Ist endlich das "Coming out" von Ernie und Bert fällig?

HIV-positive Figur im südafrikanischen Ableger der beliebten Kinderserie

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Die Moral steht am Marterpfahl. Nicht genug, dass sogenannte C-Parteien heutzutage bereits mit gschlamperten Verhältnissen unverheirateter Mütter in höchst durchsichtiger Weise auf Stimmenfang in der Neuen Mitte gehen, oder dass sich dat jemütliche Nordrhein-Westfalen mehr und mehr als Bananenrepublik (besser: Müllrepublik) mit ziemlich strengem Stallgeruch entpuppt. Nein, jetzt gerät auch noch die gute alte, saubere Sesamstraße, die seit 1973 deutsche Kinder und junggebliebene Erwachsene erfreut, nach dem Osama-Skandal (Vgl.Osamas Marionette) erneut auf schlüpfriges Terrain.

Auch dies kann als unmittelbare Folge des Werteverfalls gewertet werden, denn: Wichtige Erziehungsaufgaben muss wieder einmal der Fernseher von den Eltern übernehmen. Schauplatz ist das sympathische Ländchen Südafrika, das, wir erinnern uns, dem Weltenlenker Kaiser Franz mit tatkräftiger Entwicklungshilfe des berühmt-berüchtigten Finsterlings Sepp Blatter (Präsident der MAFI[F]A) beinahe die Fußball-WM 2006 weggeschnappt hätte. Zum Trost kriegen die Bürger des ehemaligen Apartheid-Staates in Kürze vorab und erst einmal exklusiv eine kulturelle TV-Revolution zu sehen: Die erste HIV-positive Puppe in der Sesame Street, die in Südafrika Takalani Sesame heißt und seit Juli 2000 mit Unterstützung durch Sesame Workshop und die Hilfsorganisation USAID bei der South African Broadcasting Corporation läuft.

Auf der 14. Welt-AIDS-Konferenz in Barcelona stellte der Vizedirektor der Sesamstraßen-Organisation Joel Schneider am 6. Juli den sensationellen Plan vor, ab 30. September 2002 eine diesbezügliche neue Figur in der Serie einzuführen. Der ernste Hintergrund dieses Knallers: Nach Schätzungen sind mehr als ein Drittel der Frauen im gebärfähigen Alter in manchen Landesteilen des Kapstaats schon mit dem meist tödlichen Virus infiziert. Mehr als elf Prozent der Bürger insgesamt gelten als HIV-positiv. Und etwa vier von zehn Todesfällen bei erwachsenen Südafrikanern sind auf AIDS zurückzuführen.

Da ist mehr Sexualaufklärung schon im zartesten Alter einfach dringend geboten und der Eifer Blatters auch verständlich: Bald könnte es nämlich nicht mehr genügend Südafrikaner geben, die eine WM im eigenen Land goutieren (und für Blatter stimmen) könnten, wenn die Lustseuche nicht eingedämmt wird.

Wie die Puppe genau aussehen und heißen wird, ist noch nicht festgelegt, sicher ist bislang nur, dass sie weiblichen Geschlechts sein soll. Joel Schneider sagt, dass die HIV-positive Figur nicht als Außenseiter konzipiert sein wird, sie soll als (im besten Sinne) positives Role Model selbstbewusst und gleichberechtigt mit Kermit, Miss Piggy und dem Krümelmonster umgehen. Sexuelle Praktiken sollen allerdings dem Zielgruppenalter zwischen ca. drei bis sieben Jahren entsprechend kein explizites Thema sein, statt dessen beispielsweise die Frage, wie vorsichtig man mit blutenden Wunden umgehen muss. "Takalani Sesame" ist nicht die erste TV-Jugendsendung in Südafrika, die sich mit behutsamer AIDS-Aufklärung befasst. Es gibt bereits Red Ribbon. über ein infiziertes schwarzes Mädchen namens Pinky, das mit seiner Mutter in Soweto lebt. Vermutlich wird die neue Sesamstraßenfigur nach den Worten Schneiders dann unter anderem auch bald in der ARD zu sehen sein.

Man darf jedenfalls gespannt sein, ob die tägliche Konfrontation mit einer HIV-positiven Bekannten die legendären Männerfreunde Ernie und Bert endlich mal zum längst überfälligen Coming Out bewegen wird, wie der US-Skandalfilm "Ernest and Bertram" eindrucksvoll unterstrichen hat. Nicht verkehrt wäre es wohl auch, zusätzlich eine Pharmakonzern-Manager-Figur einzuführen, die der kranken Puppe ihre AIDS-Medikamente zu einem für Arme bezahlbaren Preis immer wieder verweigert. Da damit nicht zu rechnen ist, sollten die südafrikanischen Kinder am besten die Schlafzimmer ihrer Eltern stürmen, sie zum Koitus Interruptus zwingen und die Serie mit ihnen anschauen.