Italien: Mattarella vereidigt doch noch Regierung aus Lega und M5S
Der Euro- und Deutschlandkritiker Paolo Savona wird nun nicht Finanz-, sondern Europaminister
Nachdem nicht einmal die Sozialdemokraten ein "Expertenkabinett" des ehemaligen IWF-Direktors Carlo Cotarelli stützen wollten und Sergio Mattarella durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Lega und M5S bei Neuwahlen die Abwahl drohte, akzeptierte der italienische Staatspräsident heute um 16 Uhr doch noch ein Kabinett mit dem Euro- und Deutschlandkritiker Paolo Savona, der nun allerdings nicht Finanz-, sondern Europaminister wurde.
Die Zustimmung des Parlaments gilt aufgrund der Mehrheiten von Lega Nord und M5S in beiden Kammern als Formsache. Zudem hat auch der Alleanza-Nazionale-Nachfolger Fratelli d'Italia eine Duldung der neuen Regierung angekündigt.
Salvini wird Innenminister, Di Maio Arbeitsminister
Ministerpräsident wird - wie ursprünglich vorgesehen - der Florentiner Rechtswissenschaftler Giuseppe Conte. Das Innenministerium geht an den Lega-Chef Matteo Salvini, der dort die illegale Migration eindämmen und die Zahl der Ausschaffungen nach österreichischem Vorbild deutlich steigern will. Gestern gab er bekannt, dass er Conte dazu aufgefordert hat, im Staatshaushalt für die Unterbringung von Migranten vorgesehene Gelder zugunsten von Repatriierungsmaßnahmen umzuschichten, betonte aber gleichzeitig, für "gute Leute" blieben Italiens Türen weiter offen.
Luigi Di Maio, der Capo seines Koalitionspartners M5S, übernimmt das Arbeitsministerium und ist damit für das Staatsbürgergrundeinkommen zuständig, das seine Partei im Regierungsprogramm durchsetzen konnte. Dieses 740 Euro monatlich hohe "Reddito di Cittadinanza" kann auf zwei Jahre begrenzt von Personen beantragt werden, die im Jahr weniger als 9.360 Euro einnehmen. Eine weitere Voraussetzung soll sein, dass sie höchstens jede dritte Arbeit ablehnen, die ihnen angetragen wird.
Finanz- und Außenminister parteifrei
Finanzminister wird statt Savona der parteifreie Volkswirtschaftsprofessor Giovanni Tria - ein Hauptstädter, der auf die Frage nach einem Euro-Ausstieg meinte, "es wäre falsch, das mit Ja zu beantworten, und es wäre zu wenig, einfach Nein zu sagen". Ebenfalls parteifrei ist der neue italienische Außenminister Enzo Moavero Milanesi - ein Lombarde, der in den Nuller Jahren stellvertretender Generalsekretär der EU-Kommission und Anfang der 2010er Jahre unter Enrico Letta Europaminister war.
Ressortverteilung
Die Lega bekommt außer dem Innenministerium noch das wiedereingeführte Ministerium für Regionen und die Ressorts Landwirtschaft, Bildung, Verwaltung und Familie. Regionalministerin wird die 48-jährige Erika Stefani aus Venetien, Landwirtschaftsminister der ebenfalls 48-jährige Lombarde Gian Marco Centinaio, Bildungsminister der 56-jährige lombardische Sportlehrer Marco Bussetti, Verwaltungsministerin die für ihren strengen Gesichtsausdruck bekannte 52-Jährige Sizilianerin Giulia Bongiorno und Familienminister der 38-jährige Veroneser Europaabgeordnete Lorenzo Fontana.
Die Fünf-Sterne-Bewegung bekommt ein Ministerium für Süditalien, das Kultur- und Tourismusministerium, das Verteidigungsministerium, das Gesundheitsministerium (Giulia Grillo), das Infrastrukturministerium, das Justizministerium und das Umweltministerium. Süditalienministerin wird die 56-jährige Fremdsprachenkorrespondentin Barbara Lezzi aus Apulien, Kultur- und Tourismusminister der 57-jährige Mailänder Kunstakademiedirektor Alberto Bonisoli, Verteidigungsministerin die 50-jährige Entwicklungszusammenarbeitsexpertin Elisabetta Trenta aus Rom, Infrastrukturminister der 33-jährige Versicherungsjurist Danilo Toninelli, Justizminister der 31-jährige Florentiner Rechtsanwalt Alfonso Bonafede und Umweltminister Sergio Costa, ein 59-jähriger Carabinieri-General aus Kampanien.
Die Finanzmärkte reagieren - anders als von manchen deutschen Medien prophezeit - bislang positiv auf die Nachricht, dass es doch noch eine Regierung aus Lega und M5S gibt: Der DAX, EuroStoxx und die Mailänder Börse legten zu. Negativ reagierte dagegen der EU-Kommissionspräsident Juncker: Der Luxemburger entfachte gestern Abend bei einer Veranstaltung des European Policy Centre mit der Aufforderung an die Italiener, die Schuld für Missstände nicht bei der EU zu suchen, sondern lieber mehr zu arbeiten, die Gerüchte neu, dass er nicht immer ganz nüchtern ist.
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