Islamisten aus aller Welt zieht es nach Somalia
Die USA unterstützt die Übergangsregierung gegen die Islamisten, die das für sich auschlachten können
In Somalia wäre der Bürgerkrieg längst zu Ende, wenn das Ausland nicht immer wieder eingreifen würde. Nun will sich die USA finanziell und militärisch engagieren, um die Kontinuität der Übergangsregierung unter Präsidenten Scheich Sharif Ahmed zu gewährleisten. Ein Sieg über die islamistischen Milizen von Al-Shabab und Hizbul Islam wird nicht einfach, zumal sie ihren Kampf auch außerhalb Somalias führen wollen.
In Australien wurden letzte Woche vier Somalias verhaftet, die Selbstmordattentate auf Militärbasen verüben wollten. „Wir glauben“, sagte Tony Negus von der australischen Bundespolizei, „dass die Männer zu Al-Shabab in Somalia gehören und die Absicht hatten, in die Armeeunterkünfte einzudringen und so viele Soldaten wie möglich zu töten."
Wie schon zuvor in Afghanistan oder dem Irak scheint nun auch der bewaffnete Kampf in Somalia die Solidarität von Islamisten aus aller Welt zu erhalten. In den vergangenen Monaten sollen sich bereits Hunderte von Freiwilligen aus Afghanistan, Pakistan, Großbritannien, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern den Milizen von Al-Shabab und Hizbu Islam angeschlossen haben. Einige Rekruten aus dem US-Bundesstaat Minnesota sind bereits getötet worden. Darunter Shirwa Mohamed, der sich als Selbstmordattentäter im Nordosten von Somalia gelegenen Bosasso in die Luft sprengte.
Die ausländischen Kämpfer sollen auch für die militärische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen verantwortlich sein, wie Oberst Abdullahi Hassan Barise von der somalischen Armee berichtet: „Die Leute, die die Kinder ausbilden, sind Ausländer, sprechen Englisch oder Arabisch und haben Übersetzer, die ihnen helfen. Sie kommen aus Afghanistan, Pakistan und Tschetschenien." Vor einigen Monaten sei an Checkpoint der Armee in der Nähe der Hauptstadt Mogadischu ein Kleinbus mit Teeangern kontrolliert worden, die im Namen von Al-Shabab unterwegs waren. Einige der Jugendlichen seien gezwungen worden, andere hätte man einer Gehirnwäsche unterzogen, so Oberst Abdullahi Hassan Barise. Sie glaubten, sei kämen ins Paradies, wenn sie Somalia und den Islam verteidigen würden.
Kindersoldaten wecken bei den Somalis alte Erinnerungen. Nach dem Sturz von Diktator Mohamed Said Barre 1991 war Somalia einziges Desaster. Das Land am Horn von Afrika wurde von Warlords beherrscht, die unterschiedliche Gebiete kontrollierten und in denen Minderjährige an Straßensperren Wegezoll abkassierten. Diese Milizsoldaten waren unberechenbar und grausam, ein Horror für die Zivilbevölkerung. Nun sind sie wieder unterwegs, diesmal jedoch im Namen des Islams und der Scharia.
Die andauernden Kämpfe ließen in diesem Jahr bereits über 200.000 Menschen aus der Hauptstadt Mogadischu fliehen. Der Exodus über die Grenzen nach Äthiopien, Eritrea oder in den geht weiter. In der im Norden von Somalia gelegnen Stadt Bossasso warten 12.000 Menschen darauf, den Golf von Aden zu überqueren. Ein gutes Geschäft für die Schmuggler, die sich von den Flüchtlingen für die gefährliche Überfahrt gut bezahlen lassen. „Sie sehen keine Zukunft mehr in Somalia und sind so verzweifelt“, sagt Ron Redmond vom UN-Flüchtlingswerk in Genf, „dass sie ihr Leben und das ihrer Familien riskieren, um wegzukommen.“
Ein Ende des Bürgerkriegs ist nicht in Sicht
Nach der Wahl von Scheich Sharif Ahmed 2009 zum Präsidenten hatte man gehofft, es könnte bald Frieden geben (Somalia: Vom Terroristen zum Retter der Nation). Der ehemalige Geografielehrer aus Mogadischu galt als Integrationsfigur. 2006 hatte er als Anführer der Union der Islamischen Gerichte (ICU) dem Land erstmals so etwas wie Rechtssicherheit gebracht. Willkür und Straßensperren verschwanden, es wurde nach der Scharia Recht gesprochen. Bewaffnete Auseinandersetzungen gab es nicht mehr, niemand musste mehr Angst haben ausgeraubt oder getötet zu werden.
Aber Scheich Sharif Ahmed schaffte es nicht, Al-Shabab und Hizbu Islam, seine ehemaligen Kampgenossen im ICU, für eine Kooperation mit seiner Übergangsregierung zu überzeugen. Der neue Präsident galt als Verräter, da er der Stationierung von Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AU) in Somalia zugestimmt hatte. Für Al-Shabab und Hizbu Islam hatte Scheich Ahmed die Souveränität der Nation zugunsten der Interessen der USA und Äthiopien aufgegeben (Islamisten in Somalia vor dem Durchbruch).
