Ist Laras Mutter doch nicht tot?
Unser femininer Cyber-Star in altbewährter Topform: "Tomb Raider: Underworld"
Sexy, sexy, sexy! Bruce Darnell würde „Tomb Raider: Underworld“ (PC, div. Konsolen) lieben. Aber er würde sich auch tierisch Sorgen um Lara Croft machen, begibt sich die brünette Heldin doch wieder mal selbst in Gefahr.
Alles beginnt mit einem mächtigen Knall. Genauer: mit einer Explosion, die ein Gebäude in Flammen setzt. Es ist das Anwesen der Familie Croft, in dessen Gänge nun Lara ums Überleben kämpft, denn alles um sie herum brennt lichterloh, sodass Decken und Böden in sich zusammenfallen. Für den Spieler ist die spannende Exposition zugleich das Tutorial, innerhalb weniger Minuten soll er die Steuerung verinnerlichen – was auch außerordentlich einfach funktioniert. Dann aber plötzlich schießt Zip auf Lara. Ihr Butler will Laras Assistenten davon abhalten, aber Zip sagt ihm, er wisse schon, was er tue. Und Schnitt!
Erklärungen, wieso ausgerechnet ein Vertrauter Lara ins Jenseits pusten will, gibt es zunächst keine. Stattdessen erblicken wir Lara im knappen Taucheranzug an Bord eines Kleinbootes, eine Woche vor dem Brand. „Sexy, sexy, sexy!”, würde Bruce Darnells Kommentar zum Outfit der Heldin lauten. Doch sobald sie in die Tiefe des Ozeans abtaucht, macht sich der Casting-Juror womöglich eher Gedanken um ihr Wohlsein als um ihr Auftreten. Schließlich ist Lara auf Expedition im Mittelmeer, auf der Suche nach der Unterwelt Avalon, wo sich ihre Mutter aufhalten soll. Was dran ist an der Sache, das ist allerdings fraglich. Denn als Lara noch ein Kind war, verlor sie ihre Mutter bei einem mysteriösen Unfall.
Doch wie das nun einmal so ist, erscheinen auch andere längst todgeglaubte Figuren erneut auf der Bühne des Geschehens. Eine unter ihnen ist die seit dem „Tomb Raider“-Debüt (1996) bekannte Jacqueline Natla, sozusagen die Ur-Gegnerin Laras. Bis sie die Göttin von Atlantis wieder sieht, entdeckt Lara aber zunächst eine kleine Unterwasserwelt. Avalon ist es zwar nicht, aber immerhin Niflheim, das nordische Äquivalent Avalons. Bis sie das herausfindet, muss Lara ein Weilchen tauchen und einen Weg finden, das Tor zu öffnen. Bald kann sie aber ganz normal herumlaufen und die Gegend kletternd erkundschaften. Währenddessen muss sie an einem riesigen Oktopus vorbei – eine Situation, bei der der gute Bruce bestimmt unter den Tisch krabbeln würde.
Wer sich vorab im Internet Screenshots und Trailer angeschaut hat, der wird feststellen, dass man in den ersten drei Stunden weder schießen noch auf irgendeine andere Weise kämpfen muss. Den wenigen Haien, die am Meeresboden herumschwimmen, kann man leicht aus dem Weg gehen, und mit dem Kraken, der einem gleich bei der ersten Begegnung aufbrausend guten Tag sagt, sollte man sich eh nicht anlegen. Um den Kraken zu besiegen, hilft nämlich sowieso nichts anderes als Überlegen. Vielmehr muss die Heldin Mechanismen in Bewegung bringen, also größere Kräfte zu ihrem Vorteil ausnutzen. Das ist ja charakteristisch für die Reihe. Spannend ist es trotzdem, denn Lara kommt dem Oktopus zuweilen sehr nah.
Keine Action also? Wie gesagt, im ersten Kapitel nicht. Erst daraufhin greift Lara zu den Schießeisen, haben ihr so ein paar bewaffnete Typen doch ein magisches Handamulett abgenommen, das sie wenige Minuten nach dem Tod des Kraken gefunden hat. Daraufhin wurde Lara bewusstlos geschlagen, und den Weg zum Ausgang haben ihr die Kerle versperrt. Hat sie eine alternative Strecke gefunden und ist wieder auf ihrem Boot, macht sie sogleich Jagd auf die Bösewichte – im Stil von James Bond. Am Ende der Ballerei trifft Lara auf Natla und erfährt so Neues von ihrer Mutter. Ob Natla die Wahrheit über deren Existenz sagt, das bleibt allerdings offen. An sich fallen nicht viele Worte über die Geschichte. Was die Story indes so interessant macht, sind die Bezüge zu den vorherigen Teilen, insbesondere zum Vorgänger „Legend“ (2006). Kein Wunder, hieß der Arbeitstitel von „Underworld“ doch eh „Legend II“.
Dass Bruce Darnell an Laras neuem Abenteuer Gefallen finden würde, ist gar nicht so abwegig. Seien es noch so tiefe Schluchten, die die hübsche Protagonistin zu überwinden hat, stets balanciert sie einem Model gleich über schmale Holzstämme oder schwingt sich wie eine Grazie von Rohr zu Rohr oder hüpft mit innerer Balance von Stein zu Stein. Alles in allem nichts Neues für Kenner, doch das Game ist mit sagenhafter Grafik und cineastischem Soundtrack inszeniert worden. Alles andere wäre auch undenkbar. „Tomb Raider“ ist ja ohnehin einer der wichtigsten Blockbuster innerhalb der Branche. Mehr muss man dazu wohl nicht sagen, es sei denn Bruce zockt mal selbst: Sexy, sexy, sexy!