Italiens Retro-Trip: Vespa-Abgase sollen Kulturerbe werden
Italien sucht seine Zukunft in der Vergangenheit und will die Verbrenner-Vespa zum Kulturerbe erheben, um sie gegen mögliche Abgaslimits in der EU zu immunisieren.
Die aktuelle italienische Regierung will ich mit der Stilisierung der Vergangenheit gegen die verbreitete Angst vor der Zukunft positionieren. Dieses Vorgehen erscheint schon recht verblüffend, weil es Änderung, wie sie der Klimawandel mit sich bringt, einfach ignoriert und mit einem Schritt in die Vergangenheit alle aktuellen Probleme lösen will.
Nach den nicht gerade erfolgreichen Ideen, sich gegen die EU-Erlaubnis von bestimmten Insektenproteinen in Nahrungsmitteln und Fleisch aus der Petrischale zu wenden und für italienische Pasta italienischen Hartweizengrieß vorzuschreiben, obwohl die im Land erzeugte Menge den Bedarf traditionell nicht deckt und Italiens Hartweizengriesimport aus Russland seit 2023 sprunghaft um 1.164 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen ist und die Preise für italienischen Hartweizengries gleichzeitig rasant verfallen.
Vorschriften können zudem immer nur für den italienischen Markt gelten und müssen mit EU-Recht kompatibel sein. Wenn italienische Pasta-Hersteller wie Barilla Teile ihrer Fertigung ins Ausland verlagern oder dort Wettbewerber zukaufen, entziehen sie sich dem Zugriff der Regierung in Rom.
Kulturerbe darf die Luft verpesten
Aus der aktuellen italienischen Regierung kommt jetzt der rückwärtsgewandte Vorschlag, den am 23. April 1946 patentierte Motorroller "Vespa Piaggio" als nationales Kulturerbe anzuerkennen, wie es in einem Gesetzentwurf heißt, der von Salvini aktiv unterstützt wird.
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Ziel ist es, "die Vespa in die Liste der Fahrzeuge von nationalem Interesse aufzunehmen, um sie vor jeder Art von Verkehrsbeschränkung zu bewahren, ist ein Vorschlag gesunden Menschenverstands, den wir aktiv unterstützten, um ein Erbe, einen Mythos und ein italienisches Symbol auf zwei Rädern zu verteidigen, das in der ganzen Welt bekannt ist und bewundert wird", betonte Matteo Salvini von der rechten Regierungspartei Lega in einem Schreiben
Italien will über den Umweg, den Kultroller Vespa als nationales Kulturerbe anerkennen lassen, um Einschränkungen bei der Zulassung aufgrund von Schadstoffgrenzwerten zuvorkommen. Die Vespa soll auch künftig als nationales Erbe "frei fahren" dürfen, unabhängig von jeglichen Beschränkungen in Zusammenhang mit Schadstoff-Emissionen.
Tradition ohne Rücksicht auf die Umwelt
Mit ihrer Gesetzesinitiative will die italienische Regierung ganz offensichtlich zeigen, dass sie sich gegen Brüssel durchsetzen kann, auch wenn es inhaltlich abgesehen von der Machtdemonstration nicht wirklich Sinn ergibt. Wie in anderen europäischen Ländern ist die Vespa auch in Italien inzwischen ein Freizeitmobil für Junge und Junggebliebene, hat jedoch schon lange nicht mehr die Bedeutung wie in der Zeit nach dem Krieg.
Als Hersteller hat Piaggio inzwischen, anders als die Regierung, die Zeichen der Zeit erkannt und produziert auch E-Roller, welche mit den Attributen "kein Lärm", "keine Kompromisse in Bezug auf Leistung" sowie "weniger Emissionen" vermarktet werden. Vom Design geben sie sich ebenso stylish wie ihren klassischen Schwestern und sind dabei kaum teurer als die klassischen Verbrenner.
Denn der Klimawandel hat Italien schon im Würgegriff und zeigt inzwischen drastische Auswirkungen. Er schränkt die landwirtschaftliche Produktion schon so stark eine, dass Olivenöl inzwischen immer häufiger gefälscht wird, weil die gute Ware immer knapper wird und Bauern wieder überlegen, das Land zu verlassen, weil die Landwirtschaft nicht mehr genug einbringt.
Die durch die Hitzewellen ausgelöste Trockenheit trifft die Wasserversorgung in großen Teilen Italiens und sorgt in Berlin für entsprechende Reisewarnungen.
Die Vespa mag zwar eine italienische Geburt sein. Sie wird heute in der globalisierten Welt jedoch nicht nur in Pontedera hergestellt, wo die Produktion für Europa, Amerika und alle westlichen Märkte stattfindet, sondern auch in zwei Werken in Asien.
In Vinh Phuc, von wo aus der lokale Markt und Fernost beliefert werden, sowie im Werk in Baramati, das im April 2012 eröffnet wurde und speziell den indischen Markt beliefert.
Die Produktionszahlen der Vespa sind in den vergangenen Jahren rapide gestiegen. So wurden im Jahre 2004 noch 58.000 Vespa produziert. 2016 lag die Zahl bereits bei 100.000, 2017 stieg sie auf 180.000 und erreichte 2018 einen Rekord von über 210.000 Exemplaren. In der letzten Dekade wurden rund um den Globus über 1,6 Millionen Vespa verkauft.
Über 18 Millionen Vespa Roller haben bis heute ihren Weg auf sechs Kontinente gefunden. Die Roller sind in der industrialisierten Welt ein kultiges Freizeitfahrzeug und in den Schwellenländern stehen sie am Übergang zur Motorisierung der Gesellschaft im Wettbewerb mit japanischen und chinesischen Marken.
Auch im aufstrebenden Reich der Mitte, das vor 30 Jahren noch vom Fahrrad als Verkehrsmittel dominiert wurde und sich heute als Marktführer mit 300 Herstellern von E-Mobilen behauptet, hat sich die italienische Marke inzwischen als Freizeitmobil ihren Markt erobert.