Italien: Ministerpräsident Conte zurückgetreten
Kommt jetzt der "Plan Ursula"?
Gestern reichte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte beim italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella seinen Rücktritt ein. Er reagierte damit auf das Vorhaben der Regierungskoalitionspartei Lega, einen Misstrauensantrag gegen ihn einzubringen. Nun liegt der Ball beim Sozialdemokraten Matarella, der die Wahl hat, ob er einen neuen Ministerpräsidenten ein- oder vorgezogene Neuwahlen ansetzt.
Contes Schritt kam nicht mehr ganz unerwartet, nachdem Luigi Di Maio, der Capo des anderen bisherigen Regierungskoalitionspartners M5S, vorher auf seinem Facebook-Profil gepostet hatte, es sei ihm eine "Ehre" gewesen, mit Conte zusammenzuarbeiten. An seinen bisherigen Koalitionspartner gewandt meinte Di Maio, nun müsse die Lega "für ihre Fehler geradestehen, weil sie beschlossen ha[be], alles einstürzen zu lassen, und eine Krise mitten im August am Strand zu eröffnen".
Salvini: "Wer Angst vor Wahlen hat, der hat Angst, seinen Posten zu verlieren"
Salvini hatte den M5S-Ministern und -Abgeordneten vorher indirekt vorgeworfen, aus Angst vor einem Amts- und Mandatsverlust Neuwahlen verhindern zu wollen. "Wer Angst vor Wahlen hat", so der bisherige Innenminister, "der hat Angst, seinen Posten zu verlieren". Gebe es eine neue Regierung ohne vorherige Wahlen, sei diese lediglich ein "Pakt um der Posten willen".
Eine mögliche Kombination für so eine neue Regierung ohne Neuwahlen wäre ein Bündnis aus der M5S und der bislang oppositionellen sozialdemokratischen PD (vgl. Italien: Koalition aus M5S und Sozialdemokraten statt sofortiger Neuwahlen?). Aktuell verfügt die M5S über 216 und die PD über 111 der insgesamt 630 Abgeordneten in der Camera dei Deputati. Im 320-köpfigen Senat hätten die beiden Parteien mit 107 und 51 Senatoren aber nur dann eine absolute Mehrheit, wenn sie Unterstützung aus der achtköpfigen Autonomistenfraktion um die Südtiroler Volkspartei oder der vierzehnköpfigen PD-Abspaltung Liberi e Uguali (LeU) bekommen.
Ob es solche möglichen Mehrheiten nach einer Neuwahl noch gäbe, ist fraglich: Den aktuellen Umfragen nach kann die M5S dabei nämlich nicht mehr mit 32,6, sondern nur noch mit 16,5 bis 18,2 der Stimmen rechnen. Die würden auch dann nicht mehr für eine Koalition mit der PD reichen, wenn sich die Sozialdemokraten von 18,7 auf die aktuell vorhergesagten 22,4 bis 23,4 Prozent steigern. Die LeU schneidet in Umfragen zudem so schlecht ab, dass sie nur unter den zusammengerechnet 5,1 "Sonstigen" aufgeführt wird und kaum Chancen auf einen Wiedereinzug in die Kammern hat.
Öffentlich sprach die Option einer Neuwahlverhinderungszusammenarbeit zwischen M5S und PD als erster der 2016 nach einer Volksabstimmungsniederlage zurückgetretene ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Matteo Renzi an. Mit ihm und mit seiner ehemaligen Verfassungsreformministerin Maria Elena Boschi will die M5S jedoch nicht zusammenarbeiten, wie der ihr angehörige Justizminister Alfonso Bonafede verkündete. Renzi ist aber ohnehin nicht mehr Vorsitzender der PD. Und deren aktuellen Chef Nicola Zingaretti schloss Bonafede ebenso wenig von einer Kooperation aus wie andere Sozialdemokraten.
Zingaretti hat seine Meinung am Wochenende geändert
Zingaretti wiederum hatte sich anfangs gegen eine Zusammenarbeit mit der M5S ausgesprochen, diese Meinung aber über das Wochenende geändert. Und anders als Renzi schwebt ihm dabei anscheinend nicht nur eine zeitlich begrenzte Koalition zur Verabschiedung eines Haushalts vor, sondern eine Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode.
Es gibt auch schon einen Namen für so eine mögliche Zusammenarbeit: Italienische Medien sprechen von einem "Plan Ursula" und beziehen sich damit auf die Wahl der ehemaligen deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zur designierten EU-Kommissionspräsidentin. Die M5S hatte ihr im Europaparlament zusammen mit den Vertretern der älteren Fraktionen am 16. Juli zugestimmt, während sie die Abgeordneten der Lega ablehnten (vgl. EU-Parlament: Mehrheit genehmigt von der Leyen).
Damals stimmte auch die Forza Italia für von der Leyen. Auch zwischen ihr und der M5S ist eine Zusammenarbeit zur Verhinderung von Neuwahlen nicht ganz ausgeschlossen (obwohl es große programmatische Unterschiede gibt). Denn auch die Forza-Italia-Abgeordneten müssen anhand der aktuellen Umfragen im Fall baldiger Neuwahlen mit einem Mandatsverlust rechnen.
Zu guter Letzt ist auch möglich, dass sich die M5S mit der Lega auf eine erneute Regierungszusammenarbeit einigt. Dem M5S-Fraktionsvorsitzenden Stefano Patuanelli soll Salvini bereits gesagt haben, "sein Telefon sei für [die Grillisten] immer an".
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