"Irma": Massive Schäden und Verluste

Hurrikan Irma über den Virgin Islands am 6. September 2017. Bild Nasa Worldview/ gemeinfrei

Die Energie- und Klimawochenschau: Von teuren Tropenstürmen, fehlender Vorsorge, Warnungen der Wissenschaftler und chinesischer Technologieführerschaft

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das herausragende "Klima-Ereignis" der letzten Woche ist sicherlich Hurrikan "Irma" gewesen, der zuerst eine Spur der Zerstörung über einige kleine Karibik- Inseln und anschließend über Kuba und den US-Bundesstaat Florida gezogen hat. Am Dienstagvormittag (MESZ) war er ins Landesinnere in den Norden Alabamas und Georgias gezogen und war nur noch ein gewöhnliches Tiefdruckgebiet, das allerdings noch immer reichlich Niederschlag mit sich führte.

Letztlich hatte Irma sich etwas weiter westlich als erwartet bewegt, wodurch Miami und die übrige Ostküste der Halbinsel weniger stark, als zunächst befürchtet, getroffen wurden. Die Verwüstungen waren dennoch beachtlich.

Sechs Millionen Haushalte waren am Montag ohne Strom. Viele Straßen wurden überflutet, Häuser abgedeckt, Strommasten umgeknickt, Obst- und Gemüseernten vernichtet. Der Nachrichtensender CNN hat auf seiner Internetseite eine Bilderserie veröffentlicht, die die Zerstörungen anschaulich dokumentiert.

Die Aktien der Rückversicherers Münchener Rück legten am Montag kräftig zu. Dazu hatten offenbar beruhigende Aussagen von Konzernvertretern geführt, wonach die Rückversicherer mit den Folgen der diesjährigen Hurrikan-Saison keine Probleme bekommen würden. Ansonsten waren die Kurse von involvierten Versicherungen zunächst abgetaucht.

Die britische Zeitung Guardian zitiert Beobachter, die den Gesamtschaden in Florida auf 300 Milliarden US-Dollar (rund 250 Milliarden Euro) schätzen. Etwa die Hälfte davon muss möglicherweise von den Versicherungen getragen werden. Die Zeitung schreibt, dass der Versicherungsmarkt in Florida eher eine Domäne kleiner Unternehmen sei.

Die großen US-amerikanischen Unternehmen hätten sich nach den Stürmen des letzten Jahrzehnts zurückgezogen. Hurrikan "Kathrina" hatte seinerzeit 2005 in New Orleans und Umgebung einen wirtschaftlichen Schaden von 176 Milliarden US-Dollar (etwa 148 Milliarden Euro) angerichtet.

Auch von "Harvey", der zu Beginn letzter Woche Texas heimgesucht und Houston überschwemmt hatte, liegen inzwischen Kostenschätzungen vor. Nach einem Bericht von Börse Online schätzen Beobachter der Münchner Rück, dass er einen Versicherungsschaden von 20 bis 30 Milliarden US-Dollar (ca. 17 bis 25 Milliarden Euro) verursacht hat. Insgesamt beliefe sich der Schaden auf bis zu 100 Milliarden US-Dollar (rund 84 Milliarden Euro).

Trump streicht Vorsorge

Zunächst war zudem befürchtet worden, dass die für die Versorgung des Landes wichtigen Raffinerien an der Golf-Küste längere Zeit ausfallen und damit Versorgungsengpässe an der Ostküste auslösen könnten. Doch dem scheint nicht so zu sein, wie Berichte von letzter Woche nahelegen. Zumindest ein Teil der Raffinerien in Texas und Louisiana läuft bereits wieder.

Alles in allem scheint aber die diesjährige Hurrikan Saison, die noch bis Ende November gehen wird, zu einer der kostspieligsten in der Geschichte der USA zu werden. Darüber hinaus hatte US-Präsident Donald Trump wenige Tage vor "Harvey" dafür gesorgt, dass zukünftig die Kosten noch höher ausfallen könnten.

