Israel: Ukraine-Krieg ist nicht gleich Holocaust

Neftali Bennett bei seiner Rede in Yad Vashem. Bild: @naftalibennett (Screenshot)
Die Gleichsetzung des russischen Krieges mit der Vernichtung der Juden ist inzwischen an der Tagesordnung. Nun kam Einspruch aus dem jüdischen Staat – nicht zum ersten Mal
Diese Klarstellung war notwendig, gerade aus Israel: Premierminister Neftali Bennett ist in seiner Rede zum Holocaust-Gedenktag in Israel Vergleichen zwischen dem Ukraine-Krieg und dem Holocaust entgegengetreten. Auch "grausame" gegenwärtige Ereignisse seien nicht mit der systematischen Ermordung des europäischen Judentums im Zweiten Weltkrieg gleichzusetzen, sagte der Regierungschef bei dem zentralen Gedenkakt des Holocaust-Museums Yad Vashem.
"Der Holocaust ist ein beispielloses Ereignis in der Geschichte der Menschheit", sagte Bennett: "Selbst die schlimmsten Kriege sind heute nicht mit dem Holocaust vergleichbar."
Schon in den vergangenen Tagen und Wochen hatten Bennett und weitere hochrangige Vertreter der israelischen Regierung den Vergleich der russischen Invasion mit dem Völkermord der Nazis durch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zurückgewiesen.
Am Mittwoch dann spielte das Thema am Holocaust-Gedenktag in Yad Vashem eine Rolle. Bei der Rede Bennetts war auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) zugegen, nach Angaben der israelischen Tageszeitung Haaretz die erste hochrangige Vertreterin Deutschlands bei einem solchen Gedenkakt.
Bennett hatte sich schon im März kritisch zu Holocaust-Vergleichen aus der Ukraine geäußert, nachdem Selenskyj sich per Videoübertragung an die Knesset gewandt hatte.
Auch dabei hatte er die russische Invasion mit dem Völkermord der Nazis verglichen. Bei einer folgenden Veranstaltung der israelischen Nachrichtenseite Ynet merkte Bennett dazu an, es sei "verboten, irgendein anderes Geschehen mit dem Holocaust zu vergleichen".
In seiner live übertragenen Rede hatte Selenskyj im März vor israelischen Abgeordneten unter anderem gesagt, auch die russische Führung spreche die "Sprache der 'Endlösung'". Er fügte an: "Hören Sie auf die Worte des Kremls. Sie verwenden die Terminologie der Nazis."
Dies sei vergleichbar mit der Propaganda der "Endlösung der jüdischen Frage, an die Sie sich wohl gut erinnern. Hören Sie nur, was sie jetzt in Moskau sagen. Jetzt werden solche Begriffe wie 'Endlösung' wieder verwendet, aber jetzt richten sie sich gegen uns, gegen die Ukraine. So sprechen sie offen auf offiziellen Seiten und in den Medien."
Neftali Bennett: Holocaust-Vergleich ist unangebracht
Bei der Ynet-Konferenz sagte Bennett, er verstehe, dass Selenskyj als Präsident "um das Überleben seines Landes kämpft". Dennoch halte er den Vergleich des russischen Angriffs mit dem Holocaust für unangebracht.
Auch in Deutschland waren Holocaust-Vergleiche in den vergangenen Wochen wiederholt getätigt worden. Auf Demonstrationen wird Russlands Staatschef Putin gemeinhin mit dem deutschen Diktator Adolf Hitler verglichen. Auch Anklagen eines "Überfalls auf die Ukraine" oder eines "Vernichtungskrieges" übernehmen Termini, die bislang nur im Kontext der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs durch das Hitler-Regime Verwendung gefunden haben.
Selbst wenn die Demonstranten, oft ukrainische Opfer der russischen Invasion, mit dem Holocaust-Verweis ihrer Wut über den russischen Angriff Ausdruck verleihen wollen, haben solchen Vergleiche in anderen Fällen bislang zu empörten und teilweise staatsanwaltschaftlichen Reaktionen geführt.
Schon 2014 hatte der Deutschlandfunk die Entwicklung kritisiert und angemerkt: "Hitlers Menschheitsverbrechen geraten zum Detail, wenn sie zur kleinen Münze im politischen Streit verkommen."
Eine Einordnung der Debatte nahm die Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Union vor, die Slawistin Katharina von Schnurbein. Bei einem Besuch in Israel wies sie die russische Darstellung einer "Entnazifizierung" der Ukraine als inakzeptabel und "gefährlich" zurück.
Die Verwendung des Begriffes "Völkermord" durch die Ukraine zur Beschreibung des Krieges sei aber ebenfalls problematisch. Beides relativiere die jeweiligen Verbrechen.