Ischinger fordert deutschen Militäreinsatz in Syrien
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz glaubt, dass Flugverbote und Schutzzonen in Syrien die Zahl der Asylbewerber verringern könnten
Der Völkerrechtsexperte Wolfgang Ischinger ist seit 2008 Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, auf der sich alljährlich Präsidenten, Regierungschefs und Minister weltpolitisch wichtiger Länder treffen. Deshalb wird das, was er sagt, nicht nur von deutschen Politikern gehört. Das gilt auch für ein Interview, das Ischinger dem Münchner Merkur gab, und in dem er einen deutschen Militäreinsatz in Syrien fordert.
Eine "Strategie in der Syrien-Krise" ist Ischingers Ansicht nach "nur dann glaubwürdig, wenn sie mit glaubwürdigen militärischen Handlungsoptionen unterlegt ist". Die EU müsse deshalb "imstande sein, über Fragen wie Schutzzonen in Syrien für die Millionen von Flüchtlingen" und "mögliche Flugverbote in und um Syrien [...] ernsthaft zu reden". "Wer sich dazu nicht aufrafft", so der Sicherheitskonferenzleiter, "darf sich nicht wundern, wenn weitere hunderttausende oder Millionen Flüchtlinge bei uns landen".
Ischinger zufolge hätten die EU-Mitgliedsländer mit den USA solche "ernsthaften Debatten" bereits zu Beginn des syrischen Bürgerkrieges 2011 führen müssen. Inzwischen stehe der gesamte Nahe Osten "kurz vor der Groß-Explosion" und es gebe eine "enorme Gefahr überschwappender Instabilität". Neben "Abwehrschritten" sei deshalb eine "diplomatische Groß-Initiative" von Nöten, an der auch auch Russland und der Iran beteiligt werden müssten.
Ob ein militärisches Eingreifen Deutschlands die Lage in Syrien bessern oder verschlechtern würde, ist allerdings offen: Aus dem Kosovo, wo die NATO 1999 intervenierte, kommen heute deutlich mehr Asylbewerber als aus Serbien. Ischinger hatte den Einsatz damals als Vertreter der Europäische Union in den Verhandlungen mit Belgrad maßgeblich mit zu verantworten.
Afghanistan, wo die ISAF-Mission von 2001 bis 2014 dauerte, gehört nach dem Abschluss dieser Mission (bei der 54 deutschen Soldaten fielen) ebenfalls zu den Hauptherkunftsländern der Asylbewerber in Deutschland. Die deutsche Botschaft in Kabul warnt dem Spiegel zufolge sogar, es gebe "es Anzeichen, dass die Regierung eine Million Pässe ausgestellt habe, die die Ausreise nach Europa ermöglichten".
Im Irak erstarkte erst nach dem Sturz Saddam Husseins die Terrorgruppe al-Qaida, die später den Islamischen Staat (IS) und die al-Nusra-Front gebar - die beiden Organisationen, die heute die Hauptursachen dafür sind, dass Christen, Kurden, Jeziden, Drusen, Alawiten, Schiiten und säkulare Sunniten aus Syrien und dem Irak vertrieben werden.
In Libyen brach der Staat nach der durch NATO-Bombardements ermöglichten Pfählung von Muammar al-Gaddafi weitgehend zusammen (was den Weg für Asylbewerber aus schwarzafrikanischen Ländern ebenso wie für Dschihadisten frei machte) und auch in Syrien gewann der Bürgerkrieg erst durch indirektes militärisches Engagement der Golfstaaten und der Türkei an Fahrt.
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