Ist die CIA bescheuert?
Der Geheimdienst des Imperiums hat sich diesmal auch auf der kulturell-historischen Ebene entblößt
Seit rund vier Jahrzehnten beeinflusst die CIA das Geschehen in Afghanistan. Das ist mittlerweile alles andere als ein Geheimnis. In all den Jahren hat der Geheimdienst alle möglichen Daten über das Land und dessen Bevölkerung gesammelt und ist bestens über die Situation vor Ort informiert - so meint man es zumindest.
Das berühmte CIA Factbook gehört weiterhin zu den meist zitierten Quellen. Dass man die Daten der CIA allerdings stets mit höchster Vorsicht genießen sollte, hat der Geheimdienst selbst vor wenigen Tagen auf Twitter deutlich gemacht - und zwar in einer ziemlich peinlichen Art und Weise.
"Dari is the language commonly spoken by the tribes of northern Afghanistan. This chart is used to communicate basic words and phrases in written and spoken phonetic Dari by speaking or pointing to the words printed on the chart", hieß es seitens der CIA am 19. Mai - übersetzt: "Dari ist die von den Stämmen im Norden Afghanistans allgemein gesprochene Sprache. Dieses Diagramm wird verwendet, um grundlegende Wörter und Ausdrücke im geschriebenen und gesprochenen phonetischen Dari zu vermitteln, indem man die auf dem Diagramm gedruckten Wörter spricht oder auf sie zeigt."
Dazu wurde auch eine Vokabelliste geteilt. Doch worum geht es hier eigentlich?
Dari, jenes Farsi, das von den Afghanen gesprochen wird, gehört neben Paschto zu den zwei offiziellen Amtssprachen Afghanistans. Die Geschichte des Dari ist lang, tiefgehend und betrifft mehrere Länder in der Region. Lange galt diese Form des Persischen auch als "Hofsprache". Dies war nicht nur im heutigen Afghanistan der Fall, sondern etwa auch im Mogulreich und anderswo.
Seit 1964 wird das afghanische Persisch offiziell "Dari" genannt, was bis heute für einige Kontroversen sorgt. Die meisten Persisch sprechenden Menschen des Landes nennen ihre Muttersprache nämlich einfach "Farsi" und manche von ihnen sind der Meinung, dass ihnen der Begriff "Dari", der einst eher poetisch-literarisch benutzt wurde, von den herrschenden Paschtunen aufgezwungen wurde, um sie kulturell und sprachlich von den iranischen und tadschikischen Nachbarn zu distanzieren.
Ein Indiz hierfür ist etwa die Tatsache, dass sowohl in Dari als auch in Paschto afghanische Persischsprachler seit Jahrhunderten als "Farsizaban" oder "Farsiwan" bezeichnet werden. In diesem Kontext gab es auch eine umfassende Debatte aufgrund der Namensänderung des britischen BBC Dari. Darüber lässt sich gewiss viel streiten, doch in der aktuellen Debatte rund um die CIA spielt all dies keine Rolle.
Denn allem Anschein nach weiß die CIA gar nichts über Sprache, Geschichte und Kultur Afghanistans. Laut dem Geheimdienst wird die Sprache von "Stämmen in Nordafghanistan" gesprochen. Dies ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Dari ist, wie bereits erwähnt, vor allem eine Hof- und Amtssprache gewesen, die vom höchsten "Adel", vor allem auch von den paschtunischen Königen des Landes, gesprochen und im Laufe der Zeit vollständig adaptiert wurde.
Dies hat auch dazu geführt, dass Dari zu einer urbanen Sprache wurde. Viele Afghanen, vor allem auch Paschtunen, die ihr ländliches Umfeld verließen und in Städte wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif zogen, wurden über die Jahrzehnte zu Persischsprachlern. Laut der CIA ist Dari eine Stammessprache, die lediglich in einer bestimmten Region des Landes gesprochen wird. Fakt ist allerdings, dass die Sprache im ganzen Land verbreitet ist und deshalb oftmals als lingua franca betrachtet wird, da sie ausnahmslos von allen Ethnien gesprochen wird.
Im Anschluss auf den Tweet hat die CIA zu Recht einen kleinen Shitstorm erlebt. Der Geheimdienst des Imperiums hat sich diesmal nämlich auch auf der kulturell-historischen Ebene entblößt. Viele Menschen stellen regelmäßig die Expertise der CIA und anderer westlicher Geheimdienste in Frage - und genau das sollte man auch tun, wenn diese mit einem derartigen Unwissen prahlen.
Immerhin geht es hier um Afghanistan, einem Land, in dem Washington und sein Geheimdienst Krieg führen und "policy shapen". Umso weniger darf man sich über blamable Hollywood-Kriegsfilme wundern, die sich von CIA und Co. beraten lassen, während Statisten Urdu oder Persisch statt Pashto oder Arabisch sprechen.