Israel-Palästina-Konflikt: Beerdigen UNRWA-Vorwürfe die Hoffnung auf Koexistenz?
- Israel-Palästina-Konflikt: Beerdigen UNRWA-Vorwürfe die Hoffnung auf Koexistenz?
- Israelische Forderungen und US-Reaktionen
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Drastischer Mittelentzug nach Geheimdienst-Bericht zu Hamas-Verwicklungen: Warum eine "politische Motivation" Israels die Vorwürfe überschattet.
Terror unter dem Mantel des Humanismus. So lautet sinngemäß der derzeit viel diskutierte Vorwurf Israels an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA).
Am 26. Januar hatte UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini die Öffentlichkeit über die schwerwiegenden Anschuldigungen informiert, die Benjamin Netanjahus Regierung unter Benachrichtigung des US-Außenministeriums an das Hilfswerk richtete.
Demzufolge sollen insgesamt 12 – Premier Netanjahu sprach ursprünglich von 13 – UNRWA-Mitarbeiter unmittelbar an den Anschlägen der Hamas vom 7. Oktober beteiligt gewesen sein.
Der israelische Außenminister Israel Katz forderte daraufhin den sofortigen Rücktritt des Generalkommissars. Vertreter der Vereinten Nationen und der USA zeigten sich bestürzt über die Nachricht, gingen zunächst jedoch nicht näher auf die Behauptung ein.
Erst ein Bericht der New York Times sollte später Einzelheiten ans Licht bringen.
UNRWA reagiert auf Israels Anschuldigungen
Noch bei der Bekanntgabe am 26. Januar kündigte UNWRA-Chef Lazzarini die unverzügliche Entlassung der beschuldigten Mitarbeiter an und versprach, eine interne Untersuchung durch das Office of Internal Oversight Services (OIOS), zu veranlassen und im Falle von Beteiligungen an Terrorakten die gebotene Strafverfolgung einzuleiten.
Drei Tage später veröffentlichte die New York Times unter Berufung auf ein sechsseitiges Dossier bis dato unbekannte Details zur mutmaßlichen Verwicklung von UNRWA-Mitarbeitern in den sogenannten Al-Aqsa-Sturm vom 7. Oktober. Das Dokument soll von einer anonymen Quelle stammen, die sich auf Telekommunikationsüberwachungen durch israelische Geheimdienste beruft.
Geheimdienstdossier legt Verbindungen offen
In dem Dossier, welches auch der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, wird die Behauptung aufgestellt, dass sich rund 190 UNRWA-Mitarbeiter an militärischen Operationen der Hamas beziehungsweise des Islamischen Dschihad beteiligt hätten.
Insgesamt sollen sogar ganze 1.300 der 13.000 Mitarbeiter der UN-Organisation Verbindungen zur Hamas unterhalten. 11 der 12 Personen, denen direkte Kriegshandlungen vorgeworfen werden, sind Reuters zufolge in dem Dossier mit Namen und Fotografien aufgeführt.
Darunter findet sich etwa ein Beratungslehrer, der im Zuge des Hamas-Angriffs seinem Sohn bei der Entführung einer Frau geholfen haben soll.
Was UNRWA-Mitarbeitern zur Last gelegt wird
Weiterhin wird ein UNRWA-Sozialarbeiter beschuldigt, die Leiche eines getöteten israelischen Soldaten in den Gazastreifen überführt und sich um die Versorgung der Streitkräfte mit Transportfahrzeugen und Waffen gekümmert zu haben.
Einem dritten Palästinenser wird in besagtem Dossier vorgeworfen, am sogenannten Massaker von Be’eri beteiligt gewesen zu sein, bei dem ein Zehntel der Bewohner getötet wurde.
Einem vierten wird zur Last gelegt, einen Armeestützpunkt in Grenznähe überfallen zu haben sowie außerdem an dem aus zahlreichen Medienberichten bekannten Massaker von Re’im beteiligt gewesen zu sein, bei dem mehr als 360 Gäste des "Nova"-Rave-Festivals starben.
Mittelentzug trifft UN-Organisation ins Mark
Die USA erklärten als größter finanzieller Unterstützer des Hilfswerks unmittelbar nach Bekanntwerden der Anschuldigungen, ihre Zahlungen an das UNRWA bis zum Abschluss der Ermittlungen einzustellen.
Dem schloss sich auch Deutschland als zweitgrößter Unterstützer an, gefolgt von Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Kanada, Australien, Italien und Finnland. Bei einer Anhörung "zur Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen" im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestags wurde im Nachgang sogar die Abschaffung des Hilfswerks diskutiert.
Norwegen und Irland halten dagegen an der Förderung fest.
UN-Generalsekretär António Guterres appellierte indes an die Länder, ihre Zahlungen wiederaufzunehmen, "um die Kontinuität der lebenswichtigen humanitären Maßnahmen des Hilfswerks zu gewährleisten". Im Spiegel forderte man daraufhin auch dessen Rücktritt.
Die Streichung der Hilfsgelder trifft das UNRWA und seine Mission im Gazastreifen ins Mark, wie ein Sprecher des Hilfswerks am 29. Januar berichtete. Dabei warnte er davor, dass die Organisation mit den derzeit zur Verfügung stehenden Mitteln ihre Arbeit zum Ende Februar voraussichtlich werde einstellen müssen.
Bereits im Januar 2023 sah sich das notorisch defizitäre Hilfswerk am Rande der Handlungsunfähigkeit und forderte weitere 1,6 Milliarden US-Dollar von der internationalen Gemeinschaft, um seine Rolle in der Region weiterhin erfüllen zu können.
Die Flüchtlingsfrage im Zentrum des Nahost-Konflikts
Das UNRWA übernimmt nach eigener Darstellung neben humanitären Hilfeleistungen Aufgaben in der medizinischen und sozialen Versorgung sowie bei der Ausbildung und der Vergabe von Kleinkrediten. Für seine Verurteilung des Angriffs vom 7. Oktober und der Forderung nach Freilassung von Geiseln wurde das Hilfswerk von der Hamas gerügt.
Das UNRWA wurde 1949 mit der Versorgung und Betreuung der Palästinenser betraut, die während der Kriege im Zusammenhang mit der Gründung Israels geflohen oder vertrieben worden waren. Jene Flüchtlinge und deren Nachkommen bilden heute die Mehrheit der Bevölkerung im Gazastreifen.
Ihr Verbleib und Status wurde in den bilateralen Verhandlungen zwischen israelischen und palästinensischen Führern nie abschließend geklärt.
Der Status der Nachkommen der Flüchtlinge
Viele Palästinenser fordern eine Rückkehr dieser Flüchtlinge in ihre frühere Heimat im heutigen Israel. Darunter sowohl Anhänger der Hamas wie auch des islamischen Dschihad, der seinerseits eine Zwei-Staaten-Lösung nach Maßgabe der Osloer Verträge rundweg ablehnt.
Ähnlich wie es auch Verlautbarungen des israelischen Premiers zu entnehmen ist, dessen Nation den Flüchtlingsstatus nachgeborener Palästinenser auch deshalb nicht anerkennt, weil eine entsprechende Migration den "jüdischen Charakter" Israels untergraben würde.
Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die entschiedene Haltung Israels zu den jüngsten Nachrichten um die UNRWA und deren mutmaßliche Verbindungen zur Hamas erklären.