Italien will bei Galileo nicht klein beigeben

Weil Deutschland auf die "Führungsrolle" bestand, scheiterte ein Kompromiss über das europäische Satellitennavigationssystem

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Das europäische Satellitensystem Galileo steht auf der Kippe. "Unterbrechung der Verhandlungen" musste die European Space Agency (ESA) vermelden, nachdem alle Bemühungen um einen Kompromiss unter den Teilnehmerländern gescheitert waren. "Obwohl 13 der Mitgliedsstaaten bereit waren, eine Kompromiss-Lösung im gemeinschaftlichem Interesse zu akzeptieren, waren zwei, Deutschland und Italien, nicht einverstanden", so die ESA.

"Ein harter Schlag für Europa", bedauerte ESA-Generaldirektor Antonio Rodotà. "Die gesamte europäische Raumfahrtindustrie wird schwer unter dieser Verhandlungsunterbrechung leiden".

Jetzt verschieben sich laut Rodotà der Start der Projektentwicklung und die Implementierung. Die ESA will nun weiter nach einer Lösung suchen. Auch eine Krisensitzung vor März wird erwogen. Bis 2005 muss auf jeden Fall der erste Galileo-Satellit im Weltraum sein, denn sonst verliert die ESA die Sendelizenzen, die sie gegen den Widerstand der USA auf einer internationalen Konferenz im Jahr 2000 bekommen hat. Im Jahr 2008 soll Galileo in Betrieb genommen werden.

Entgegen den Erklärungen der ESA ist sich die Bundesregierung keiner Schuld bewusst. Die Verhandlungen seien "vorerst an den Forderungen Italiens gescheitert", teilte das Bundesverkehrsministerium mit. Weil es mit 25 Prozent den größten Anteil an dem Galileo-Projekt hat, stehe Deutschland die "industrielle Führung" des Projektes zu, argumentierte das Berliner Ministerium. Die Bundesrepublik habe deshalb auch ein Anrecht auf den Sitz des Unternehmens. Frankreich ist im Rahmen der ESA mit 17 Prozent an Galileo beteiligt, Großbritannien mit 14 Prozent und Italien mit 13 Prozent.

Zur Lösung des Streits habe Deutschland dann eine Reduzierung seines Anteils angeboten, doch das sei aufgrund "der unnachgiebigen Haltung Italiens" gescheitert. Das Bundesverkehrsministerium bekräftigte den Anspruch auf eine "deutsche Führungsrolle" und warf der italienischen Regierung vor, auf Kosten der deutschen Steuerzahler einen geschäftlichen Anteil anzustreben, "der über den finanziellen Anteil Italiens deutlich hinaus geht". Berlin sei immer noch an einer schnellen und fairen Einigung interessiert, allerdings auf Grundlage der Formel "Beteiligung nach Bruttosozialproduktanteilen".

Damit stellt Deutschland allerdings eine Einigung infrage, die erst wenige Tage zuvor, ebenfalls im Dezember 2002, erzielt worden war. Demnach kämen auf Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien jeweils ein Anteil von 17,5 Prozent, die Führung des Projekts würde auf alle vier Staaten gleichmäßig verteilt werden.

Die ESA teilt sich die Entwicklungskosten des Galileo-Systems von 1,1 Milliarden Euro bis 2005 mit der EU. Diese verspricht sich von Galileo eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten im Bereich von Transport und Verkehr und rechnet mit 100.000 Arbeitsplätzen und einem volkswirtschaftlichen Nutzen von 18 Milliarden Euro.

Das Galileo-System soll aus 27 Satelliten bestehen, die in einer Höhe von 23.616 Kilometern um die Erde kreisen. Drei weitere Satelliten werden als Ersatz gebaut. Mit Galileo wäre Europa unabhängig vom US-amerikanischen Global Positioning System (GPS), das Europa momentan mitbenutzt. Im Unterschied zum GPS und auch zum russischen Global Navigation Satellite System (GLONASS) soll Galileo zivil genutzt werden, wie die ESA immer wieder beteuert. Allerdings haben Frankreich und Italien schon ihr Interesse an einer militärischen Nutzung von Galileo bekundet.