Jabat al-Nusra heißt jetzt Jabat Fatah al-Sham
Die Dschihadisten wollen sich aus taktischen Gründen von al-Qaida abspalten, der ideologische Riegel bleibt allerdings derselbe. Die Kampfrhetorik richtet sich nun gegen den Westen und Russland
Die Details der künftigen amerikanisch-russischen Zusammenarbeit in Syrien (USA und Russland: "Konkrete Schritte" gegen al-Nusra vereinbart) sollen laut US-Außenminister Kerry in den ersten Augusttagen bekannt gegeben werden. Am Rande des ASEAN-Treffens habe er mit seinem russischen Kollegen Lawrow gesprochen, es seien weitere Fortschritte erzielt worden.
Auch der UN-Sondergesandte de Mistura verspricht sich einiges von dem Deal. Die für den 1. August anberaumte Fortsetzung der Genfer Gespräche wird auf Ende August verschoben. Denn Abmachungen zwischen Russland und den USA seien entscheidend, wie er schon mehrmals betonte.
Rebranding bei al-Nusra als Reaktion
Den größten Wirbel verursachte die Nachricht, dass zu einer Einigung zwischen Russland und den USA kommen könnte, bei der al-Nusra-Front. Sie ist schließlich das Ziel der anvisierten militärischen und geheimdienstlichen Zusammenarbeit der beiden großen Mächte. Anfangs hieß es noch, dass es viele Hindernisse gebe, in der jüngsten Vergangenheit mehrte sich die Signale, dass sich die USA und Russland doch einigen könnten. Der al-Nusra-Führer Abu Mohammad Al Golani reagierte darauf. Wie Gulf News bereits am Dienstag berichtete, beabsichtigt Al Golani nun, dass sich die Miliz von al-Qaida abzuspaltet.
Die Formulierung von Gulf News: "announcing his departure from Al Qaida" weist schon auf PR-Aspekte hin, die mit dieser Aktion verbunden sind. Und wie bei einer Kreativagentur wird die Aktion mit einem Rebranding getoppt: Jabhat al Nusra firmiert künftig unter Jabhat Fath al-Sham (JFS, zu deutsch "Front für die Eroberung von al-Sham").
Was sich daraus entwickeln könnte, fasst IHS Jane in ein paar Sätzen zusammen:
Die Trennung könnte ein großes Hindernis zur Etablierung einer neuen syrischen islamistischen Front mit anderen aufständischen Gruppen in Syrien beseitigen, was mit größerer Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass diese Gruppen radikaler werden.
Die Entscheidung sei gefallen, berichtet Elijah J. Magnier, ein Beobachter der Entwicklungen in der syrischen Opposition. Die Mitglieder der al-Nusra von der Führung seien informiert worden, nachdem Shura-Treffen auf mehreren Ebenen abgehalten wurden. Die offizielle Ankündigung von Abu Mohammed Joulani (bzw. al Golani) sei nur mehr Formsache, erwartet wird sie in der allernächsten Zeit.
Keinerlei Änderungen der Ideologie
In seinem Bericht, wie auch bei den Ausführungen zur Sache aus dem inneren Kreis von al-Nusra, geht deutlich hervor, dass die Trennung von al-Qaida keinerlei Änderungen der Ideologie bedeutet.
Die Ideologie und die Doktrin bleiben tabu, selbst wenn die organisatorische Zugehörigkeit zur Qaida beendet ist.
Elijah J. Magnier
Magnier berichtet davon, dass die al-Nusra-Front den neuen Namen gewählt habe, weil man davon überzeigt sei, damit die Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland zu irritieren. Die USA und die UN würden die neue Organisation nicht mehr auf die Liste der terroristischen Organisationen setzen, sie wäre damit nicht mehr Ziel von Angriffen.
Die USA und Russland würden zögern ("hold their guns back"), was al-Nusra und anderen Milizen die Möglichkeit gebe, sich zusammenzuschließen und eine interne Front auszubauen. Innerhalb der al-Nusra sei man mittlerweile davon überzeugt, dass die Gefahr der "Kreuzzügler" größer sei als die Gefahr durch die "Charidschiten", womit der IS gemeint ist.
Eine neue Feindpriorität und Erwartungen auf einen großen Zulauf
Das entspricht den Ausführungen im oben genannten internen Bericht aus der Nusra-Front. Überschrieben ist der Text mit al-Maqalat. Dort wird betont, dass al-Qaida im wesentlichen "eine Botschaft" ist. Die militärische Taktik oder Strategie sei ein eigenes Feld. Wenn es im Kampf gegen den Feind klüger sei, einen Treueeid gegenüber dem al-Qaida-Führer Zawahiri nicht zu verlängern, so sei das kein Verrat, sondern auf den Sinn der übergeordneten Sache der Umma ausgerichtet.
Auch der interne Bericht betont die Verschiebung der Prioritäten. Der IS, "die Charidschiten", sei nun geschwächt, ideologisch ohnehin desavouiert, er sei nicht mehr der wichtigste Feind. Der sei jetzt der Westen, die Säkularen, die Unterstützer der syrischen Regierung etc. . Nach Auffassung des Autors des internen Schreibens ist nun ein guter Moment für al-Nusra gekommen. Denn der Pakt zwischen Russland und den USA würde zur verstärkten Unterstützung der Nusra-Front führen.
Der Bruch der Verbindungen mit al-Qaida wird ein Dilemma für die USA darstellen. Wenn die USA darauf bestehen, dass Jabhat al-Nusra in Absprache und in Zusammenarbeit mit Russland trotz des Bruchs mit al-Qaida bombardiert wird, dann wird dies zweifellos ein Beweis dafür sein, dass die USA dem syrischen Regime helfen und dass dies nicht ein Krieg gegen terroristische Organisationen ist, sondern ein Krieg gegen Muslime und den Islam.
Das dürften dann auch die großen rhetorischen Linien sein, die in nächster Zeit von Experten, Think Tanks, Medien und Politikern geäußert werden, die sich schon früh gegen eine russisch-amerikanische Zusammenarbeit ausgesprochen haben und für die Unterstützung einer "moderaten Opposition".
Bei Kerry heißt diese jetzt "nicht-terroristische Opposition", wie sie denn aussieht, wie stark sie ist, ob sie dem Druck von al-Nusra, sich ihr unter dem neuem Namen anzuschließen, widerstehen kann oder ob die Abhängigkeiten und Nähen doch zu groß sind, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Möglicherweise behält Lawrow Recht. Er behauptete stets, dass es diese unabhängige, moderate Opposition auf den Kriegsschauplätzen gar nicht gebe, sondern vor allem eine terroristische Front.