Ist Fleisch das neue Gemüse?
Seite 2: Kann eine Handvoll Nüsse das Leben verlängern?
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John Ioannidis von der Stanford University übte 2018 Kritik an der Ernährungsforschung und forderte Reformen ein. Zwar könnte ein erheblicher Mangel an wichtigen Nährstoffen (z. B. Vitaminen), aber auch extremer Überkonsum von Lebensmitteln und Fettleibigkeit durch übermäßige Kalorien das Sterblichkeitsrisiko erhöhen, räumte der renommierte Gesundheitswissenschaftler ein.
Es stelle sich allerdings die Frage, ob kleine Mengenunterschiede bestimmter Nährstoffe, Nahrungsmittel oder Ernährungsmustern mit ähnlichen Kalorien das Überleben beeinflussen können.
Auch über die Frage, ab welcher Menge Salzkonsum das Risiko für Herzkreislaufleiden steigt, sind sich Wissenschaftler uneins. Die Entscheidung zu rauchen oder nicht zu rauchen habe für den Einzelnen eine wesentlich größere gesundheitliche Bedeutung.
Hinweise darüber, das das Risiko für Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch den Konsum von zu viel rotem Fleisch erhöht ist, seien nicht ausreichend, befanden die Autoren einer wissenschaftlichen Erklärungen von 2019.
Es brauche mehr und andere Forschung, um Ursache und Wirkung wirklich genau zu verstehen, erklärt der Ernährungsexperte Martin Smollich in der ZEIT.
Nach dem Unterschied von dreimal wöchentlich weniger Fleisch essen zu suchen, sei ähnlich aussagekräftig, wie die Untersuchung, ob ein Kettenraucher sein Krebsrisiko senken kann, wenn er drei Zigaretten pro Tag weniger raucht.
Was also fehlt, sind Studien, die auch andere Aspekte einbeziehen. Zum Beispiel: Wie wirkt sich vegane bzw. vegetarische Ernährung auf die Gesundheit aus? Erste Ansätze gibt es. 2017 stellten Forscher bei vegetarisch lebende Menschen einen geringeren Body-Mass-Index (BMI) fest.
Gleichzeitig wiesen sie bei Vegetariern geringere LDL- und HDL-Cholesterinwerte, Glukose-Gehalte im Blut sowie weniger Triglyceride nach.
Klimaschonend: Pflanzliche Ernährung und Weidehaltung
Der Zusammenhang zwischen fleischloser Ernährung und gesundheitlichen Effekten ließe sich mit Verweis auf die unzureichende Datenlage vielleicht noch abstreiten. Unbestritten hingegen sind die Effekte auf Umwelt und Klima. Eine Studie der University of Oxford errechnete 2016, dass die klimaschädlichen Emissionen bis zu 70 Prozent reduziert werden könnten, würden alle Menschen weltweit sich rein vegetarisch ernähren. Auch die Sterblichkeit könnte sich durch geringeren Fleischkonsum bis zum Jahre 2050 um sechs bis zehn Prozent verringern.
Ob Methan rülpsende Rinder, gerodete Urwälder, die den Soja-Plantagen weichen müssen, Monokulturen auf deutschen Äckern oder Wasserverbrauch in der Rindfleischproduktion - alle Hinweise sprechen für eine fleischarme Ernährung, wollen wir einen Planeten bewahren, auf dem es sich zu leben lohnt.
Auch die Frage, ob Tiere einen Anspruch auf unveräußerliche Grundrechte haben, wie sie etwa von Tierrechtsorganisationen wie Animal Rights Watch eingefordert werden, ist lange nicht abschließend geklärt, nur weil sich Fleisch essende Menschen die Erde untertan gemacht haben.
Wie lässt sich das Kaufverhalten hin zu weniger Fleisch beeinflussen? In einer Analyse von 2020 überprüfte Greenpeace drei mögliche Instrumente - Anpassung der Mehrwertsteuer, emissionsabhängige Steuer und Tierwohlabgabe _ auf Umsetzbarkeit, Effizienz sowie Gesundheits- und Umwelteffekte.
Eine emissionsabhängige Steuer dient am besten der Klimagerechtigkeit, hätte aber kaum Einfluss auf das Tierwohl. Mit einer Tierwohlabgabe ließen sich die Produktionsbedingungen sehr wohl ändern. An die Bedingung gekoppelt, auf gleicher Fläche weniger Tiere zu halten, hätte sie auch positive Umwelteffekte.
Tierhaltung ist Bestandteil unserer kulturellen Entwicklung. Ihre Produkte sind aus der Ernährung der meisten Menschen nicht wegzudenken. Und dennoch müssen wir diese radikal ändern, wollen wir künftigen Generationen ein Leben auf der Erde ermöglichen. Das beginnt mit der Haltung der Nutztiere, die aus einstreulosen Intensivställen herausgeholt und auf die Weide entlassen werden wollen. Nachhaltige Beweidung ist nicht nur eine erträglichere Daseinsform für die Tiere. Beweidetes Grünland birgt auch ein enormes Klimaschutzpotenzial
Natürlich können wir dann nicht mehr so viel Fleisch essen wie vorher. Doch die globalen Entwicklungen - zunehmende Brandrodungen, Mangel an fruchtbaren Böden usw. - deuten längst darauf hin, dass der Konsum von tierischen Produkten ohnehin bald stark reduziert wird. Schneller als uns lieb ist, könnte eine fleischarme Ernährung zur neuen Normalität werden. Susanne Aigner
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