicher Barrieren und vor allem fehlender finanzieller Unterstützung selbst im Bereich des Sports angesichts ihrer beschränkten Möglichkeiten erfolgreich.
Das heutige starke Selbstbewusstsein der iranischen Frau resultiert demnach, aus den folgenden Faktoren:
- Das eingangs beschriebene historische Bedeutung der Frauen von der Antike bis einschließlich zur Pahlavi-Dynastie prägte sich im Unterbewusstsein der iranischen Frau ein.
- Der große Anteil der Frauen an der iranischen Revolution, bei der alle gesellschaftlichen Gruppierungen getäuscht und betrogen wurden. Die oben zitierte Historikerin und Sorbonne -Gelehrte Homa Nategh, die im Dezember 1980 im Alter von 44 ins Pariser Exil fliehen musste, sagte später nüchtern: "Meine Sünde wiegt schwerer als die der anderen. Denn ich war während der Revolution sowohl Universitätsdozentin als auch Forscherin. Die unheimliche Leidenschaft und Erregung der Revolution hat mich mitgenommen, sodass ich all mein Wissen und meine Erkenntnisse auf der Mülldeponie warf, mit der ignoranten Masse innig wurde und auf die Straße ging. Ich habe Scheiße gebaut."
- Die Erkenntnis, dass Frauen die allererste Gruppe waren, welche gegen die religiöse Diktatur des Khomeini-Regimes Widerstand geleistet haben, der bis heute noch andauert.
- Der Verschleierungszwang der Islamischen Republik beraubte Frauen ihrer Freiheit, hatte aber auch einen positiven Effekt. Traditionell-religiöse Eltern, die koedukative Bildungsstätten mieden, schickten fortan ihre Töchter zu den koedukativen Bildungseinrichtungen, in welchen aber die Verschleierungsvorschrift erfüllt und praktiziert wurde und sexuelle Nähe zwischen männlichen und weiblichen Studenten wegen den strengen Überwachungen und Sanktionen nicht möglich war. Der rasante Anstieg der Zahl von Studentinnen lässt sich unter anderem dadurch erklären. Hohe Bildung eröffnete auch Mädchen aus religiös-konservativen Familien einen erweiterten Horizont und stärkte ihren kritischen Geist nicht nur gegen das politische System sondern auch gegen die eigenen Eltern bzw. Väter, wozu auch Ayatollahs zählten. Es gibt nicht wenige kopftuchtragende Frauen, welche den Kopftuchzwang nicht gut heißen.
Die landesweiten Protestdemonstrationen von Ende Dezember 2017 bis Anfang Januar 2018 waren eher durch den "Aufstand" der Armen, Hungernden und verarmte Mittelschicht sowie arbeitsloser Hochschulabsolventen dominiert, so dass die Frauen als Gesellschaftsgruppe optisch nicht ins Auge stachen, aber als die Proteste abgeflaut sind, die im Übrigen trotz der Ignoranz westlicher Medien noch nicht zu Ende sind, haben die Frauen wieder Geschichte geschrieben.
Dokhtarane khiabane enghelab (Die Mädchen der Straße der Revolution): eine Frau stehend auf einem Stromverteilerkasten an der Straße der Revolution mitten in Teheran. Ihr Haar trägt sie offen, das weiße Kopftuch schwenkt sie wie eine Fahne an einem Stock. Die Bilder gingen um die Welt.
Die Frauen alleine werden gewiss nicht das unzeitgemäße Regime der Ayatollahs beseitigen können, aber sie werden wieder einen großen Anteil an dem Weg dahin haben haben. Sie wollen gut machen, was ihre Eltern und Großeltern 1979 angerichtet haben.