Israels Politik und die Thora
Kommentar zur Flüchtlings-Kampagne der Regierung von Benjamin Netanjahu. Update
Update des Verfassers: Das Online-Magazin bento hat den Artikel zur Flüchtlingspolitik der israelischen Regierung, auf den sich mein Kommentar bezieht, inzwischen in Schlagzeile und Text unter folgender Erklärung geändert: "Ursprünglich hatten wir im Beitrag geschrieben, dass die Inspektoren für zwei Monate gesucht werden. Das war ein Übersetzungsfehler - das Jobangebot gilt für zwei Jahre. Außerdem hatten wir den Eindruck erweckt, dass von der Behörde eine Art private Bürgerwehr eingesetzt wird."
Ich möchte mich bei allen Leserinnen und Lesern meines Kommentars dafür entschuldigen, dass ich die entsprechenden Aussagen der ursprünglichen Fassung trotz ihrer Ungeheuerlichkeit nicht professionell gegengeprüft habe. Dies tut mir aufrichtig leid. Meine vorgetragene Grundsatzkritik an flüchtlingspolitischen Positionen von Politikern in Israel wie in Europa bleibt davon unberührt.
Im Online-Magazin bento überschreibt Marco Röhlig einen aktuellen Beitrag mit der Überschrift: "Israel sucht Freiwillige, die Jagd auf Flüchtlinge machen. - Es wird ein Bonus von bis zu 7000 Euro versprochen." Die Informationen dieses Beitrags mag ich kaum glauben. Sie verbreiten Traurigkeit.
Das Judentum ist aus meiner Sicht in der Geschichte die bedeutsamste geistige Bewegung, die der menschlichen Familie ein Verständnis ihrer Einheit eröffnet. Ohne die Einsicht in die Verbundenheit der einen Menschheit, die konstitutiv ist für alle drei "abrahamitischen Religionen" Judentum, Christentum und Islam, wird es wohl kaum gelingen, unserer Spezies auf dem Planeten einen Horizont auf Zukunft hin zu eröffnen.
Der entscheidende Kommentar zur Regierungspolitik von Benjamin Netanjahu, die mit den Grundlagen des israelischen Gemeinwesens nicht vereinbar ist, kommt aus der hebräischen Bibel. Deshalb kann es nicht verwundern, dass laut bento-Bericht hunderte Rabbiner versprochen haben, "Flüchtlinge bei sich zu verstecken, falls die Behörden sie aufgreifen wollen".
Schon in den Fünf Büchern Mose wird die universale Geschwisterlichkeit - jenseits der von Menschen willkürlich gemachten Einteilung in sogenannte "Einheimische" und "Fremde" - als fundamentale Weisung beurkundet. Die Wiederholungen zum unteilbaren Menschenrecht wirken hierbei geradezu penetrant. Es soll offenkundig gewährleistet werden, dass niemand die Weisung der Thora als Nebensache abtun kann oder missversteht:
Und einen Fremdling sollst du nicht bedrängen und ihn nicht bedrücken, denn Fremdlinge seid ihr im Land Ägypten gewesen.
Exodus / 2. Buch Mose 22,20
Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr kennt doch die Seele des Fremden, weil ihr auch Fremde in Ägyptenland gewesen seid.
Exodus / 2. Buch Mose 23,9
Es soll ein und dasselbe Recht unter euch sein für den Fremdling wie für den Einheimischen; ich bin der HERR, euer Gott.
Levitikus / 3. Buch Mose 24,22
Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott.
Levitikus / 3. Buch Mose 19,33f.
Die im Bento-Bericht vorgestellte Kampagne, mit der "Fremde" (Flüchtlinge) unter die Lupe genommen und aufgespürt werden sollen, ist also gewiss nicht jüdisch! Analoge Erscheinungen gibt es in Deutschland im Übermaß.
Man denke nur an jene angeblich "christlichen Politiker" in Bayern oder anderswo, die in der Flüchtlingspolitik das genaue Gegenteil der Vision des Bischofs Franziskus von Rom propagieren und deren hohes "Familienideal" nur da zum Zuge kommt, wo die Anhänger der Wahnidee einer "biodeutschen Heimat" ihren Beifall nicht versagen.
Zu entsprechenden Erscheinungen im anti-weltkirchlichen "Nationalkatholizismus" Polens hat der Dominikanerpater Ludwik Wisniewski soeben eine kraftvolle Streitschrift veröffentlicht.