Italien: Flinke Behebung der Regierungskrise

Palazzo Chigi, Amtssitz des Ministerpräsidenten. Foto: Geobia / CC BY-SA 3.0

Die neue Regierung von Ministerpräsident Paolo Gentiloni muss wegen der Bankenkrise schnell handeln. Die Opposition fordert Neuwahlen

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Die italienische Regierungskrise neigt sich ihrem Ende entgegen, denn Staatspräsident Sergio Mattarella hat den Sozialdemokraten und Außenminister der ehemaligen Renzi-Regierung, Paolo Gentiloni, mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.

Manchmal können die Italiener unverhofft schnell agieren und reagieren. Erst am letzten Wochenende war das Verfassungsreferendum gescheitert, woraufhin Matteo Renzi sein Amt niedergelegt hatte. Nach den obligatorischen Konsultationsgesprächen hat Mattarella gestern durch seinen Generalsekretär Ugo Zampetti, den Namen des neuen Ministerpräsidenten verkündet: "Der Präsident der Republik hat heute Morgen im Quirinalspalast Paolo Gentiloni empfangen und hat ihm den Auftrag gegeben, eine neue Regierung zu bilden. Gentiloni hat unter Vorbehalt zugestimmt."

Mehrheit in den Kammern garantiert

Das mit dem Vorbehalt ist Routinesache, denn die Liste der Minister der neuen Regierung muss noch beschlossen und dem Staatspräsidenten überreicht werden. Nach den Konsultationen wird Gentiloni im Quirinalspalast vor dem Staatsoberhaupt seinen Amtseid ablegen und dann seine neue Regierungsmannschaft vorstellen, die das Vertrauen beider Kammern erhalten muss, deren mehrheitliche Zustimmung allerdings bereits garantiert ist.

Gentiloni wünschte eine schnelle Regierungsbildung und möchte bereits am 15. Dezember als vollberechtigter Premierminister am Europäischen Rat in Brüssel zugegen sein.

Mir ist bewusst, wie dringend es ist, Italien eine voll handlungsfähige Regierung zu verschaffen, um unsere Mitbürger zu beruhigen und um mit größtem Engagement und mit größter Bestimmtheit die drängenden Herausforderungen anzugehen - auf internationaler, wirtschaftlicher und sozialer Ebene, angefangen mit dem Wiederaufbau der vom Erdbeben betroffen Gebiete.

Paolo Gentiloni

Viele Minister werden wahrscheinlich wiederbestätigt werden. Das Außenministerium wird voraussichtlich entweder von Piero Fassino oder vom ehemaligen Innenminister Angelino Alfano übernommen werden. Was das Ministerium für Verfassungsreformen betrifft, so ist noch nichts entschieden worden, denn Maria Elena Boschi, Renzis freimaurerische Unterstützerin, könnte das Ministerium verlassen und nur das Resort für parlamentarische Beziehungen und Chancengleichheit behalten oder im Palazzo Chigi Staatssekretärin werden.

Die Bankenkrise

Pier Carlo Padoan wird wahrscheinlich Finanzminister bleiben, da er als der beste Kenner der wirtschaftlichen Lage gilt; womit wir bei der Bankenkrise, bzw. der Krisenbank, dem Monte dei Paschi di Siena, wären. Die älteste Bank der Welt sucht gerade händeringend nach Kapital (siehe Die italienische Bombe tickt lauter) und hat bei der EZB um eine Fristenverlängerung bis Mitte Januar angefragt. Jetzt muss die italienische Regierung natürlich schnell handeln.

Das war wahrscheinlich ein weiterer Grund für die flinke Behebung der Regierungskrise. Renzi wollte die Bank mit Steuergeldern retten, um das Bail-In (also die Rettung über die Gläubiger) zu vermeiden, das die vielen Kleinanleger natürlich mehr als erzürnt hätte. Letzte Woche trafen sich noch Marco Morelli des Monte dei Paschi di Siena, Pier Carlo Padoan und Vertreter der Banken JPMorgan und Mediobanca. Das MPS-Problem ist zur Zeit allerdings noch nicht gelöst.

Fast alle Parteien fordern Neuwahlen

Die Opposition zeigt sich verstockt, möchte sich allerdings jedweder Mitverantwortung entziehen und hat auch bereits Demonstrationen angekündigt. So haben die Lega Nord und die 5 Sterne Bewegung beschlossen, am Reigen der Ministerwahl nicht teilzunehmen. Auch wird diese Regierung voraussichtlich sehr kurzlebig sein, denn fast alle Parteien fordern Neuwahlen.

"Gentiloni ist nur ein Strohmann, er hält den Stuhl für Renzi warm", sagte Luigi Di Maio der 5 Sterne Bewegung. Giulia Grillo, ebenfalls aus den Reihen der 5 Sterne Bewegung wetterte: "Sicherlich wird die 5 Sterne Bewegung bei einer neuen Regierung, die ein Abklatsch der Regierung von Matteo Renzi ist, nicht tatenlos zuschauen."

"Wir erkennen Gentiloni und seiner Regierung jede Legitimität ab", behauptete Parteichef der Lega Nord Matteo Salvini.

Giorgia Meloni von der Mitte-Rechts-Bewegung Fratelli d’Italia beteuerte: "Wir müssen über die Verantwortung sprechen, die der Partito Democratico hat. Mit der Ernennung von Gentiloni wird alles verändert, damit am Ende alles gleich bleibt. Renzi installiert im Palazzo Chigi seine Marionette."

Die Gelegenheit für Renzis Rückkehr?

Diese Regierung wird ohne Zweifel dazu gezwungen sein, sich innerhalb der bereits konstituierten Mehrheit zu bewegen und viele vermuten, dass Matteo Renzi bei den nächsten Wahlen, denen allerdings eine Ӓnderung des Wahlgesetzes vorangehen muss, wieder kandidieren wird.

Weil mit Gentiloni ein Parteifreund und enger Vertrauter Matteo Renzis ernannt worden ist, ist dieses Szenario wirklich sehr wahrscheinlich. Hatte das Volk im Referendum nicht klar und deutlich NO! gesagt? Nicht nur NO! zur Verfassungsänderung, sondern NO! zur gesamten politischen Lage, zu Renzi und auch zu seiner Regierung? Und nun soll er in absehbarer Zeit über den Hintereingang wieder zum Protagonisten der italienischen Politik werden?