Unter seinem Vorgänger Barack Obama hatte ein Regierungserlass geregelt, dass es Wiederaufbauhilfe für kommunale Einrichtungen und ähnliches nur gibt, wenn die neuen Gebäude auch auf künftige, durch den absehbaren Klimawandel entstehende Risiken ausgelegt werden. Das heißt unter anderem, dass sie so hoch gebaut werden, dass sie auch von etwaigen Überschwemmungen nicht geschädigt werden können.

Dieser Erlass wurde gestrichen. Künftig reicht es für staatliche Unterstützung wieder, wenn die potenziellen Bauherren sich an historischen Wasserständen orientieren. Einige Kommunen und Bundesstaaten haben zwar höhere Anforderungen an neue Bauwerke, aber letztlich setzt Washington damit einen Standard, an dem sich viele ein Beispiel nehmen werden.

Und dann ist da noch José

Und dann ist da noch "José". Wie berichtet, hatte sich im Nordatlantik kurz nach "Irma" ein weiterer Hurrikan gebildet, der allerdings nicht so weit Richtung Karibik zog und bisher nur ein paar Inseln östlich von Puerto Rico traf. Dieser verharrt derzeit mehr oder weniger östlich der Bahamas.

Die Vorhersagekarten der US-amerikanischen Meteorologen sehen ihn dort in den nächsten Tagen noch eine Schleife ziehen und dann in der zweiten Wochenhälfte auf die Bahamas treffen.

Vorhersagekarte für Dienstag nächster Woche. Wie es aussieht, bleibt die US-Küste gerade noch von den schlimmsten Auswirkungen verschont. Bild: University of Maine

Danach wird er nach Norden und nach bisherigem Stand der Prognosen ab North Carolina an der US-Küste hinaufziehen. Vor zwei Tagen sah es in den Vorhersagen noch so aus, als würde die Zugbahn des Sturmzentrums direkt an der Küste entlang führen. Inzwischen sieht es aber eher so aus, als würde der Sturm weiter draußen auf See bleiben. Sturmfluten und extreme Niederschläge würden den dortigen Küstenbewohnern also erspart bleiben. Allerdings sind Vorhersagen über einen Zeitraum von wenigen Tagen hinaus mit großer Unsicherheit behaftet. Strandbewohner müssen also noch ein wenig zittern.

Für Hans-Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sind "Harvey" und "Irma" hingegen die Vorboten des "Klimachaos", vor dem die Wissenschaftler seit Jahrzehnten gewarnt haben. Der Planet werde aus dem Gleichgewicht gebracht. "Harvey" und "Irma" hätten "viele zornige Geschwister welche darauf warten, die Menschheit heimzusuchen". Unter anderem könne noch in diesem Jahrhundert die Sahara über Andalusien und Sizilien nach Europa vordringen.

Obwohl in Deutschland - anders als in den USA - die Politik den menschgemachten Klimawandel nicht offiziell leugnet, wird das Thema im aktuellen Wahlkampf nahezu völlig ausgeblendet. Hingegen häufen sich unnötige Bekenntnisse zu den Geschäftsmodellen von gestern - Dieselantrieb, Kohleverstromung, industrielle Landwirtschaft -, welche den Klimaschutz für ein sicheres Morgen blockieren und die ohne Subventionen nicht einmal wettbewerbsfähig wären. Statt weiterhin Unsummen für den Stillstand zu verbrennen, sollte die nächste Bundesregierung massiv in die nachhaltige Modernisierung unserer Gesellschaft investieren.

PIK-Direktor, Hans-Joachim Schellnhuber

China sorgt für Fortschritt

Ganz anders sieht es hingegen in China aus. Dort wird offensichtlich über einen Zeitplan für den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor nachgedacht. Das berichtet die in Hongkong erscheinende englischsprachige Tageszeitung South China Morning Post. Schon jetzt würde die Zentrale Planungskommission in Beijing (Peking) keine neuen Fabriken für Verbrennungsmotoren mehr genehmigen.

