Israel – Projektionsfläche für Wut, die ganz andere Ursachen hat

In Libyen gibt es viele Gründe für Protest gegen eigene Herrschaftsfraktionen. Die Lebensverhältnisse sind miserabel. Viele treibt aber etwas anderes auf die Straße.

Die Bevölkerung in Libyen hätte wirklich viele Gründe, um auf der Straße gegen ihre schlechten Lebensbedingungen zu protestieren. Schließlich streiten sich seit dem Sturz des Gaddafi-Regimes verschiedene autoritäre Herrschaftsfraktionen um die Erlöse aus den Erdölvorkommen des Landes.

Dabei kämpfen sie ohne Rücksicht auf die Bevölkerung auch mit Waffen gegeneinander und schließen dann wieder Bündnisse. Derweil verarmt die Bevölkerung weiter, die Stromsperren nehmen zu – und wer die Möglichkeit hat, versucht, das Land zu verlassen. Doch die Proteste der letzten Tage in den Straßen Libyen hatten nichts mit möglichen Verbesserungen der Lebensbedingungen zu tun.

Allein die Meldungen, dass sich die libysche Außenministerin Nadschla al Mangusch mit ihren israelischen Amtskollegen Eli Cohen getroffen und über die Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Ländern beraten hat, führte zu den massiven Aufmärschen. Die Außenministerin wurde zunächst von ihren Posten suspendiert und ist mittlerweile in die Türkei geflohen.

Dieser Vorfall macht einmal mehr deutlich, wie gut es in der arabischen Welt noch immer möglich ist, mit Hass auf Israel die Menschen auf die Straße zu bringen und sie so auch davon abzuhalten, gegen die unterschiedlichen Machtblöcke zu protestieren, die in Libyen für die Verschlechterung der Situation eines Großteils der Bevölkerung verantwortlich sind.

Das ist nicht Israel, auch wenn wohl manche Linke jetzt frohlocken, dass da einer Annäherung an Israel eine Grenze gesetzt wurde.

Was Libyens Bevölkerung von der israelischen lernen kann

Es soll hier nicht um die Beurteilung der israelischen Rechtsregierung gehen. Es soll auch nicht um mögliche Fehler des israelischen Außenministers bei der Bekanntgabe der Gespräche mit seiner libyschen Kollegin gestritten werden. Dafür bekommt er viel Kritik von der israelischen Opposition im und außerhalb des Parlaments zu hören. Aber anders als seine libysche Kollegin muss er nicht aus dem Land fliehen, in der Angst, ansonsten womöglich um sein Leben fürchten zu müssen.

Das macht eben deutlich, dass in Israel die bürgerliche Demokratie noch funktioniert, auch wenn sie von der Rechtsregierung massiv angegriffen wird. Deswegen gehen in Israel seit Monaten wöchentlich Zehntausende auf die Straße und sind auch weiterhin nicht bereit, ihren Kampf aufzugeben. Davon könnten auch die Menschen in Libyen lernen. Sie könnten wie die israelischen Demonstranten in Libyen gegen die unterschiedlichen Herrschaftscliquen protestieren und konkrete Verbesserungen ihrer Lebensrealität fordern.

Sie könnten fordern, dass die Gelder für die libyschen Bodenschätze wie das Erdöl für die Verbesserung der Infrastruktur im Land verwendet wird und nicht mehr zur Bereicherung der unterschiedlichen Herrschaftscliquen dienen soll.

Solange aber die Menschen sich gegen Israel auf die Straße mobilisieren lassen, wird eben nicht mehr darüber geredet, wer für die schlechten Lebensverhältnisse in vielen arabischen Ländern verantwortlich ist. Das sind eben vor allem die eigenen Herrschercliquen. Das gilt übrigens auch in Gaza und der Westbank.

Deswegen ist die Parole Free Gaza from Hamas eben nicht nur eine Provokation. Das zeigt sich allein schon daran, dass nicht wenige Bewohner aus dem Gaza-Streifen in Israel Asyl suchen, weil sie von der Hamas wegen ihrer politischen Ansichten oder ihrer sexuellen Orientierung mit dem Tod bedroht werden. Andere konnten mit Hilfe von Spenden aus Israel aus dem Gaza fliehen

Der Mythos vom Kampf um die Rückkehr

Die dem israelischen Friedenslager und nicht der aktuellen Rechtsregierung nahestehenden Journalisten Adi Schwartz und Einat Wilf haben in ihren vor einigen Monaten im Verlag Hentrich & Hentrich herausgegebenen Buch "Der Kampf um Rückkehr" mit guten Argumenten aufgezeigt, wie eine längst illusionäre Forderung nach Rückkehr in die alte Heimat im israelischen Kernland dazu führt, dass Palästinenserinnen und Palästinenser noch nach mehreren Generationen in einem Flüchtlingsstatus festgehalten werden.

Das nutzt den autoritären Machthabern in den meisten Ländern, in denen nun immer noch palästinensische Flüchtlingslager existieren, obwohl fast alle dort lebenden Menschen in diesen arabischen Ländern geboren worden sind. Da wäre es doch eine naheliegend, genau dort ihre politischen und sozialen Rechte einzufordern. Genau das aber fürchten die autoritären Machthaber. Sie haben auch immer wieder blutig palästinensische Proteste unterdrückt, wenn sie sich nicht gegen Israel richten, sondern wenn sie Rechte in den jeweiligen Ländern, beispielsweise im Libanon oder in Jordanien einfordern.

Nur wird über die Verletzten und Toten, aber auch über die Gefangenen aus diesen Kämpfen wenig geredet. Auch in vielen Medien in Deutschland sind Palästinenser nur dann ein Thema, wenn wie Opfer israelischer Staatsgewalt werden. Viel seltener hören wir von den Repressalien in Gaza, in der Westbank oder auch in Libyen.

Denn Proteste gegen die eigenen Warlords werden auch dort von allen herrschenden Fraktionen mit Gewalt niedergeschlagen. Vielleicht wurde daher auch der Furore gegen die Gespräche mit einen israelischen Außenminister auch deshalb inszeniert, damit die Menschen in Libyen erst gar nicht auf den Gedanken kommen, sich die israelische Protestbewegung zum Vorbild nehmen und Veränderungen in ihren eigenen Land einfordern.