Ist das Prinzip Just-in-Time am Ende?
Just-in-Time hat Lieferketten revolutioniert und den ganzen Fertigungsprozess verschlankt. Ursprünglich vor dem Hintergrund der japanischen Zulieferer-Infrastruktur entwickelt und dann globalisiert. Heute zeigen sich erste Risse
Die Just-in-Time-Produktion (JIT) wurde 1970 von Toyota in Japan entwickelt und hat sich im Laufe der Zeit auf die Minimierung von Verschwendung durch das Vermeiden von Teilefertigung, die nicht unmittelbar in ein fertiges verkäufliches Endprodukt einfließt.
Grundbedingung für eine erfolgreiche Implementierung von JIT, welches hauptsächlich in der Automobilindustrie zur Anwendung kam, ist eine konstante und zuverlässige Belieferung, was in der Praxis vielfach dazu geführt hat, dass sich die Zulieferer in unmittelbarer Nähe des Endfertigers ansiedelten, um Zeitverzögerungen durch Staus auf den Straßen zu vermeiden.
Da eine Just-in-Time-Logistik von der konstanten und zuverlässigen Belieferung abhängig ist, bringen Störungen wie die coronabedingten chinesischen Lockdowns, ein blockierter Suez-Kanal, ein Stau vor den deutschen Seehäfen oder die Sanktionen und Zerstörungen aufgrund des Kriegs in der Ukraine massive Turbulenzen in die Lieferketten.
Bei Unternehmen, die auf bestimmte Komponenten angewiesen sind, muss inzwischen vielfach entweder die Produktion gestoppt werden oder man muss halbfertige Produkte aus der Produktion nehmen, einlagern und später von Hand nachbestücken, wenn die fehlenden Chips oder ein entsprechendes Ersatzprodukt verfügbar ist.
Um schnell an die benötigten Bauteile zu kommen, gibt es inzwischen spezielle digitale Marktplätze, die eine Design-to-Source Intelligence (DSI) bieten, wie das im vergangenen Jahr von Siemens übernommene US-Unternehmen Supplyframe aus Pasadena, das sich als Plattform für globale Wertschöpfungsketten von elektronischen Komponenten sieht.
Mit den digitalen Marktplätzen will man Kunden helfen, ihre Kosten zu vermindern, ihre Flexibilität und Geschwindigkeit zu erhöhen. Die verfügbaren Daten beinhalten kontinuierlich aktualisierte Quartalsprognosen und geben einen Überblick über die Marktdynamiken in der Elektronikindustrie wie zum Beispiel über Preisgestaltung, Vorlaufzeiten oder die Nachfrage nach Komponenten.
Für 2022 zeigt sich, dass die Rohstoffengpässe weiter anhalten und teilweise bis 2023 dauern werden. Da verwundert es wenig, dass viele Rohstofflieferanten weiterhin auf Preiserhöhungen setzen, wobei als Grund meist erhöhte Logistikkosten angeführt werden. Grundsätzlich zeigt sich, dass sich die Lieferzeiten verlängern und die Fertigung der meisten Unternehmen aufgrund der hohen Verbrauchernachfrage voll ausgelastet sind, wenn sie die benötigten Komponenten wie Chips beschaffen können.
Nach Aussage von Supplyframe steigen die Vorlaufzeiten für elektronische Komponenten um 70 Prozent. Bei komplexen Halbleitern, Frequenzsteuerungsgeräten, analogen Bauteilen und elektrischen Widerständen werden für das gesamte Jahr 2022 und bis ins Jahr 2023 hinein erhebliche Lieferengpässe und Preiserhöhungen erwartet.
Die mit der Just-in-Time-Logistik ursprünglich verknüpfte Reduzierung des Lagerhaltungsaufwands, was landläufig oft damit beschrieben wurde, dass die Firmen ihr Lager auf die Straße verlagert hätten, verkehrt sich in das Gegenteil, wenn die kontinuierliche Belieferung unterbrochen und/oder signifikant teurer wird.
Vorhandene eigene Zwischenlager oder solche bei Distributoren und Großhändlern können in der aktuellen Situation durchaus hilfreich sein, weil sie die auf der Fernstrecke auftretenden Lieferprobleme mit dem vorhandenen Puffer ausgleichen können und der Kunde die aufgetretenen Nachschubproblem gar nicht mitbekommt.
Das kommende Recht auf Reparatur und die kurzfristige Lieferbarkeit von Ersatzteilen
Mit dem inzwischen neben zahlreichen nationalen Initiativen auch vom EU-Parlament geforderten Recht auf Reparatur kommt der schnellen Ersatzteilversorgung über eine erwartete Gerätelebensdauer von bis zu zehn Jahren eine neue Bedeutung zu.
Da einerseits Bauteile meist nicht über zehn Jahre produziert werden und anderseits die Lieferanten der Geräte verpflichtet werden sollen, die benötigten Ersatzteile binnen 14 Tagen zu liefern, kommen auf die Lieferketten ziemlich heftige neue Anforderung zu.
Laut einer Eurobarometer-Umfrage würden 77 Prozent der Verbraucher in der EU ihre Waren lieber reparieren oder reparieren lassen, als neue zu kaufen. Aufgrund der üblicherweise hohen Reparaturkosten und dem meist mangelnden Service müssen sie aber letztendlich ihre Geräte entsorgen und durch neue ersetzen.
Ein Recht auf Reparatur sieht die EU als wichtigen Schritt für den Plan, bis 2050 eine Kreislaufwirtschaft zu verwirklichen. Diese ist Teil des europäischen Grünen Deals, dem Fahrplan der EU, der bis 2050 ermöglichen soll, klimaneutral zu werden.
Eine Reparatur elektronischer Geräte wäre gut für die Umwelt, da sie zu einem geringeren Ressourcenverbrauch, weniger Treibhausgasemissionen und weniger Energieverbrauch führen würde. Zudem ist es für die Gerätereparatur notwendig, dass sie nahe am Verbraucher erfolgt. Dadurch werden neue Arbeitsplätze in Europa geschaffen.
Die Maßnahmen, welche im EU-Parlament im Zusammenhang mit dem Recht auf Reparatur diskutiert werden, sind:
• "Reparaturen sollten für Verbraucher attraktiver gemacht werden, zum Beispiel durch Prämien für die Reparatur eines defekten Geräts oder den Erhalt eines Ersatzgeräts für die Dauer der Reparatur
• Hersteller sollten verpflichtet werden, kostenlosen Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen zu gewähren und Software-Updates für einen Mindestzeitraum zu garantieren
• Geräte sollten haltbarer und leichter zu reparieren sein und abnehmbare und austauschbare Teile enthalten
• Verbraucher sollten mehr und bessere Informationen über die Reparaturfähigkeit von Geräten erhalten
• Garantiezeiträume sollten verlängert werden."