Italien: Regierung mit beschränktem Programm?
Berlusconi angeblich zu Zusammenarbeit mit M5S bereit
Der italienischen Tageszeitung La Repubblica zufolge ist Silvio Berlusconi angeblich bereit, eine Regierung zu unterstützen, die aus Politikern seines Mitte-Rechts-Bündnisses und der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) besteht. Das soll der Forza-Italia-Vorsitzende am Dienstag und Mittwoch den Chefs seiner Bündnispartner Lega und Fratelli d'Italia offenbart haben. Voraussetzung soll sein, dass sich das Programm einer gemeinsamen Regierung auf Punkte beschränkt, über die sich die beiden Lager Berlusconis Ansicht nach einig werden könnten: Dazu zählt er neben der Migrations- und Sicherheitspolitik auch die Bereiche Wirtschaft und Beschäftigung.
Diese Meldung kommt insofern überraschend, als der 81-jährige die M5S im Wahlkampf als Hauptgegner behandelt und gewarnt hatte, sie sei für Italien eine größere Gefahr als der Kommunismus. Dass er nun umschwenkt, könnte der Repubblica nach daran liegen, dass er der vom Komiker Beppe Grillo gegründeten Bewegung die Verantwortung für das Nichtzustandekommen einer Regierung zuschieben will.
"Von den Märkten am meisten gefürchtet"
Eine andere mögliche Erklärung hat die Financial Times. Sie vermutet, dass der ehemalige Ministerpräsident damit verhindern will, dass sich die Wahlgewinner M5S und Lega annähern und seine Forza außen vor lassen, weil ihnen die Parlamentssitze auch ohne die Mitte-Rechts-Bündnispartner für eine Mehrheit reichen würden (vgl. Italien: Alle wollen mit den Sozialdemokraten regieren).
So ein Bündnis wird der Financial Times zufolge "von den Märkten am meisten gefürchtet". Grund dafür sind Gemeinsamkeiten, die M5S und Lega nicht nur in Sachen Staatsausgaben, sondern auch in ihrer Haltung gegenüber Brüssel haben. Am 14. März hatte Lega-Chef Matteo Salvini verlautbart, die "kulturellen Unterschiede", die es zwischen der vor allem im Norden siegreichen Lega und der vor allem im Süden gewählten M5S gebe, müssten nicht bedeuten, dass man sich nicht auf Inhalte einigen kann. Dabei nannte der Lega-Chef neben der Bekämpfung der illegalen Einwanderung, mehr Föderalismus, die Einführung einer Flat Tax und die Rücknahme der (auf den Druck Brüssels hin erwirkten) Rentenreform.
Rücknahme von Stabilitätsvorschriften
Bei einer Pressekonferenz in Straßburg hatte er am Tag zuvor verlautbart, die Politik der EU habe den Italienern das Recht auf Hoffnung und auf eine Zukunft gestohlen. Nun hätten die Bürger aber mit ihrer Stimme entschieden, dass sie diese Rechte zurück haben wollen. Deshalb wolle seine Partei im Falle einer Regierungsübernahme "höflich und verantwortungsvoll" mit Brüssel über eine Rücknahme von Stabilitätsvorschriften verhandeln, die den Italienern schwer geschadet hätten.
Für den Fall, dass sich die EU darauf nicht einlässt, habe man Experten beauftragt, eine Änderung des Artikels 75 der italienischen Verfassung vorzubereiten, der in seiner aktuellen Fassung keine Volksentscheide über internationale Verträge erlaubt. Dann könne das italienische Volk darüber entscheiden, ob es die nach Ansicht Salvinis "falsche Entscheidung" der Euro-Übernahme revidiert. Mit so einem Referendum hatte früher die M5S geworben. Ihr aktueller "Capo" Luigi Di Maio lehnt eine Volksabstimmung über den Euro jedoch ab (vgl. Salvini droht Brüssel mit Ausstieg aus dem Euro).
Mit der M5S regieren oder die Forza schlucken?
Angeblich sollen sich Di Maio und Salvini vor Berlusconis Intervention bereits darauf geeinigt haben, bei der anstehenden Wahl der Parlamentspräsidenten in der Abgeordnetenkammer für den M5S-Kandidaten Roberto Fico und im Senat für einen Politiker der Lega zu stimmen. Ob das jetzt noch gilt, wird sich am Freitag herausstellen. Der Beginn offizieller Regierungsbildungsverhandlungen wird erst nach Ostern erwartet.
Einer Zweierkoalition mit der M5S stehen nicht alle Lega-Politiker offen gegenüber: Der toskanische Abgeordnete Guglielmo Picchi verlautbarte beispielsweise, man werde das Mitte-Rechts-Bündnis nicht aufgeben, nachdem man dort die Führung übernommen habe. Damit spielte er darauf an, dass seine Partei entgegen der festen Erwartungen Silvio Berlusconis und fast aller Medien mit 17 Prozent Stimmenanteil besser abschnitt als die Forza Italia, die nur auf 14 Prozent kam.
Manche Lega-Politiker hegen deshalb die Hoffnung, dass sich der Konzentrationsprozess bei Neuwahlen fortsetzen wird und dass ihre Partei die Berlusconis mehr oder weniger übernehmen könnte, wenn Salvini der Versuchung einer Regierungsbildung widersteht.