2006 waren Truppen aus dem Nachbarland Äthiopien in Somalia einmarschiert. Logistisch unterstützt von den USA, die seit Jahren äthiopische Soldaten ausbildete. Die Soldaten der ICU stellten sich der militärischen Übermacht aus dem Nachbarland nur sporadisch entgegen und bevorzugten den Rückzug. Die Besetzung Somalias bezeichnete ein US-Offizieller als „Blitzkrieg“.
Zweischneidige Unterstützung der somalischen Übergangsregierung durch die USA
Mitte letzter Woche traf US-Außenministerin Hilary Clinton in Kenia Scheich Ahmed. 2006 hatte man ihn als Führer der ICU noch gewaltsam vertrieben, nun ist er als Präsident ein Hoffnungsträger. „Ich glaube, diese Regierung ist die beste Hoffnung seit langer Zeit für Stabilität und Fortschritt in Somalia“, sagte Clinton auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scheich Ahmed in Nairobi. Beide hatten in der US-Botschaft der kenianischen Hauptsstadt darüber gesprochen, wie die USA finanziell und militärisch die Regierung Somalias unterstützen kann.
Über das, was dabei herauskam, wurde allerdings nichts verlautbart. Man kann es sich aber denken: In diesem Jahr schickte das Weiße Haus bereits 40 Tonnen an Waffen und Munition in das Land am Horn von Afrika (US-Regierung hilft der bedrängten Regierung in Somalia mit Waffen). Zudem bildete es somalische Soldaten aus und spendierte eine Million Dollar als Finanzhilfe.
„Die Unterstützung durch die USA ist sehr wichtig für uns“, meinte Scheich Ahmed. „Sie sind eine Supermacht und haben die Verantwortung, uns aus der gegenwärtigen Krise bringen.“ Ein Bündnis, das der somalische Präsident da eingegangen ist, das ihm und Somalia nicht nur Positives bringen kann. Al-Shabab und die anderen islamistischen Gruppierungen fällt es nun leicht, für sich die Werbetrommel zu rühren. Scheich Ahmed ist einen Pakt mit dem Superfeind, dem Teufel eingegangen. „Es gibt keinen Unterschied zwischen Bush und Obama“, sagte Shabab-Kommandeur, Scheich Muse Hassan Ali. "Beide sind gegen den Islam und versuchen alle islamische Regierungen der Welt zu zerstören." Er freue sich auf die Waffenlieferungen aus den USA, denn man sei bereit, sie zu konfiszieren.
Al-Shabab und Hizbu Islam kontrollieren den Süden Somalias und Teile im Norden. Im Vergleich dazu sind die von der Regierung kontrollierten Gebiete relativ klein. Die Hauptstadt Mogadischu teilen sich die kämpfenden Parteien zurzeit jeweils zur Hälfte. Al-Shabab hatte bis Juli fast ganz Mogadishu kontrolliert und versuchte mit einer Offensive von Norden her, den Rest der Stadt einzunehmen. Der Angriff wurde jedoch zurückgeschlagen, angeblich mithilfe der AU-Friedenstruppen, die auf Seite der Regierung kämpfte.
Bisher hält Äthiopien noch still. Käme die Regierung von Scheich Ahmed allerdings unter Bedrängnis, würde das Nachbarland ihr sicherlich zur Seite stehen und erneut Truppen entsenden. Bisher beschränkt man sich auf Waffenlieferungen.
Unterstützung der somalischen Opposition kommt aus Eritrea, das sich nach einem Krieg mit Äthiopien (1997-2000) immer noch in Grenzstreitigkeiten mit dem ungeliebten Nachbarn befindet. Eritrea liefert Waffen an Al-Shabab und ist Rückzugsgebiet, falls es nötig sein sollte.
Auf ihrer Afrikatour sprach Hilary Clinton eine deutliche Warnung gegenüber Eritrea aus. Es werde Konsequenzen haben, wenn Eritrea weiterhin versucht, Somalia zu destabilisieren. „Es ist längst überfällig, dass Eritrea die Unterstützung von Al-Shabab stoppt“, sagte die US-Außenministerin. „Falls nicht, werden wir dagegen etwas unternehmen.“
Als haltlos und unwahr, bezeichnete der eritreische Informationsminister Ali Abdu die Behauptungen über Waffenlieferungen an Al-Shabab. Jedoch belegen Berichte der UN derartige Lieferungen nach Somalia. Eritrea und Äthiopien kämpfen einen Stellvertreterkrieg im Nachbarland. „Der Sicherheitsrat drückt sein Bedenken über Berichte von Waffenlieferungen Eritreas an die Opposition in Somalia aus, was einen Verstoß gegen das UN-Waffenembargo ist.“
Fast zynisch könnte man sagen, denkt man an die 40 Tonnen Waffen aus den USA und die mit Gewehren und Granaten beladenen LKWs, die aus Äthiopien nach Somalia fahren.