Ist die Demokratie in der Corona-Krise nur in Ungarn und Polen bedroht?

Seite 2: EU profitiert durchaus von rechtsautoritärer Orban-Politik

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dass Orban in Ungarn jetzt auch unbegrenzt mit Dekreten regieren kann, ändert die Situation in dem Land kaum, weil er auch bisher schon eine Zweidrittelmehrheit hatte und durchregieren konnte.

Davon profitieren nicht nur die Rechtsparteien in der EU, für die Orban ein Vorbild ist, weil er es anders als die Haiders, Straches und Salvinis bisher verstanden hat, länger als ein paar Monate an der Regierung zu bleiben.

Die Europäische Volkspartei, in der auch die Unionsparteien Mitglied sind, hat ein spannungsvolles Verhältnis zu Orban. Es gibt immer mal Zoff und Ausschlussdrohungen, aber zu einem endgültigen Bruch wollen es beide Seiten nicht kommen lassen. Zudem haben sich auch EU-Politiker, die sich über den autoritären Kurs der Orban-Regierung öffentlich echauffieren, positiv geäußert, weil er 2015 die EU-Grenze gegen Migranten geschlossen hat und eine rigide Abgrenzungspolitik betreibt.

Dass Flüchtlingshelfer in Ungarn zu drakonischen Haftstrafen verurteilt wurden, sorgte denn auch nicht in den EU-Gremien, sondern nur bei kleinen zivilgesellschaftlichen Initiativen für Kritik.

Auch deutsche Konzerne sind zufrieden mit der rechtsautoritären Orban-Politik. Bosch und BMW haben erst vor Kurzem dort neue Filialen gegründet. Schließlich ist der Preis der Arbeitskraft sehr niedrig, dafür sorgen neben der autoritären Innenpolitik auch die kapitalfreundlichen Wirtschafts- und Sozialgesetze.

Die wurden auch von den EU-Politiker nicht kritisiert, die auf eine wirtschaftsliberale Opposition zu Orban setzen, die ebenfalls an der kapitalistischen Ausbeutung nichts auszusetzen hat. Sowohl die ungarischen als auch die polnischen Rechtskonservativen unterstützen überdies den von Deutschland angeführten Block der EU-Staaten, die in der Corona-Krise keinerlei Zugeständnisse bei den von EU-Südstaaten geforderten Eurobonds machen wollen.

Wenn jetzt sogar italienische Politiker in ganzseitigen Anzeigen in deutschen Zeitungen vor der Gefahr eines Scheiterns der EU warnen, wird die Erzählung von den europäischen Werten doch relativiert. Sie sind vor allem Spielgeld bei der Durchsetzung unterschiedlicher Ziele von kapitalistischen Nationalstaaten innerhalb der EU.

Eine transnationale Bewegung, der es wirklich um soziale und demokratische Reformen geht, könnte nur gegen sämtliche dieser Staaten und Blöcke erfolgreich sein und sollte sich im Kampf zwischen EU-Gremien und Ungarn auf keine Seite stellen.