Wichtiges Motiv sei die Luftverschmutzung in den Städten, die in den letzten 15 Jahren dramatische Ausmaße angenommen hat und die jährlich für über eine Million Tote verantwortlich gemacht wird. Die Zeitung zitiert Angaben des chinesischen Umweltministeriums, wonach Autos in den Städten für 90 Prozent der Stickoxid- und Feinstaubemissionen verantwortlich seien.

Angesichts der vielen Kohlekraftwerke scheinen diese Anteile etwas sehr hoch zu sein, aber mag sein, dass die Maßnahmen zur Stilllegung alter Kraftwerke tatsächlich bereits einen derartigen Erfolg gebracht haben.

Wie dem auch sei, könnten entsprechende Entscheidungen in China die hiesigen Diskussionen über eine Deadline für Neuzulassung von Verbrennungsmotoren - die Grünen fordern zum Beispiel, ab 2030 nur noch neue Fahrzeuge auf die Straße zu schicken, die abgasfrei sind - neu befeuern. China ist nämlich bereits seit einigen Jahren der mit Anstand wichtigste Automobilmarkt.

Das weiß keiner besser als die Vorstände der hiesigen Automobilindustrie, die sich so krampfhaft an ihr überkommenes Geschäftsmodell klammern. Wie der Sender NTV berichtet, kann insbesondere VW froh über die ungebremste Konsumlust der chinesischen Mittelschicht sein. Im August verkaufte VW von seiner Kernmarke weltweit 495.200 Fahrzeuge, davon 37.000 in Deutschland, was gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 11,2 Prozent bedeutete.

In der Volksrepublik waren es hingegen 265.400 Fahrzeuge, zehn Prozent mehr als im August 2016 und über die Hälfte des weltweiten Absatzes. Mit anderen Worten: Sollte China sich tatsächlich zu einer Deadline entscheiden, könnte es sehr schnell darauf hinauslaufen, dass in Deutschland nur noch die anderswo unverkäuflichen Modelle abgesetzt werden. Keine besonders gute PR-Maßnahme für ein Land, dessen Regierung sich so viel auf tatsächlichen oder nur noch vermeintlichen technologischen Vorsprung einbildet.

Eine ähnliche Wirkung könnte ansonsten auch das bereits so gut wie beschlossene Quotensystem entfalten, das in den nächsten Jahren greifen soll. Mit ihm werden die Hersteller verpflichtet, einen wachsenden Anteil ihrer Wagen mit Elektroantrieb anzubieten. Mit Verbrennungsmotor betriebene Fahrzeuge werden dann nur noch einen schrittweise sinkenden Teil ihres Absatzes ausmachen dürfen.

Wer 1000 Wagen verkaufen will, muss dann zum Beispiel bei einer Elektro-Quoten von, sagen wir, 20 Prozent mindestens 200 E-Autos verkauft haben. (Hybridantriebe sollen dabei wie reine Elektromotoren behandelt werden.) Der Verkehrssektor befindet sich also offensichtlich - ob es den hiesigen Zukunftsverweigerern nun passt oder nicht - in einem großen technologischen Umbruch.

Und wie in früheren Umbrüchen hat die alte Industrie Schwierigkeiten ihre schwerfälligen Konzerne an die neuen Herausforderungen anzupassen. Daher ist hierzulande der größte E-Auto-Hersteller eine Tochter der Deutschen Post, die Streetscooter GmbH wie der Fachinformationsdienst IWR schreibt. Das Bundesumweltministerium fördere mit einem Programm, was auf bessere Luft in den Städten und die Vermeidung von Fahrverboten abziele, den Einsatz der E-Fahrzeuge bei der Post. Immerhin.