Italien spart bei Politikern
Anzahl der Parlamentarier soll um etwa ein Drittel verringert werden
Die Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments nahm gestern mit 310 "Ja"- zu 107 "Nein"-Stimmen und fünf Enthaltungen in erster Lesung einen von der regierenden Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) eingebrachten Gesetzesentwurf an, der vorsieht, die Zahl der Abgeordneten und Senatoren deutlich zu verringern. Nach dieser Lesung geht der Entwurf in die zweite Parlamentskammer, den Senat und dann noch einmal in die Abgeordnetenkammer.
Auch nach der Reform noch mehr bezahlte Volksvertreter auf Landesebene als die USA oder Russland
Lässt sie ihn auch in zweiter Lesung passieren, werden dort nach der nächsten Wahl nicht mehr 630, sondern nur mehr 400 bezahlte Abgeordnete sitzen. Die Zahl der Quotensitze für Südtiroler und für Italiener, die im Ausland leben, wird ebenfalls verringert: Die für Südtiroler von elf auf sieben Abgeordnete (weshalb die Südtiroler Volkspartei explizit gegen das Vorhaben ist), die für Auslandsitaliener von zwölf auf acht. Im Senat säßen dann statt 315 nur mehr 200 Senatoren. Höchstens fünf davon dürfen vom Staatspräsidenten ernannte nicht gewählte Honoratioren sein. Dadurch kann ein Staatspräsident die Zahl der Senatoren nicht mehr beliebig erhöhen.
Mit 400 Erstkammer- und 200 Zweitkammerabgeordneten hätte das Gut-60-Millionen-Einwohner-Land dann pro Kopf immer noch mehr bezahlte Volksvertreter auf Landesebene als beispielsweise die USA, die sich für knapp 330 Millionen Einwohner 435 Repräsentantenhausabgeordnete und hundert Senatoren leisten. Auch Russland gibt sich mit 450 Duma- und 170 Föderationsratsabgeordneten bei etwa 145 Millionen Einwohnern bescheidener. Ganz zu schweigen von Indien, wo maximal 552 Abgeordnete in der Lok Sabha und 250 weitere in der Rajya Sabha etwa 1,34 Milliarden Menschen vertreten.
Verschwenderischer sind dagegen das Vereinigte Königreich mit 650 Unterhaus- und 791 Oberhausabgeordneten für 66 Millionen Briten und Nordiren. Nicht ganz so viele Abgeordnete alimentieren die ebenfalls 66 Millionen Franzosen, die für 577 Sitze in der Nationalversammlung und für 348 im Senat zahlen.
Deutschland: Praktisch sehr viel teurer als vorgesehen
In Deutschland wären für knapp 83 Millionen Einwohner eigentlich 598 Bundestags- und 69 Bundesratsmitglieder vorgesehen. Aktuell hat der Deutsche Bundestag allerdings 709 Sitze. Das liegt an den Zusatzmandaten, mit denen das deutsche Wahlrecht Unstimmigkeiten ausgleichen will, die durch eine Mischung von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht entstehen. Umfragezahlen nach könnten deshalb im nächsten Bundestag sogar 898 Abgeordnete sitzen. 189 mehr als jetzt und 300 mehr als eigentlich vorgesehen (vgl. Bundestag könnte bei Neuwahlen auf fast 900 Abgeordnete explodieren).
Dem Bund der Steuerzahler (BdSt) zufolge würde das "deutlich mehr als eine Milliarde Euro im Jahr" kosten. Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (PARTEI) forderte deshalb eine "Obergrenze für die Gesamtsumme der Diäten des kompletten Bundestages" (vgl. PARTEI fordert Obergrenze für Abgeordnete). Andere deutsche Parteien konnten sich für diesen Reformvorschlag bislang nicht begeistern.
Bundestagsabgeordnete beziehen ab Juli mehr als 10.000 Euro monatlich
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble von der CDU setzte stattdessen diese Woche eine Diätenerhöhung in Kraft, die jedem Bundestagsabgeordneten ab dem 1. Juli 2019 303,19 Euro mehr Steuergeld in die Kasse spült. Durch diese Diätenerhöhung beziehen Bundestagsabgeordnete dann mehr als 10.000 Euro monatlich. Hinzu kommt eine Kostenpauschale in Höhe von 4.418,09 Euro, die ebenfalls angehoben wird.
Der Bürgerverein Mehr Demokratie hat der zuständigen Fachgruppe im Bundestag einen unparteiischen Vorschlag vorgelegt, der die Blockade der Parteien beim Versuch einer Begrenzung der kostspieligen Bundestagsmandate durchbrechen soll: Er sieht vor, dass ein Wähler in einem Wahlkreis künftig drei statt nur einen Direktkandidaten ankreuzen kann, ohne dass der Stimmzettel ungültig wird.
Dieser Stimmzettel sähe dann auch anders aus, weil pro Partei oder Gruppierung bis zu sieben Kandidaten zur Auswahl stünden. Das könnte für den Wähler einen gewaltigen Unterschied machen - wenn er beispielsweise zwischen Personen wie Anton Hofreiter und Boris Palmer bei den Grünen, Katja Kipping und Sahra Wagenknecht bei den Linken, Angela Merkel und Philipp Lengsfeld bei der CDU oder Wolfgang Gedeon und Marc Jongen bei der AfD wählen könnte (vgl. AfD: Antisemitismusstreit geht in die Verlängerung).
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