Israelischer Journalist: Was erwarten wir?

Seite 2: Wie der Westen die Palästina-Frage ignoriert

Was denken Sie über die Problematik, dass die Vereinigten Staaten und andere Länder, wichtige Länder in der Welt, die ungelöste palästinensisch-israelische Frage seit Jahren ignorieren und hoffen, nur mit den Regierungen der Region zu verhandeln, ohne sich mit den zentralen Fragen und Missständen zu befassen? Inwiefern hat das eine Rolle bei den Angriffen der Hamas auf Israel gespielt?

Haggai Matar: Ich denke, dass es sehr viel damit zu tun hat. Es geht dabei um die Werkzeuge, die den Palästinensern für den Widerstand zur Verfügung stehen, und über die "Verhandlungschips", die sie mit an den Verhandlungstisch bringen können. Die Palästinenser hatten nie viel zu bieten.

Im Grunde verlangen sie von Israel zu Recht, dass es das Gebiet der Palästinenser verlässt, um einen unabhängigen Staat gründen zu können. Aber alles, was sie im Gegenzug anbieten können, ist die Abwesenheit von Gewalt, also Frieden.

Sie hatten ein weiteres Druckmittel: Wenn ihr mit uns Frieden schließt, erhaltet ihr als Bonus die gesamte arabische Welt, die gesamte muslimische Welt, die sich, zumindest in der Öffentlichkeit, verpflichtet hat, die Palästinenser zu unterstützen und die Beziehungen zu Israel nicht zu normalisieren.

Seit dem Abraham-Abkommen, für das sich der ehemalige US-Präsident Donald Trump eingesetzt hat – in den Jahren 2020, 2021 –, und jetzt mit dem Normalisierungsabkommen, das US-Präsident Joe Biden mit Saudi-Arabien ausgehandelt hat, sehen die Palästinenser diese letzten Verhandlungschips einfach entschwinden.

Netanjahu hat immer gesagt: "Wir können Frieden mit der arabischen Welt ohne die Palästinenser haben. Wir können einfach über ihre Köpfe hinweg verhandeln."

Die arabischen Regierungen sowie die US-Regierung haben Netanjahu recht gegeben, indem sie die Verhandlungen vermittelt haben. Die Palästinenser sehen also ohne diese Möglichkeiten immer weniger eine Chance, ihre gerechte Sache gegen die israelische Apartheid zu vertreten.

Das rechtfertigt nicht ein Massaker an Hunderten von Menschen in ihren Häusern und die Zerstörung ganzer Gemeinschaften von Zivilisten. Aber gleichzeitig verstehe ich den Kontext, in dem sich die Palästinenser immer verzweifelter fühlen und zu solchen Taten getrieben werden.

Haggai Matar, Sie sind ein Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen beim israelischen Militär. Sie haben sich geweigert, zu dienen. Können Sie über die allgemeine israelische Reaktion im Moment sprechen? Und sind die Israelis besorgt über die totale Blockade und die mögliche Bodeninvasion in Gaza, die übrigens von der Uno als illegal bezeichnet wird?

Haggai Matar: Nein, die Israelis sind ganz und gar nicht besorgt. Es ist wirklich sehr beunruhigend zu sehen, wie sehr man sich über die Belagerung und die Angriffe freut. Wir sehen, wie Menschen, sogar Leute, die mit der Mitte und der Linken verbunden sind, Haaretz-Journalisten zum Beispiel – natürlich nicht alle, aber einige –, sagen, das sei der richtige Zeitpunkt, um dem Gazastreifen großen Schaden zuzufügen. Das sei der richtige Zeitpunkt, um viele Tote in Gaza zu erzielen.

Das ist äußerst beunruhigend und schmerzhaft zu sehen, wie aus einem sehr verständlichen Gefühl der Erschütterung, der Wehrlosigkeit, der Tragödie des Massakers im Süden, Gefühle, die ich selbst teile, die Leute das aufgreifen und es so übersetzen, dass die einzige Antwort Rache bedeutet.

Es ist ein finsterer Spiegel, in den man schaut. Es sind Gräueltaten, die von der Hamas begangen wurden, entstanden aus diesem Gefühl der Wut, der Angst und der Furcht vor israelischen Angriffen. Und jetzt, als Antwort auf diese Gräueltaten, unterstützen die Israelis wieder ihre eigenen Gräueltaten gegen Gaza. Und das scheint eine Sackgasse zu sein, fast buchstäblich, für beiden Seiten.

Das Interview erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Democracy Now. Sie finden das englische Original hier. Übersetzung: David Goeßmann.